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Menschen lassen sich von Menschen mehr beeinflussen, als ihnen oftmals selbst klar ist. Bild: Adobestock

Manchmal muss man so tun als ob

Felix Frei

Psychologe Felix Frei schreibt in seinem heutigen Beitrag über den «Als-ob»-Trick, der mehr ist als angewandte Selbstüberlistung.

Wenn Sie nur so tun, als ob Sie Schlittschuhlaufen könnten – es aber nicht können –, dann werden Sie alsbald auf Ihrem Allerwertesten landen. Wenn Sie nur so tun, als ob Sie Englisch könnten – es aber nicht können –, dann werden Sie sich rasch blamieren. Trotzdem gibt es jedoch Lebensfelder, in denen man das, was noch gar nicht da ist, erzeugen kann, wenn man so tut, als ob es schon da wäre.

Verantwortung ist so ein Beispiel. Vielen Menschen trauen wir nicht zu, verantwortlich arbeiten zu können. Vielleicht trauen sie es sich selbst auch nicht zu. Wenn wir (oder eben sie) nun so tun, als ob sie zu Verantwortung fähig und bereit wären, und ihnen die entsprechende Autonomie und Verantwortlichkeit geben, dann werden sie in Verantwortung hineinwachsen. Zugegeben: Das klappt nicht in allen Fällen. Aber erstaunlich oft erstaunlich gut.

Wer so tut, als ob sein Vis-à-vis in einem Konflikt in guten Treuen handeln würde und vernünftigen Argumenten jederzeit zugänglich sei – obwohl es vielleicht viele Indizien für das Gegenteil gibt –, wird eher zu einer allseits befriedigenden Lösung kommen als im umgekehrten Fall.

Das liegt nicht nur an der alten Volksweisheit, wonach es so aus dem Wald zurückschallt, wie man hineingerufen hat. Es liegt auch daran, dass man so seine eigenen Wahrnehmungsfilter anders ausrichtet. Wir sehen die Welt nämlich nicht, wie sie ist. Sondern die Welt ist (für uns!) so, wie wir sie sehen.

Den eigenen Wahrnehmungsfilter anders ausrichten

Deshalb ist es auch nicht bloss «angewandte Selbstüberlistung», wenn wir den Trick mit dem Als-ob auf uns selbst anwenden. Wir können tatsächlich unsere Stimmung verbessern, wenn wir so tun, als ob sie gut sei (und fröhlich pfeifen, zum Beispiel). Wir können ebenso das Klima in einem Team verbessern, wenn wir uns so verhalten, als ob es gut wäre (und daher alle freundlichst begrüssen). Und so weiter.

Falls Sie nicht schon den ultimativ besten Chef aller Zeiten haben: Versuchen Sie doch einmal, sich ihm gegenüber genau so zu verhalten, wie Sie es täten, wenn er der ultimativ beste Chef aller Zeiten wäre. Natürlich wird dies keine Wunder bewirken. Es dürfte die Dinge aber – wenn vielleicht auch nur ein klein wenig – in die gute Richtung bewegen. Besser jedenfalls, als wenn Sie Ihr Verhalten von der Überzeugung leiten lassen, Ihr Chef sei unfähig. Denn der Als-ob-Effekt wirkt eben auch negativ. Und auch dort, wo Sie meinen, gar nicht «als ob» zu handeln, sondern feststehenden Tatsachen entsprechend. Sie wissen ja: Bloss weil jemand ein Paranoiker ist, heisst das noch lange nicht, dass er nicht verfolgt wird.

Es geht hier nicht um die Idee des positiven Denkens. Es geht darum, sich bewusst zu sein, wie schnell das eigene Denken – in positiver oder negativer Richtung – zu einer selbsterfüllenden Prophezeiung wird. Insbesondere in allen sozialen Belangen: Menschen lassen sich von Menschen mehr beeinflussen, als ihnen oftmals selbst klar ist.

Es gilt daher der Grundsatz: «Achte auf deine Gedanken, sie sind der Anfang deiner Taten». Und dies ist nicht nur eine Warnung, sondern durchaus auch eine Empfehlung. Wenn man sie zu nutzen weiss!