Hotellerie

Hotelier Lorenz Diebold wünscht sich auch mal vom Gast etwas mehr Kulanz. Bild: HO

Einwurf Der Ärger mit der Stornogebühr

Lorenz Diebold

Lorenz Diebold, Direktor Limmathof Baden Hotel & Spa, schreibt über Hotelgäste, die keine Stornogebühren zahlen wollen.

Eigentlich ist alles logisch – eigentlich. Stornogebühren gehören in die AGB’s eines Hotels, wie das Amen in der Kirche. Bei der Offerte, bei der Reservation und schlussendlich beim definitiven Buchen einer Übernachtung liest der Gast fast auf der ganzen Welt: «Wenn Sie Ihren Aufenthalt stornieren sollten, gilt: bis x Tage vor Anreise werden xy% der gebuchten Leistung fällig.»

Bis 48 Stunden vor Anreise kann man bei uns Übernachtungen ohne Angabe des Grundes kostenlos annullieren, ab dann fallen 100 Prozent für das Zimmer an – nur für die erste gebuchte Nacht. Behandlungen kann man bis 24 Stunden vor Antritt gratis annullieren, ab dann fallen 80 Prozent des Betrages an.

Aus meiner Sicht ist dies ziemlich kulant. Das ist aber nur die Sicht des Hoteliers und nicht die des Gastes. Dieser ist heutzutage sehr spontan unterwegs und möchte halt dann doch lieber kurzfristig in den Zoo, als ins Wellnesshotel.

Weshalb denn überhaupt Stornogebühren?

Diese Frage stellt sich der verärgerte Gast. Gerne erkläre ich dann jeweils, dass ich eine Leistung bereitgestellt habe, sich Personal zur Verfügung stellt und dass so Kosten entstehen, auch wenn der Gast nicht anreist. Der verständnisvolle Gast fragt gar nicht nach, er hat nämlich eine Reiseversicherung abgeschlossen. Der «Unverständnisvolle» versteht die Welt nicht mehr und verlangt vom leidtragenden Hotel, dass für ihn doch einmal eine Ausnahme gemacht werden muss. Ein Hotel habe den Gast doch als König anzusehen und solle etwas kulant sein.

Wo bleibt aber die Kulanz des Gastes?

Das Risiko, welches auch beim verständnisvollen Gast besteht, ist dass dieser kein zweites Mal bucht, wenn er einmal Stornogebühren zahlen muss. Die Zahnärzte haben es da allenfalls besser, welche die Praxis der versäumten Terminen ebenso vermehrt anwenden.

Zur Klarstellung: Ich kann wirklich nachvollziehen, wenn ein Notfall vorliegt – und wenn Krankheit, ein Unfall oder gar ein Todesfall das Thema ist – springt aus meiner Erfahrung jede Reiseversicherung ein. Für uns als Hotel macht es leider keinen Unterschied, ob ein Gast aus Gründen wie «keine Lust» oder wegen eines Notfalls nicht erscheint. Es entstehen gleich viele Kosten und daher ist der Spielraum der Kulanz auch begrenzt.

Mir persönlich ist es in einem dringenden Fall übrigens ziemlich egal, welche Kosten entstehen und zahle anstandslos. In diesem Moment ist doch der Notfall das, was wirklich zählt.

An der Réception des Limmathof Baden kommt es schon mal zu Diskussion über anfallende Stornogebühren.

Fallbeispiele

1. Der Unzufriedene:

Wir hatten neulich einen Gast, der eine Massage buchte. Beim Reservationsprozess fragten wir ihn, ob er lieber von einem Mann oder einer Frau massiert werde. Und da er schon mal bei uns war und die Therapeuten mehr oder weniger kennt, sagte er: Es ist mir egal.

Vor Ort und schon im Bademantel bereit für die Massage, lautete seine Aussage beim Erblicken der Therapeutin: «Ah nein, von ihr möchte ich nicht massiert werden».

