Karriere

Wie kommt sie dazu, mich so hart zu kritisieren? Statt diese Frage mit der Antwort «Weil sie eben doof ist!» zu beantworten, sollte sich die Kritisierte fragen: Welches ist mein Anteil daran, dass ich kritisiert werde? Bild: Adobe Stock

«Gegenüber berechtigter Kritik bin ich sehr offen»

Felix Frei

Heute beschäftigt sich Psychologe Felix Frei mit dem psychologischen Mechanismus von Kritik – und der Kritikunfähigkeit vieler Leute.

Gewiss, es ist nachvollziehbar, dass niemand offen sein mag für nicht berechtigte Kritik. Bloss: das ist meist nicht der Punkt, wenn jemand im Brustton der Überzeugung sagt, er sei immer offen gegenüber berechtigter oder wahlweise auch konstruktiver Kritik. Der Punkt ist der: Ist der Kritisierte tatsächlich die Person, der es zusteht zu urteilen, was denn berechtigt oder konstruktiv sei?

Keiner mag Kritik. Kritik tut weh. Da, wo man Kritik schmerzlos einstecken kann, ist sie meist nur ein weiterführender Hinweis. Eine Ergänzung. Eine Information, die mir nützlich gewesen wäre, die ich aber nun mal leider nicht hatte. Eine Idee, wie man etwas noch besser hätte sagen/begründen/machen können. Aus all dem kann man lernen. Und da uns so etwas leicht Integrierbares schnell als berechtigt und konstruktiv erscheint, akzeptieren wir es auch gerne.

Wie kam die Kritik zustande?

Nur ist Kritik nicht immer so bekömmlich. Wenn sie zeigt, dass ich in einer Sache womöglich falsch liege, zu der ich eine feste persönliche Überzeugung hatte, dann stecke ich das nicht gleich leicht weg, wie wenn ich beispielsweise einer falschen Information aufgesessen bin.

Entsprechend läuft der psychologische Mechanismus bei vielen Menschen einfach so ab: Wenn eine Kritik nicht wehtut, dann war sie wohl berechtigt und konstruktiv. Wenn sie jedoch wehtut, dann ist sie völlig unberechtigt und keinesfalls konstruktiv. Nicht gerade der Königsweg zu Lernen und Weiterentwicklung!

Womit ich auch immer kritisiert werde: Es ist ein Faktum, dass man mich so kritisiert hat. Dieses Faktum kann ich nicht ignorieren. Eine reife Auseinandersetzung damit stellt nicht nur die Frage, ob der Inhalt der Kritik überzeugt oder nicht, sondern fragt, wie dieses Faktum zustande kommt. Wie kommt dieser andere dazu, mich so hart, vielleicht harsch/verletzend/destruktiv zu kritisieren?

Und noch bevor diese Frage mit einer schnellen Antwort «Weil er eben doof ist!» beantwortet wird, lautet die nächste Frage: Welches ist mein Anteil daran, dass er dies getan hat?

Niemand ist danach verpflichtet, die Kritik auch in der Sache zu akzeptieren. Aber jeder ist verpflichtet, sich diese Fragen zu stellen.

Es sind oft gerade jene Menschen, die im Arztwartezimmer im Brigitte-Persönlichkeitstest ankreuzen «Ich bin verteufelt kritikfähig», die überhaupt keine Kritik an sich herankommen lassen. Sie sind so selbstbewusst, dass sie sich selbst für zuständig halten, zu beurteilen, ob eine Kritik angemessen sei oder nicht. Nur wird eben keiner, der zum Schluss gekommen ist, dass zwei plus zwei fünf ergäbe, eine Kritik als berechtigt und konstruktiv empfinden, die stur etwas von vier faselt.

Umgekehrt gibt es auch Menschen, die den Fehler ohnehin schon immer bei sich suchen und sich von jeder – auch noch so dummen – Kritik beschämen lassen. Es wäre schön, wenn diese Menschen ein wenig von dem Zuviel an Selbstbewusstsein der anderen abbekämen. Gut tun würde dies beiden.