Karriere
Gründe zwingen, Zwecke locken
Felix FreiWenn sich Dinge in der Unternehmensorganisation oder den betrieblichen Abläufen verändern, wüssten wir alle jeweils gerne, warum. Nicht selten geben wir uns dann gleich selbst die Antwort – und die fällt nicht immer freundlich aus: «Was die sich da oben wohl wieder gedacht haben?!» – «Wahrscheinlich hat sich wieder mal ein neuer Chef profilieren wollen!» – «Die ändern bestimmt bloss um der Änderung willen etwas.» Und andere nette Vermutungen.
Manchmal ändert man (nicht bloss im Management) etwas aus zwingenden Gründen, manchmal aber auch im Hinblick auf lockende Zwecke. Das ist nicht dasselbe.
Wenn wichtige Kunden wegfallen oder der Markt einbricht, dann kann dies mitunter dazu zwingen, etwas zu tun. Vielleicht auch etwas Schmerzhaftes wie Kostensenkungen. Man mag beklagen, das sei bloss reaktiv und hätte sowieso viel früher geschehen sollen. Aber das ist nicht immer fair. Es gibt aber andere Massnahmen und Projekte, die das Management anpackt – ganz ohne dazu gezwungen zu sein. Vielleicht tatsächlich, weil Ihrer Chefin oder deren Chefin am frühen Morgen beim Aufwachen eine Idee gekommen ist. Dies wäre dann das Warum. Und daran wäre nicht einmal anstössig, wenn sie diese Idee bloss auf der Suche nach einer Profilierungsmöglichkeit gehabt hätte. Denn entscheidend ist etwas anderes: das Wozu. Gibt es ein unternehmerisch attraktives Wozu, das diese Idee Ihrer Chefin erreichen könnte? Wenn ja, dann kann es völlig egal sein, warum sie auf diese Idee gekommen ist.
Vielfach ist das Warum also nicht besonders relevant. Doch spielt das keine Rolle. Nur Gründe, die einen zwingen zu reagieren, sind überzeugend – doch dafür oft nicht attraktiv. Zwecke hingegen kann man in aller Ruhe auf ihre Attraktivität hin prüfen. Was hätten wir davon, wenn ...
Welcher Nutzen lockt das Unternehmen?
Machen Sie sich also noch keine Sorgen, wenn der Grund für eine Massnahme für Sie nicht so klar ist – solange der Zweck dafür umso attraktiver ist. Für das Unternehmen wohlgemerkt! Denn dafür sind Ihre Vorgesetzten bezahlt. Wenn der Zweck überdies für Sie und womöglich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls attraktiv ist, umso besser. Aber im Vordergrund muss zunächst die Zukunftssicherung für das Unternehmen stehen – das ist langfristig immer auch im Interesse der darin Beschäftigten.
Natürlich sind Warum und Wozu nicht immer so sauber zu unterscheiden. Und natürlich ist auch ein unternehmerisch überzeugendes Wozu nicht immer in Ihrem persönlichen Interesse. Worum es mir aber geht: Wenn Sie unternehmerische Veränderungsprozesse verstehen wollen, sollten Sie nicht versuchen, möglichst tief in den Kopf oder die Seele Ihrer Vorgesetzten zu schauen und nach Motiven fahnden. Vielmehr sollten Sie versuchen zu erkennen, welcher Nutzen für das Unternehmen lockt. Fragen Sie nicht: Warum? Fragen Sie: Wozu? Und überdies ist es sicherlich nicht falsch, selbst nach Chancen zu suchen, die sich aus der geplanten Veränderung auch für Sie ganz persönlich ergeben könnten. Packen müssen Sie sie natürlich selbst.
Mir scheint, mit dieser Offenheit und der nötigen Gelassenheit ginge so manches sehr viel lockerer.