Hotellerie

Online-Buchungen von Neukunden und Erstbuchern sind für Hotels willkommen, haben aber ihren Preis. Bild: Fotolia

Expert Booking.com & Co.: Fluch oder Segen für Hoteliers?

Michael Lidl

Der Marktpower der Online-Buchungsportale nimmt stetig zu. Hotellerie-Spezialist Michael Lidl sagt, was es braucht, um als Individualhotel die Buchungsportale erfolgreich zu nutzen.

Online Travel Agencies (OTAs) wachsen stetig: Reisende buchen bereits seit Jahren bequem über das Internet. Leicht erreichbare und zentrale Online-Buchungsportale wie Booking.com, HRS und Expedia bieten die volle Bandbreite an Auswahl und einen für den Nutzer standardisierten Buchungsprozess. Dabei nehmen auch die Direktbuchungen bei Hotels langsam ab.

Status quo in der Schweiz: Woher kommen die Buchungen?

Nach Daten vom Institut für Tourismus der HES-SO Wallis und hotelleriesuisse buchten im vergangenen Jahr 58,3 Prozent der Hotelgäste ihre Übernachtung in der Schweiz direkt beim Hotel, etwa über E-Mail, Telefon, Fax oder die hoteleigene Homepage. Ganze 30,1 Prozent buchen über OTAs und etwa 12,1 Prozent buchen über Tourismuspartner, also Reiseveranstalter oder Offline Reisevermittler. Die Marktanteile der OTAs sind jedoch stetig wachsend, im Vergleich von 2015 und 2016 haben die OTAs 30,6 Prozentpunkte gewonnen, während die Direktbuchungen um vier Prozent zurückgegangen sind – eine Tendenz, die sich in den kommenden Jahren noch steigern wird.

In der Schweiz ist die Priceline-Gruppe, Mutter von etwa Booking.com, mit fast 74 Prozent ein unüberwindbarer Marktführer. Andere Buchungsportale erreichen einen Marktanteil zwischen sieben und zwölf Prozent. In Deutschland verzeichnet die Priceline-Gruppe zwar auch die Mehrheit mit 54,7 Prozent, aber HRS folgt mit 30,4 Prozent und Expedia mit 10,8 Prozent.

Die Vor- und Nachteile der OTAs

Durch den Kooperationsvertrag mit OTAs gibt es für die Hoteliers einige Vorteile: Im Internet sind Hotels über die Listung bei OTAs besser auffindbar als etwa nur mit der eigenen Homepage; vor allem ausländische Gäste werden eher erreicht. Für die Neukundengewinn bzw. Erstbucher und somit auch als Umsatztreiber für die Hotels sind die OTAs ein unverzichtbarer Vetriebskanal. Neue Zielgruppen werden erschlossen und die Bekanntheit und Marktstellung kann gefestigt werden.

Neben den zahlreichen Vorteilen haben OTAs ohne Frage auch einige Nachteile. Provisionszahlungen zwischen 15 und 20 Prozent pro Buchung fallen an; die Buchungsportale haben ihre eigenen Buchungs- und Abrechnungsprozesse, die zusätzliche Prozess und Kosten in den Hotels erforderlich machen; sie bieten eine hohe Transparenz und Vergleichbarkeit mit den Mitbewerbern, was gleichzeitig den Wettbewerb intensiviert; letztendlich erzeugen Buchungsportale auch eine Abhängigkeit durch den Distributionsmix, der unverzichtbar für die Hoteliers geworden ist.

Booking.com stellt im durchschnittlichen Schweizer Hotel ca. 20 Prozent aller Hotelbuchungen und ist mittlerweile der wichtigste Vertriebspartner im Land geworden. Diese Abhängigkeit birgt hohe Gefahren für die Hotels und zwingt die Hotels förmlich die Regeln und Wünsche von Booking.com im Sinne von Kontingenten, Preisvorteilen oder «freiwillig» höheren Provisionen zu akzeptieren.

Empfehlungen für Hoteliers

OTAs sind im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung nicht mehr vom Markt wegzudenken und haben durch ihren hohen Mehrwert für Hotels ihre absolute Berechtigung am Markt. Hoteliers sollten diese Distributionswege gezielt nutzen. Trotzdem sollte eine professionelle Homepage mit einer optimierten eigenen Buchungsmaschine (IBE) ein Standard für jedes Hotel sein.

Weiteres Budget für das Onlinemarketing sollte darüber hinaus gut geplant sein, denn eigene Vertriebsmassnahmen sind selten günstiger als die Listung bei OTAs. Eigene SEA-, SEO- oder Social-Media-Kampagnen sollten entsprechend einen sehr exakten Zielgruppen-Fokus haben, damit die Kosten unterhalb der 15 bis 20 Prozent Provisionszahlung pro Buchung der OTAs liegen. Das dafür benötigte Online-Marketing-Know-How treibt im Zweifel die Kosten für eigene Massnahmen weiter nach oben.

Fazit für Individualhotels

Für Individualhotels kann es ein probates Mittel sein, eigene Online-Marketing-Budgets zu minimieren und stattdessen auf OTAs zu setzen. Ebenso ist der Aufbau von Anreizsystemen empfehlenswert – mit Vorteilen und Annehmlichkeiten für den bestehenden Gästekreis, um aus ihnen im Idealfall Direktbucher zu machen. Ein Grundsatz für die Zusammenarbeit ist, dass für die Listung bei OTAs das Hotelprodukt konkurrenzfähig sein sollte und im Vergleich zu Wettbewerbern mit hervorragenden Gästebewertungen und Preis-Leistungsverhältnis punkten kann. Wenn diese Voraussetzungen zutreffen, lassen sich mit OTAs eine enorm hohe Präsenz und Aufmerksamkeit im Internet erzielen.

Beispielrechnung – Kostenbewertung für OTAs

Fallbeispiel: Drei-Sterne Hotel mit 60 Zimmern, Durchschnittsrate von 180 Franken, Zimmerauslastung von 65 Prozent, Umsatzanteil Logis von 80 Prozent, Anteil OTA 30 Prozent, durchschnittliche OTA-Provision 17 Prozent, Anteil Offline Reisevermittler sieben Prozent, durchschnittliche Provision der Offline Reisevermittler 22,5 Prozent.

  • Logisumsatz:  2'562'300 Franken
  • Gesamtumsatz: 3'202'875 Franken
  • Kosten OTAs: 130'677 Franken
  • Kosten Offline Reisevermittlung: 40'356 Franken

Anteile der OTA-Kosten am Gesamtumsatz sind bei 4,1 Prozent, die Anteile der Offline-RV-Kosten liegen bei 1,3 Prozent vom Gesamtumsatz und der Anteil der Provisionen am Gesamtumsatz ist 5,4 Prozent.

Aus der Beispielrechnung wird deutlich, dass weniger die Höhe der Provisionen als der hohe Anteil der OTAs am Vertriebsmix zu dem Kostendruck führen. Andererseits wird auch deutlich, dass das Beispielhotel mit einem Jahresbudget von 130'000 Franken für Online-Marketing niemals die Reichweite und Auffindbarkeit selbst darstellen könnte, die sie durch die Listung auf OTAs somit verhältnismässig günstig erreichen kann.