Karriere

Es braucht eine Geisteshaltung aller Beteiligten, die auf den gemeinsamen Erfolg aus ist. Nicht auf den Nachweis der eigenen, persönlichen Leistung. Bild: Adobe Stock

Erfolg ist fast immer gemeinsamer Erfolg

Felix Frei

Viele Vorhaben scheitern daran, dass die damit Beauftragten nicht aufeinander schauen und nicht miteinander reden. Was sich im Berufsalltag daran ändern muss, sagt Psychologe Felix Frei.

Ein Klassiker unter den gruppendynamischen Übungen ist das so genannte Quadratspiel. Fünf Leute sitzen um einen Tisch. Jeder bekommt einen Umschlag mit ein paar Papierschnitzeln drin. Diese sind in geometrische Formen geschnitten. Die Aufgabe lautet: Am Schluss muss jeder ein Quadrat vor sich haben, das aus diesen Puzzleteilen zusammengesetzt ist. Was man an Teilen nicht brauchen kann, schiebt man in die Mitte. Dort darf sich jeder andere bedienen. Aber: Man darf nicht reden miteinander!

Nun verläuft die Sache typischerweise so, dass zwei Teilnehmer schnell ein Quadrat vor sich haben, während die anderen hirnen und hirnen. Die beiden «Erfolgreichen» schauen bald einmal siegesgewiss in die Runde. Dann beginnen sie sich langsam zu langweilen und ärgern sich darüber, dass die anderen drei so doof sind. Diese drei haben zwischenzeitig freilich schon längst gemerkt, dass sie nur dann zu einer Lösung kommen, wenn die zwei zuerst «Erfolgreichen» ihre Quadrate aufgeben und ihre Teile in die Mitte schieben, so dass schliesslich – in anderer Zusammensetzung der Teile – alle Spieler ein Quadrat vor sich haben. Die emotional ablaufende Dynamik davor kann ganze Freundschaften zerstören...

Es ist eben nicht so, dass einfach jeder seinen Job machen muss – und schon ist das Ganze erfolgreich. Man muss (vielleicht nicht immer, aber immer öfter) auf andere schauen, um als ganze Mannschaft erfolgreich sein zu können. In der Tat ist Erfolg eben (fast) immer gemeinsamer Erfolg.

Das Quadratspiel illustriert überdies ganz beiläufig und sehr schön, wie manches einfacher würde, wenn man miteinander reden würde. In dem Spiel ist es verboten; wäre es das nicht, käme die Lösung nämlich in Nullkommanichts zustande.

Geisteshaltung aller Beteiligten

All das wird Ihnen sicherlich sofort einleuchten. Auch Ihren Kollegen leuchtet es ganz gewiss sofort ein. Und trotzdem scheitern im Alltag viele Vorhaben ganz einfach daran, dass die damit Beauftragten nicht aufeinander schauen und nicht miteinander reden. Einsicht allein reicht ganz offensichtlich nicht. Und es reicht ganz offensichtlich auch nicht, wenn Ihre Chefin darauf besteht, dass Sie aufeinander achten und miteinander reden (sonst würde ja die Einsicht allein schon helfen).

Es braucht eine Geisteshaltung aller Beteiligten, die auf den gemeinsamen Erfolg aus ist. Nicht auf den Nachweis der eigenen, persönlichen Leistung. Diese Geisteshaltung ist gar nicht so einfach, denn sie verlangt von einem ja mehr, als nur den eigenen Job zu machen. Besonders schwierig wird das dann, wenn man glaubt, der einzige zu sein, der diese Mehrleistung erbringt, und überdies befürchtet, nicht allein auf dem Siegerpodest zu stehen.

Ein Anfang wäre, sehr deutlich zu machen, dass das Ziel – um im Bild unserer gruppendynamischen Übung zu bleiben – darin besteht, dass alle ein Quadrat vor sich haben. Und nicht, dass Sie Ihres haben! Im Führungs- und Arbeitsalltag kann und muss man das Kind beim Namen nennen – das ist ja Gott sei Dank keine gruppendynamische Übung. Dennoch bleibt es Ihre Aufgabe, Ihr Auge auf das Ganze zu richten. Der Erfolg ist etwas Gemeinsames. Die Augen aufzumachen etwas Individuelles.