Karriere

Sind Sie eher Teil des Glücks oder Teil des Pechs Ihres Chefs? Bild: Adobestock

Aber hat er auch Glück?

Felix Frei

In Zeiten immer raffinierterer Schemata und Verfahren zur Beurteilung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beruft sich Psychologe Felix Frei auf den Kriegsherrn Napoleon.

Als man einmal Napoleon einen vielversprechenden Marschall-Aspiranten empfehlen wollte und dessen Fähigkeiten in höchsten Tönen pries, antwortete der Korse: «Aber hat er auch Glück? Sonst will ich ihn nicht.» Was für eine Wohltat, so eine Einsicht, in der heutigen Zeit immer raffinierterer Schemata und Verfahren zur Beurteilung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und Assessments von Führungskräften. Darf ich wetten, dass bei keinem dieser Verfahren danach gefragt wird, ob die zu beurteilende Person auch Glück habe? Was ja, im Voraus, auch etwas schwer zu beurteilen ist ...

Es hat schon fast etwas Beschämendes, wenn wir uns von einem grossen Kriegsherrn in Erinnerung rufen lassen müssen, dass nicht jede Leistung auch ein Verdienst ist. Und das nicht jedes Können von Erfolg gekrönt wird. Vieles ist oder braucht ganz einfach Glück.

So ganz generell werden Sie dagegen kaum was einzuwenden haben. Aber stimmen Sie auch noch zu, wenn es um Ihren eigenen Chef geht, der vielleicht nicht gerade immer ein glückliches Händchen hat? Oder neigen Sie da zu der strengeren Einstellung, massgeblich seien alleine sein Können und Wollen? Und würde es für Sie umgekehrt gegen Ihren Chef sprechen, wenn er in seiner Führungsarbeit (nicht für sich oder in seiner Karriere) etwas Gutes primär mit Glück zustande brächte?

Sie selbst sind vielleicht Teil des Glücks Ihres Chefs

Zum Glück, das so ein Chef nämlich braucht, gehören nicht zuletzt die richtigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Natürlich kann er manches dazu tun, dass er mit der Zeit die richtigen hat – sei es durch Wechsel oder Weiterentwicklung oder Fortbildung und durch seine Führung insgesamt. Aber wenn er mit seiner Funktion startet, gilt das noch nicht. Dann sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihn in aller Regel eine gegebene Voraussetzung – die glücklicher oder weniger glücklich ausfallen kann.

Mit anderen Worten – Sie selbst sind vielleicht Teil des Glücks Ihres Chefs. Oder aber Teil seines Pechs. Ihre Kolleginnen und Kollegen natürlich auch, und sein eigener Chef auch. Doch die lassen wir jetzt mal alle weg, denn Sie lesen jetzt ja diesen Brief.

Hand aufs Herz: Sind Sie Teil seines Glücks oder eher nicht? Glück meint hier natürlich den wohlgesinnten Zufall, nicht die Empfindung des Glücklichseins. Aus der Optik Ihres Chefs sind Sie – wenn er Sie nicht selbst geholt hat – so ein Zufall. Hoffentlich ein wohlgesinnter.

Sie brauchen sich jetzt nicht zu echauffieren und mit Nachdruck darauf zu verweisen, dass man diese Sache auch umgekehrt betrachten könne, dass Ihr Chef für Sie Glück sei – oder eben nicht. Ich weiss, ich weiss. Hier jedoch geht es mir darum, Sie dafür zu gewinnen, sich selbst als Teil des Glücks Ihres Umfelds zu sehen, auf das dieses so dringend angewiesen ist. Allem Können und Wollen zum Trotz.

Selbstredend kommen für alle noch viele andere Aspekte möglichen Glücks dazu, die helfen mögen. Aber dass Sie persönlich so eine Art napoleonische Glücksfee sind, ist doch eigentlich allerhand.