Karriere

Nur das Wichtigste planen, Raum für Improvisation lassen, klare Ziele haben, lautet eine Projektmethode. Bild: Adobe Stock

Nicht immer hilft ein Plan

Felix Frei

«Ich reite in die Stadt, und alles andere ergibt sich»: Was das Erfolgsrezept von Clint Eastwood mit dem Büroalltag gemeinsam hat, erklärt Psychologe Felix Frei.

Nur zur Sicherheit: Dieser Freibrief gibt Ihnen nicht den Freibrief, planlos zu arbeiten. Fast immer ist es gut, vorauszudenken und einen Plan zu haben, womöglich gar noch einen Plan B. Aber halt eben nicht immer. Pläne können auch zum Zwang werden. Sie können unser Denken einengen, so dass wir vielleicht übersehen, dass sich Annahmen, die unserem Plan zugrunde gelegen haben, geändert haben. Oder sie lassen uns übersehen, wenn plötzlich eine neue, nicht erwartete Option aufgegangen ist.

Es passt zum Machbarkeitswahn unserer Zeit, dass wir meinen, alles müsse geplant werden und planbar sein (oder eben planbar gemacht werden). Clint Eastwood, der filmische lonely rider, antwortete auf die Frage nach dem Erfolgsrezept seiner Western-Filme: «Ich reite in die Stadt, und alles andere ergibt sich.» Machen Sie es wie Clint Eastwood!

Nur, ganz so einfach ist das eben leider nicht. Sie kennen ja vermutlich die Äusserung von Mark Twain: «Um eine gute, improvisierte Drei-Minuten-Rede zu halten, benötige ich nur drei Tage Vorbereitung.» Und so gibt es auch die Einsicht: Die Kunst der Improvisation liegt in der Vorausplanung!

Die Fähigkeit, Handlungsoptionen zu sehen

Um agil auf geänderte Anforderungen reagieren und professionell improvisieren zu können, um zu wissen, wann man einen Plan über Bord werfen muss (und den Plan B gerade noch hinterher), muss man sein Handwerk beherrschen. Bei Ihnen dürfte das eher selten im Reiten und Schiessen bestehen, und vermutlich müssen Sie auch nicht ununterbrochen Tischreden improvisieren.

Was zum beruflichen Handwerk gehört, ist bei jedem von uns anders. Immer aber gehören auch berufsunspezifische Fähigkeiten dazu: eine Situation beurteilen können, Handlungsoptionen zu sehen vermögen, entscheidungsfähig und -freudig sein, das eigene Tun kritisch reflektieren, seine Stärken und Schwächen kennen und so weiter. Vor allem aber wissen: Worum geht es? Was ist der Sinn der ganzen Sache? Und was ist meine Rolle dabei?

Je besser Sie Ihr berufliches Handwerk beherrschen, desto souveräner stehen Sie über Ihrem Plan. Denn Ihr Plan muss Ihnen dienen, nicht Sie Ihrem Plan. Will sagen: Der Autor des Plans bleiben Sie. Er darf Ihnen nicht plötzlich wie eine Handlungsanweisung gegenüberstehen, die Sie stur abarbeiten. Die Kunst der Improvisation liegt eben genau dann in der Vorausplanung, wenn sie so flexibel genug ist, um Sie vom Plan gegebenenfalls auch abweichen zu lassen: Nicht immer hilft ein Plan – gute Planung aber allemal.

Moderne Projektmethoden – in der Informatik zum Beispiel «Scrum» – führen genau das im Schilde: Nur das Wichtigste planen, Raum für Improvisation lassen, klare Ziele haben, sie aber immer wieder überprüfen und so eine grösstmögliche Agilität erreichen.

Natürlich brauchen Sie für all das kein lonely rider à la Clint Eastwood zu sein – Sie dürfen es nicht mal. Wir sind nicht im Wilden Westen. Beim Planen wie auch beim Improvisieren und Abweichen vom Plan auf alle Mitspieler zu achten, gehört heute deshalb immer auch zum beruflichen Handwerkszeug.