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Wer verfolgt da welchen Zweck? Und ist sie oder er sich dessen bewusst? Bild: Adobestock

Im Grunde ist alles zweckmässig

Felix Frei

Jedes Tun dient einem Zweck, schreibt Psychologe Felix Frei und thematisiert unter anderem die Ausdrücke «hidden agenda», «hidden hidden agenda» und «cover your ass».

Im Lichte der von uns verfolgten Zwecke ist selbstverständlich nicht alles zweckmässig. Doch wäre es falsch, in unzweckmässigem Tun nur Dummheit oder Unfähigkeit oder Bosheit oder Nachlässigkeit zu sehen. Jedes Tun – und manches Lassen – dient einem Zweck, fragt sich nur welchem.

Wie kennen den Begriff «hidden agenda»: Jemand verfolgt einen ganz anderen Zweck als den, welchen er offiziell vorgibt – aber er selbst weiss es ganz genau. Es ist schon fast heimtückisch, eventuell listig, jedenfalls nicht wirklich transparent. Darum geht es hier nicht. Hier geht es um eine Art von «hidden hidden agenda»: Ein verborgener Zweck, der auch dem Handelnden selbst nicht bewusst ist oder den er sich zumindest nicht zugibt. Das ist weder heimtückisch noch listig – aber riskant, denn es bedeutet, dass das eigene Tun gewissermassen fremdgesteuert ist: Geprägt durch einen Zweck, um den es «eigentlich» gar nicht geht und vielleicht auch nicht gehen dürfte.

Klassiker hierbei sind die Zwecke «Eindruck machen» sowie «Absicherung»:

Erstens: Fast jedes Tun findet vor irgendwelchen Zuschauern statt (das muss nicht Ihre Chefin sein) und bietet daher die Chance, Eindruck zu machen. Wer einen Job gut macht, offenbart immer auch, wie gut er oder sie ist. Das kann dann dazu verführen, den Job auf eine Weise zu machen, die möglichst viel von dem zeigt, was man kann. Unabhängig davon, ob all die zusätzlich gemachten Pirouetten, Purzelbäume und einhändigen Handstände etwas zur Sache beitragen oder nicht. Auch das Abwerten anderer dient dem Zweck, sich selbst ins beste Licht zu rücken, und trägt ganz sicher nichts zur Sache bei.

Zweitens: Absicherung läuft unter dem anschaulichen, der Affenwelt entliehenen Titel des «cover your ass». Vor lauter Angst, eines Fehlers oder einer Unterlassung bezichtigt zu werden, machen manche Menschen vieles, das überhaupt nicht zielführend, sondern blosser Ballast ist. Typischerweise mit siebenhundert cc-Mail-Adressaten sowie tausend Antworten auf nie gestellte Fragen.

Solange wir es wissen

Zu nennen wäre natürlich noch ein dritter klassischer versteckter Zweck: Eigeninteressen. Nur: Ist das nicht ein letztlich immer irgendwie mitlaufender Neben-Zweck? Er bedeutet ja noch nicht zwangsläufig, dass wir deshalb dem eigentlichen Zweck entgegenwirken oder den verfehlen.

Daraus können wir schliessen: Was auch immer wir zu welchem Zwecke unternehmen – zu irgendeinem Anteil laufen andere Zwecke mit. Es ist normal, dass wir auch eigene Interessen im Spiel haben, es ist natürlich, dass wir uns durch unsere Taten gut darzustellen versuchen, und es ist nicht verwunderlich, dass wir uns auch manchmal vorsorglich absichern. Alles halb so schlimm – solange wir es wissen und uns selbst darüber Rechenschaft ablegen. Ohne diese Rechenschaftsprüfung laufen wir hingegen Gefahr zu verkennen, in welche Richtung diese verschiedenen Zwecke uns locken. Das kann man sich wie eine Vektorrechnung vorstellen, und die Vektorresultante zeigt auf den Punkt, an dem wir schliesslich landen werden: Dieser Punkt sollte nicht ganz anderswo liegen als dort, wo wir eigentlich hingewollt hätten. Denn sonst fänden wir uns ziemlich verwirrt irgendwo im Schilf wieder.