Wir stellten einen Ersatz-Therapeuten zur Verfügung, den wollte er aber nicht und hatte scheinbar plötzlich keine Lust mehr auf eine Massage, verliess den SPA und wollte selbstverständlich nichts zahlen.

Auf seine Drohung, dass er als einflussreicher Mensch seinem ganzen Umfeld erzählen werde, dass wir ganz böse Leute sind, konnten wir nicht eingehen und haben die entstandenen Kosten verrechnet. Schliesslich musste ich die Therapeutin auch für ihr Kommen bezahlen.

2. Der Fürsorgliche:

Gast zwei hat einem Bekannten einen Wert-Gutschein geschenkt. Dieser hat bei uns eine Übernachtung und zwei Massagen für sich und seine Begleitung gebucht.

45 Minuten vorher rief er an und teilte mit, er könne nicht kommen – ein Notfall in der Familie.

Da ihm die Stornofristen bekannt waren, hat er ohne zu zögern gesagt, «buchen Sie es von meinem Gutschein ab». Dies haben wir getan.

Der Schenker (und Fürsorgliche) hat dies offenbar mitbekommen und rief darauf sehr verärgert an und liess verlauten: «Ich bin mir nicht zu schade, den Kassensturz zu informieren, wenn Sie nicht kulant sind. Mein Freund hatte wirklich einen Notfall.»

Auch hier bin ich überzeugt, die Versicherung hilft. Und auch wenn ich nicht viel von Drohungen halte – und grundsätzlich im Recht wäre – der schlechte Ruf wird so oder so über uns verbreitet und des «fürsorglichen» Wutbürger-Freunde werden die Nachricht weiterverbreiten.

Erkenntnis und Wünsche

Es ist und bleibt ein leidiges Thema. Es sind die wenigen, aber doch nennenswerte Fälle, welche einem als Hotelier viel Zeit und Nerven kosten.

Da die (Not-)Fälle aus meiner Sicht immer sehr individuell gewertet und zum Teil emotional belastet sind, sind AGB’s notwendig. Diese gilt es dann einzuführen, dem Gast vorher mitzuteilen und dann auch so anzuwenden. Ich finde es schlecht, wenn Direktoren (oder andere Mitarbeitende) aus irgendwelchen Gründen mal eine Ausnahme machen. Dann kann ich auf Stornogebühren auch gänzlich verzichten. (Mehr dazu weiter unten)

Wenn jemand anruft, bieten wir als Lösung immer an, den Termin zu verschieben oder das Zimmer oder die Behandlung weiterzuverkaufen. Unser Team ist gut, dies gelingt sehr oft. Das ist aber keine Garantie und Selbstverständlichkeit, daher wünsche ich mir vom Gast ab und zu auch mal etwas mehr Kulanz.

Ein neuer Weg

Bei der ganzen Geschichte habe ich mir schon Folgendes überlegt: Wir verzichten komplett auf Stornogebühren und lassen dem Gast die volle Freiheit. Es ist in der heutigen Zeit allenfalls das einzig Richtige, da sich der Mensch und Gast nun einmal auch verändert hat.

In Restaurants ist es bis heute nicht denkbar, etwas zu verrechnen, wenn jemand nicht erscheint.

Das Risiko, ein Erwerbsausfall von ca. 10‘000 Franken im Jahr tragen wir dann selbst. Wenn ich aber nur noch glückliche Gäste habe und unser Ruf sich verbessert, ist mein Ziel erreicht.

Und zudem bin ich überzeugt, dass es immer noch wenige Fälle bleiben, welche sich diese neue Handhabung zu nutzen machen und ständig reservieren und dann doch nicht kommen.

Vorerst ist dies noch eine Überlegung. Zu prüfen gilt dabei etwa auch, ob bei freiem Storno nicht Buchungen getätigt werden, die dann annnulliert werden, um kurzfristig ein günstiger ausgeschriebenes Zimmer zu erlangen. Aber eine Testphase ziehen wir in Betracht.