Karriere

Schon wieder ein neuer Chef? Es empfiehlt sich, dessen Sprache und wie er etwas meint, baldmöglichst zu verstehen. Bild: Adobestock

Den Boss lesen können, ist Fremdsprachenkenntnis

Felix Frei

Psychologe Felix Frei rät, die Sprache des Chefs zu verstehen. Das sei gar nicht so schwer – vorausgesetzt, man begeht nicht einen der drei häufigsten Fehler.

Fremdsprachen sind wichtig. Eine davon ganz besonders, und zwar für alle von Ihnen. Die Sprache ist nicht Englisch oder Französisch oder gar Chinesisch, sondern Chefisch.

Wer es versteht, andere Menschen – fast wie ein Buch – zu lesen, kann nicht nur besser auf sie eingehen, sondern hat es selbst auch leichter. Das gilt auch für Sie in Bezug auf Ihren Chef.

Natürlich gibt es unterschiedliche «Bücher»: Manche sind offen, manche sind schwer verständlich, manche haben zugeklebte Seiten oder einen unleserlichen Druck, manche sind ein Genuss, andere ein Ärgernis. Genauso wie Chefs auch.

Die drei häufigsten Fehler

Den Chef lesen zu lernen, ist weniger schwer, als man meinen könnte – vorausgesetzt, Sie wollen es wirklich und Sie begehen nicht die drei häufigsten Fehler in dieser Sache: Erstens dürfen Sie nicht einen Krimi aufschlagen, sich aber die ganze Zeit wünschen, es wäre eine romantische Liebesgeschichte. Sie sollten schon bereit sein, das zu lesen, was da steht. Bezogen auf den Chef, den Sie haben, nicht einen, den Sie sich heimlich wünschen.

Zweitens dürfen Sie sich nicht von der Gefahr lähmen lassen, aus dem Verstehen (im Sinne von begreifen) müsse zwangsläufig Verständnis (im Sinne von akzeptieren) resultieren: Sie können durchaus verstehen, warum Ihr Chef einen Blödsinn macht oder etwas ganz Wichtiges unterlässt – und es dennoch unakzeptabel finden und (möglichst bei ihm selbst) kritisieren.

Drittens sollten Sie nicht gekränkt sein durch das Ansinnen, dass ich hier nur «Chefisch» als Fremdsprache empfehle – nicht aber «Mitarbeiterisch». Zugegeben, das wäre für Ihren Chef sehr wichtig. Aber ich rede hier mit Ihnen, nicht mit Ihrem Chef. Es hilft nichts, wenn wir zusammen mit dem Finger auf ihn zeigen.

Die Zeit rennt

Wie fast alles heutzutage steht auch der Anspruch, «Chefisch» zu lernen, unter erhöhtem Zeitdruck. Während früher Chefs manchmal viele Jahre auf ihrem Stuhl sassen und viele langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hatten, stand diesen genügend Zeit zur Verfügung, um zu lernen, wie ihr Vorgesetzter tickte. Heute wechseln Personen viel schneller, so dass man nicht immer ausreichend Zeit hat, jemanden lesen zu lernen. Umso bewusster und gezielter sollte man es angehen.

Zwei Dinge können dabei helfen: Erstens können und dürfen Sie Ihren Chef einfach auch befragen. Warum ist ihm dies oder jenes wichtig? Warum interessiert er sich kaum für das und das? Warum wird er fuchsteufelswild, wenn...? Selbst wenn er die Antwort vielleicht gar nicht exakt weiss: Aufschlussreich für Ihren Fremdsprachenkurs wird sie trotzdem sein. Zweitens reden Sie ja immer wieder mit Kolleginnen und Kollegen über Ihren Chef. Alles andere wäre verwunderlich. Nun steht es Ihnen ja frei, Ihren Fremdsprachenunterricht auch gemeinsam zu betreiben. Besser als bloss zu lästern wäre das allemal (obwohl es einen auch mal entlasten kann, einfach zu lästern – aber es bringt einen nicht vorwärts).

Wie stets bei Fremdsprachen, kommt es auch bei «Chefisch» darauf an, die Zwischentöne zu verstehen. Wenn die englische Königin sagt «We are not amused», so heisst das im Klartext: «Ich bin so was von stinkesauer, dass ich Tassen um mich werfen könnte.» Aber so kann eine Königin nun mal nicht reden.