Hotellerie

Henri Giscard d’Estaing über die künftige Richtung, die der Cub Med einschlägt. Bilder: AKV

«Familien machen fast zwei Drittel der Club-Med-Gäste aus»

Artur K. Vogel

Die Strategie des Club Med sei klar, sagt dessen Präsident Henri Giscard d’Estaing: Der Club soll führender Anbieter von gehobenen All-inclusive-Ferien für Familien sein. Wachstum sucht man vor allem in Asien. 

Henri Giscard d’Estaing, Sie haben drei Kinder. Machen Sie mit Ihrer Familie Ferien im Club Med?

Henri Giscard d’Estaing: Wir haben ein Wochenendhaus am Ufer der Loire. Aber wenn wir Ferien am Meer machen wollen, gehen wir selbstverständlich in den Club Med. Im vergangenen Sommer waren wir in jenem von Punta Cana in der Dominikanischen Republik.

Aber sind solche All-inclusive-Ferien nicht vorbei? Suchen Leute heutzutage nicht eher das individuelle Abenteuer?

Ganz im Gegenteil: Solche Ferien sind wieder total en vogue. Es gibt zwei Tendenzen: eine hin zu Kurzaufenthalten; ein langes Wochenende hier, eines dort. Und dann die zweite: lange Ferien mit der Familie, oft mit drei Generationen oder in Patchwork-Familien: Skifahren in den Alpen oder Reisen in weit entfernte Gegenden. Langstreckenflüge sind heute so einfach wie noch nie, auch die Flugpreise sind viel günstiger geworden.

Das heisst der Club Med, ursprünglich für junge Feriengäste mit kleinem Budget gedacht, ist heute zu einem Anbieter von Familienferien geworden. Drückt sich das auch in den Gästezahlen aus?

Ja, wir sprechen Familien und aktive Reisende an. Familien machen inzwischen fast zwei Drittel unserer Gäste aus, und dank ihnen hat sich auch das Durchschnittsalter wieder gesenkt.

Was finden denn Familien im Club Med, was sie anderswo nicht finden?

Bei uns können sich alle Familienmitglieder amüsieren, was immer ihr Alter und ihre Interessen sind. Es gibt Aktivitäten für Kinder, für Heranwachsende, für Sportler, und das alles auf hohem Niveau. So definieren wir uns auch: Der Club Med soll der weltweit führende Anbieter von Familienferien im gehobenen Segment sein. Deshalb haben wir uns in den letzten Jahren weiter in Richtung Premium-Segment entwickelt. Wir haben viele Clubs geschlossen, die nicht mehr unseren Ansprüchen genügten. Heute sind vier von fünf Clubs im Bereich von vier oder fünf Dreizacken positioniert (das Club-interne Qualifikationssystem; d.Red.)

Das heisst: Leute mit moderatem Einkommen können sich Ferien im Club Med gar nicht mehr leisten?

Ja, ausser vielleicht für ganz spezielle Gelegenheiten: ein runder Geburtstag zum Beispiel.

Wie erklären Sie die Tendenzen zurück ins Resort?

Touristen reagieren sensibel auf die ökonomischen und politischen Unsicherheiten in der Welt, welche in letzter Zeit zugenommen haben. Sie wollen ungetrübte Ferien machen können. Das heisst für uns, dass wir so weit wie möglich diversifizieren müssen, und zwar bei den Kunden ebenso wie bei den Destinationen.

Wegen diesen Unsicherheiten mussten Sie zum Beispiel die Clubs in Ägypten schliessen?

Ja, leider mussten wir diese schliessen, den Club in Luxor ebenso wie einen Club an einer der schönsten Stellen am Roten Meer, obwohl es dort noch nie grössere Zwischenfälle gegeben hat.

Auch Kreuzfahrten boomen. Hat der Club Med irgendwelche Pläne, in dieses Geschäftsfeld vorzustossen?

Nein, absolut nicht. Wir besitzen zwar den „Club Med 2“, das grösste und schönste Segelschiff der Welt, das einst, als man noch nicht auf Kosten achtete, nach den höchsten Qualitätsstandards gebaut wurde. Aber dabei wird es bleiben; Kreuzfahrten passen nicht zu unserer Philosophie.

Die Diversifikation, von der Sie gesprochen haben, ist gut sichtbar. Ist unser Eindruck richtig, dass vor allem die asiatische Kundschaft stark zugenommen hat?

Nach den Franzosen sind die Chinesen inzwischen unser zweitwichtigstes Kundensegment. Aber auch andere Herkunftsländer sind zunehmend vertreten: Im Winter haben wir zum Beispiel eine Zunahme von 40 Prozent der Gäste aus Brasilien in unseren Alpen-Resorts registriert.

Hat die Zunahme der asiatischen Gäste damit zu tun, dass sich der Club Med seit 2015 in chinesischem Besitz befindet?

