Karriere

Das Jobumfeld wartet mit vielen Unsicherheiten auf – und Quellen der Angst. Bild: Adobestock

Keine Angst, er will nur spielen

Felix Frei

Ungewissheit ist auch im beruflichen Umfeld eine häufige Quelle von Angst, schreibt Psychologe Felix Frei.

Wohlmeinende Hundefreunde glauben, einen mit diesem Satz zu beruhigen, wenn ihr herzallerliebstes Tierchen einem schon an der Kehle hängt. Nun, als jemand, der Angst vor Hunden hat, kann ich ihnen (und Ihnen) versichern: Der Satz «Keine Angst, er will nur spielen» beruhigt ganz und gar nicht.

Angst zu haben – vor wem oder was auch immer –, das kommt einfach vor. Es ist ein zutiefst lebendiges Gefühl und wurde von der Natur auch mit guten Gründen erfunden. Es schützt uns nämlich vor Gefahren. Tiere reagieren darauf mit Flucht oder Kampf oder Sich-tot-stellen. Menschen im Prinzip auch. Wer gänzlich ohne Angst lebt, lebt vermutlich nicht sehr lange. Und wer niemals Angst beim Fliegen hat, leidet lediglich an mangelnder Fantasie.

Im Moment aber, wo wir uns ängstigen, wollen wir von all dem gar nichts wissen. Wir möchten nur keine Angst mehr haben. Wir möchten auch nicht, dass jemand merkt, dass wir Angst haben. Angst ist nicht cool. Helden – so meinen wir – haben keine Angst, sondern Mut. Das stimmt so nicht. Mut bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern etwas trotz der eigenen Angst zu tun. Helden stellen sich ihrer Angst.

Angst signalisieren in Ihrem Gehirn ganz spezifische Teile; sie heissen Mandelkerne. Wichtig zu wissen ist, dass Sie mit Ihrer Vernunft diese Teile nicht übersteuern können. Wichtiger, als sich die Angst wegargumentieren zu wollen, ist es, sich dieser Angst zu stellen. Nicht also sich selbst (oder anderen) einreden: «Du musst gar keine Angst haben!» Sondern: «Was ist es genau, das mir Angst macht?»

Information muss man sich notfalls auch selbst holen

Erst wenn die Angst sozusagen ein Gesicht bekommt, kann man sich ihr stellen. Nicht umsonst gibt es die Redewendung, man blicke einer Gefahr ins Angesicht. Herauszufinden, was einem Angst macht, ist nicht nur das, was der Geängstigte tun soll. Es ist auch das, was wirken kann, wenn man jemanden beruhigen will, der Angst hat. Der Satz «Du musst gar keine Angst haben!» nimmt eine eigene oder fremde Angst ganz einfach nicht ernst. Das rächt sich.

Dass viele von uns vor Veränderungen in ihrem beruflichen Umfeld Angst haben, ist nur schon deshalb nicht verwunderlich, weil sie – wenn sie nicht selbst im Management sitzen – gar nicht abschätzen können, was auf sie zukommt und was das für sie bedeutet. Ungewissheit ist eine häufige Quelle von Angst. Wenn die Dinge dann nach und nach klarer werden, legt sich die Angst häufig. Daher ist Information in betrieblichen Veränderungsprozessen so wichtig – selbst bezüglich schlechter Nachrichten. Information muss man sich notfalls auch selbst holen. Gleichzeitig muss man respektieren, dass nicht von Anfang an alles klar sein kann. Auch denen nicht, die im Management sitzen. Auch Ihrem Chef nicht.

Ängste kann es immer wieder geben. Doch steigt damit auch die Zahl der Erfahrungen, worin man sich einer Angst gestellt und sie vielleicht nicht überwunden, ihr aber getrotzt hat: man ist zumindest, wenn auch mit Herzklopfen, am Hund vorbeigekommen. Das stärkt das psychische Immunsystem, es hilft, den eigenen Mut zu kräftigen und gibt eine gelassenere Gewissheit, dass es «schon schiefgehen wird».