Karriere

Die Mails in der Inbox türmen sich – dann ist das Ihre Verantwortung. Bild: rawpixel

Ihre Inbox spiegelt Ihre Persönlichkeit

Felix Frei

Sie beklagen sich über eine überquellende Inbox? Dann sollten Sie sich einmal ein paar Gedanken machen, schreibt Psychologe Felix Frei.

Eine überquellende Mail-Inbox gehört zu den Dingen, die heutzutage am häufigsten beklagt werden. Dreissig Mails pro Tag fallen da kaum darunter, dreihundert schon. Machen wir ein kleines Gedankenexperiment: Gäbe es kein E-Mail und wären alle dreihundert Inhalte notwendiger Teil Ihrer Arbeit, würden Sie also dreihundert Mal am Tag angerufen oder mit Dokumenten versorgt.

Schwer vorstellbar, dass Ihre Arbeit vernünftig gestaltet wäre, wenn dreihundert Menschen (oder weniger, dafür mehrmals) täglich auf persönlichen Austausch mit Ihnen angewiesen wären. Kurzum: Ein respektabler Teil in Ihrer Inbox ist für Ihre Arbeit nicht nötig. Meine Rede!, sagen Sie da, aber was kann ich denn dafür? Jede Menge!

Wenn Sie die Lösch-Taste scheuen...

Wenn Sie alle Mails, die aus Ihren privaten Social-Media-Kontakten herrühren, in Ihrer Arbeitszeit anschauen, statt Sie nur über Ihren privaten Account erst auf dem Heimweg oder zuhause abzufragen und zu bearbeiten – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie noch nicht herausgefunden haben, wie man unerbetene Newsletter abbestellt oder wie die Spam-Markierung funktioniert – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie jedes an Sie direkt adressierte Mail als Beweis Ihrer Wichtigkeit nehmen und daher nie jemandem sagen, er soll sie mit dem oder jenem verschonen – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie froh darüber sind, ständig von allen möglichen Absendern in die cc-Liste aufgenommen zu werden, um keinesfalls irgendetwas zu verpassen, das Sie betreffen könnte – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie lieber irgendwelche Mails lesen und beantworten, als das zu tun, wofür Sie bezahlt sind – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie die Lösch-Taste scheuen oder ewig nicht drücken – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie dem Kollegen am Tisch vis-à-vis eine Mail schreiben, statt mit ihm zu reden, und wenn Sie Ihrer Chefin alles schriftlich mitteilen, um es später belegen zu können – dann ist das Ihre Verantwortung.

Wenn Sie nicht stolz genug sind, Ihre Mail-Inbox aktiv, gezielt und kompromisslos reduziert zu haben und daher beim Klagen über zu viele Mails halt leider nicht mitmachen zu können – dann ist das Ihre Verantwortung.

Zeigen Sie mir Ihre Inbox – und ich sage Ihnen, wie Sie sich und Ihre Rolle in der Firma verstehen. Dies sagt mehr über Ihre Persönlichkeit aus, als Sie sich vermutlich bewusst sind. Schauen Sie also rein und fragen Sie sich, ob das Bild, das Sie da sehen, dem entspricht, der/die Sie tatsächlich sein wollen.