Karriere

Es ist ein Missbrauch von Macht, wenn man sich gegenüber Menschen, die einem unterstellt sind, schlechter aufführt, als man dies gegenüber dem eigenen Chef je täte. Bild: Adobe Stock

Wird Führung eigentlich immer besser?

Felix Frei

Klar ist in der Unternehmensführung vieles besser geworden. Doch nicht alles, schreibt Psychologe Felix Frei und verweist auf das zwischenmenschliche Miteinander, auf fehlendes Zuhören und mangelnden Respekt.

Die Menschheit macht heute vieles besser als früher. Viele Fortschritte sind unübersehbar. Technisch sowieso. Aber auch in der Unternehmensführung, zum Beispiel in Sachen Logistik oder Prozessbeherrschung oder Kostenmanagement und Controlling in den Finanzen.

Ist auch die Führung immer besser geworden? Einerseits: unbedingt! Andererseits: nicht unbedingt!

Zum «Einerseits»: Glücklicherweise sind die Zeiten autoritärer Führung mit Befehl und Gehorsam vorbei. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden heute ernst genommen, der Umgangston ist überwiegend gut. Es wird viel mehr auf Verantwortung gesetzt, die Handlungsspielräume aller sind grösser geworden. Die Leute sind besser ausgebildet, und die Führung berücksichtigt das. Der Informationsstand aller Angehörigen in einem Unternehmen ist auf einem noch nie gekannten Stand.

Zum «Andererseits»: Vieles hat sich über die letzten Jahrzehnte aber auch nicht gebessert in der (Menschen-) Führung. Mir scheint, dabei handelt es sich immer um Dinge, die etwas mit dem ganz normalen zwischenmenschlichen Miteinander zu tun haben und gar nicht führungsspezifisch sind. Ob man sich zuhört, ob man miteinander redet, ob man anständige Umgangsformen pflegt und auch im Konfliktfall respektvoll bleibt – das sind Aspekte, die das Miteinander wunderbar oder aber zur Qual werden lassen können. Dazu kommen Könnensfragen: Ist jemand fähig zur Empathie (also dem Einfühlungsvermögen in andere)? Ist er fähig, die Perspektive zu wechseln (und kann sich vorstellen, wie die Welt aus anderen Augen aussieht)? Und wie gut entwickelt sind seine Fähigkeiten, zu kommunizieren?

Ein Missbrauch von Macht

Aus dem normalen zwischenmenschlichen Alltag sind wir alle uns ja allerlei gewöhnt, und man könnte von daher eine gewisse Gelassenheit in Bezug auf entsprechende Schwächen von Chefs erwarten. Das ist aber nicht so, denn Chefs haben (mal mehr, mal weniger) Macht über uns, und deshalb richten wir an sie höhere Erwartungen und sind empörter, wenn diese enttäuscht werden. Denn es ist ein Missbrauch von Macht, wenn man sich gegenüber Menschen, die einem unterstellt sind, schlechter aufführt, als man dies gegenüber dem eigenen Chef je täte.

Dagegen darf und soll man sich wehren. In allem Anstand, aber bestimmt.

Unser «Andererseits» gilt freilich nicht nur für Vorgesetzte, man kann von Geführten Analoges sagen: Gerade da, wo es «menschelt», sind manche Dinge auch heute um keinen Deut besser als früher. Es gibt immer noch Drückeberger und Weltmeister der faulen Ausrede. Es gibt Gerüchteverbreiter und Brunnenvergifter. Es gibt Leute, die nur auf ihren Eigennutz und Vorteil bedacht sind und von Hilfs- und Leistungsbereitschaft nicht mal wissen, wie man sie schreibt.

Auch dagegen darf und soll man sich wehren. Und nicht nur als Chef solcher Leute. Auch als Kollege.

Führung wird eben auf Dauer nur dann besser, wenn sich alle Beteiligten – oben wie auch unten – sehr aktiv darum bemühen. Nicht in der Theorie, sondern im ganz normalen zwischenmenschlichen Alltag.