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Unternehmen funktionieren, weil es da Menschen gibt, die denken und nicht nur gerade das tun, was ihnen vorgeschrieben wird. Bild: rawpixel

«Lieber um Verzeihung bitten als um Erlaubnis»

Felix Frei

Wenn alle in einem Unternehmen Dienst nach Vorschrift leisten, bricht der Laden zusammen, schreibt Psychologe Felix Frei.

Die sicherste Methode, einen Betrieb lahmzulegen, ist Dienst nach Vorschrift. Ist das nicht eigentlich erschreckend: Wenn alle genau das tun, was ihnen vorgeschrieben ist, dann bricht der Laden zusammen.

Unternehmen funktionieren, weil es da Menschen gibt, die denken. Da gibt es wohl unbestritten Ausnahmen, aber die sind jetzt nicht unser Thema. Die meisten Menschen halten sich zwar an die Vorschriften, aber sie tun viel mehr, als darin vorgeschrieben ist. Sie sehen Probleme und versuchen sie zu lösen. Sie erkennen Notwendigkeiten und handeln entsprechend. Sie haben Ideen und ergreifen die Initiative. Sie geben anderen Hilfe, sie kommunizieren und informieren und tun vieles mehr, damit die Dinge laufen. Und zwar möglichst gut laufen.

Nicht immer gelingt aber alles. Und nicht immer, wenn Leute Dinge aus eigener Initiative tun, trägt dies zum Erfolg des Ganzen bei. Das gehört dazu und ist meist halb so schlimm. Schlimm wäre es dagegen, wenn man nichts mehr in rein eigener Verantwortung täte, sondern sich ausschliesslich auf Vorschriften abstützen oder die explizite Erlaubnis des Chefs einholen würde. Denn stellen Sie sich vor, was wäre, wenn dieser Chef gleich gestrickt wäre und dann wiederum seinen Chef erst um Erlaubnis bäte. Und der dann auch wieder... Eine völlig ineffiziente Kultur der Entscheidungsfeigheit wäre das Ergebnis.

Eine gute Fehlerkultur ist die Zwillingsschwester einer erfolgreichen Innovationskultur

Sicherlich muss man in gewissen Dingen um Erlaubnis fragen: Immer dann etwa, wenn entsprechende Befugnisse klar geregelt sind. Aber sehr oft kann man sich selbst überlegen, ob die eigenen Gründe überzeugend genug sind und ob der eigene Chef das wohl auch so sähe. Und dann sollte man handeln. Womöglich muss man ausserdem den Chef oder Dritte nachträglich informieren. Das schon.

Selbstredend kann dies auch mal schiefgehen, und dann muss man dazu stehen, dass man in eigener Verantwortung gehandelt hat. Und man muss seine Gründe dafür nennen können. Gute Gründe natürlich, nicht faule Ausreden. Geschickte Lehrer korrigieren Schülerfehler anders, wenn der Lösungsweg nachvollziehbar und überzeugend erscheint – obwohl das Resultat dann doch falsch war.

Es wäre generell einfach löblich, wenn mehr Menschen den Mut und die Geisteshaltung hätten, lieber um Verzeihung zu bitten als um Erlaubnis zu fragen. Es ist ja nicht so, dass jeder, der selbst denkt, Fehler macht. Und nicht jeder, der einen anderen um Erlaubnis gefragt hat, ist damit vor Fehlern gefeit – er ist höchstens seine Verantwortung losgeworden, was aber der Sache überhaupt nicht dient.

Allerdings muss ein Unternehmen und müssen seine Führungskräfte dann auch in der Lage sein, Fehler auf eine Art zu verzeihen, die dem oder der Verantwortlichen erlauben, daraus auch etwas zu lernen. Das bezeichnet man dann als eine gute Fehlerkultur. Und die ist gewissermassen die Zwillingsschwester jeder erfolgreichen Innovationskultur.

Dieser grossmütige Umgang mit Fehlern anderer gilt aber nicht nur top-down. Er gilt ebenso für Sie, wenn Sie der Meinung sind, Ihre Kollegin oder Ihr Chef hätten einen Fehler gemacht.