Nein, überhaupt nicht. Wie gesagt, muss man in unseren unsicheren Zeiten global agieren. Wir haben uns schon lange gesagt: Suchen wir den Markt dort, wo er ist. Wir betreuen seit 30 Jahren chinesische Gäste. Und wir sind schon 2003 in China aktiv geworden. Seither registrieren wir eine unglaubliche Zunahme der chinesischen Gäste: jedes Jahr um 20 Prozent, und das seit 13 Jahren. Stellen Sie sich das vor! Wir haben davon profitiert, dass sich die grossen internationalen Hotelketten in China nicht für den Tourismus interessierten, sondern nur für Business-Gäste. Ihre Idee war, dass Chinesen nur arbeiten und keine Ferien machen. Das ist total falsch. Es gibt in China eine rasch wachsende, gut situierte und gebildete Mittelklasse, und die ist genauso am Reisen und an Ferien interessiert wie anderswo.

Von europäischen Hoteliers hört man gelegentlich, es sei schwierig, chinesische und europäische Gäste unter einem Dach zu beherbergen, weil die Bedürfnisse so unterschiedlich seien. Aber hier im Club  – wir befinden uns in Kani auf den Malediven – scheint diese Cohabitation bestens zu funktionieren.

Ja, wie Sie sehen können, geht das sehr gut. Aber es braucht eine starke Organisation: Wir stellen chinesisch sprechende G.O. an (Abkürzung für „Gentil Organisateur“; so werden die Club-Angestellten genannt; d.Red.). Es gibt in den Restaurants neben europäischen und lokalen Angeboten immer auch chinesische. Dabei machen wir die interessante Feststellung, dass sich Franzosen gern am chinesischen Büfett bedienen und Chinesen am französischen. So findet hier ein Austausch der Kulturen statt. Es wäre übrigens völlig falsch, sich über chinesische Touristen lustig zu machen. Sie geben mehr aus für ihre Ferien als Schweizer oder Franzosen. Dafür erwarten sie aber auch höchste Qualität.

«Es gibt in der Schweiz ein grosses Problem: Die Betriebskosten sind extrem hoch»

Chinesen kommen in immer grösserer Zahl nach Europa. Machen Europäer Ferien in China oder gehen Skifahren im japanischen Hokkaido?

Ferien in China machen Europäer am ehesten als Rundreise…

…das heisst, man kann bei Ihnen auch individuell zusammengesetzte Reisen buchen?

Ja, das ist sogar unsere Stärke. Heute leben Familien oft sehr international, einer in den USA, einer in Europa, einer in China. Wir organisieren eigentliche Familienzusammenkünfte. Zum Skifahren nach Hokkaido hingegen kommen vor allem Asiaten und Expats. Die Alpen sind noch immer das beste Skigebiet der Welt.

Und deshalb investieren Sie ja auch in alpine Resorts. Was ist hier geplant?

Wir wollen jedes Jahr einen neuen Club in den Alpen eröffnen. Das ist mit sehr grossen Investitionen verbunden, und es braucht auch sehr viele Angestellte, um unsere Qualitätsmassstäbe zu erfüllen. So beschäftigen wir in jedem Club Med in den Alpen rund 60 Skilehrerinnen und Skilehrer.

Uns fällt auf, dass bei ihren Perspektiven die Schweiz fehlt. Gibt es irgendwelche konkreten Pläne in unserem Land?

Es ist angedacht, eventuell unseren Club in Sankt Moritz zu erneuern. Aber es gibt in der Schweiz ein grosses Problem: Die Betriebskosten sind extrem hoch, nicht nur wegen dem Lohnniveau, sondern auch wegen den gesetzlichen Vorgaben.

Reden wir noch kurz über die Malediven, wo dieses Interview stattfindet. Hier herrscht ein strenges islamistisches Regime. Gibt das keine Probleme für den Betrieb eines Ferienclubs?

Das Regime ist nicht islamistisch. Und es wurde bei demokratischen, wenn auch etwas chaotischen Wahlen gewählt. Der Islam hier ist sehr alt; er wurde von arabischen Handelsreisenden eingeführt. Aber er ist nicht extrem.

Es gibt noch ein anderes Problem: Wegen der Erderwärmung könnten die Malediven eines Tages im Meer versinken.

Das macht uns grosse Sorgen. Wir haben im Club Med eine stringente Politik der Nachhaltigkeit eingeführt. Unser Villendorf Finolhu zum Beispiel besitzt die grösste Solar-Anlage im ganzen Indischen Ozean und ist praktisch energieautark. Auch für die Regierung der Malediven hat der Schutz der Umwelt grosse Bedeutung. Der Minister für Umwelt und Energie, Toriq Ibrahim, der heute Abend hier zu Besuch sein wird, hat übrigens seine Laufbahn als Angestellter im Club Med begonnen.