Hotellerie

TCS-Camping in Gwatt am Thunersee – ein durchzogener Sommer für die Camping-Branche. Bilder: TCS

Campingplätze dümpeln weiter dahin

Die langersehnte deutliche Trendwende bleibt aus. Die Camping-Branche bleibt unter Druck und muss Neues bieten.

Die Schweizer Campingplätze schwanken in dieser Saison zwischen Hoffen und Bangen. Der seit fünf Jahren anhaltende Gästerückgang könnte gemäss ersten Tendenzen zwar ein Ende finden. Doch die Branche bleibt unter Druck und sollte sich Innovationen einfallen lassen.

Seit 2008 schon höre er, die Trendwende sei nah. Die Krise setze sich aber fort, klagt Jean-Nicolas Revaz, Präsident der Campingplatz-Vereinigung im Wallis. Er stelle sich grosse Fragen. Ende Juni habe er sogar den Bettel hinwerfen und verkaufen wollen. Revaz' Familie besitzt seit vierzig Jahren den Campingplatz Botza in Vétroz VS. Und nun rackert Revaz sich seit einigen Jahren praktisch gratis ab.

Die Zahlen für 2016 kennt er noch nicht. Er sagt, er müsse den September abwarten. Erste Tendenzen sehe er aber. Im Mai und Juni sei es eine Katastrophe gewesen. Grund seien die Fussball-Europameisterschaft und das Wetter gewesen. Seine Stimmung sei in den Keller gesunken.

Seit fünf Jahren im freien Fall

Die Zahlen des Bundesamts für Statistik weisen seit fünf Jahren einen stetigen Rückgang der Übernachtungen auf den Campingplätzen aus. Dieser kumuliert sich mittlerweile auf 19 Prozent. Hauptsächlich bleiben Ausländerinnen und Ausländer aus, ihre Zahlen weisen einen Rückgang um 43 Prozent auf. Am drastischsten ist der Rückgang bei den Gästen aus den Niederlanden: 65 Prozent.

"Die Camper aus den Niederlanden sind vielfach Familien mit kleinen Kindern", erklärt Maarten Visser, Vertreter von Schweiz Tourismus in dem Land. Angesichts der hohen Kosten in der Schweiz und des geringen Familieneinkommens sei diese Gästeschicht besonders preissensibel.

Generell attestiert der Touristiker aus den Niederlanden den Schweizer Campingplätzen eine Spitzenposition in Europa. Der Effekt der Euro 2008 mit den orangefarbenen Fanströmen sei aber abgeflaut. Während der damaligen Fussball-Europameisterschaften habe die Schweiz bei den niederländischen Campern eine hohe Popularität erreicht.

Neue Formen gesucht

Es sei klar, dass es vor fünf Jahren viel mehr Gäste hatte, erklärt Wolfgang Bosshardt, dessen Firma sich um die Vermarktung von knapp 185 angeschlossenen Campingplätzen kümmert. Eine Tragödie sieht er gegenwärtig aber nicht. Immer nur zulegen könne niemand.

Der Mann, der selber einen Campingplatz im Engadin führt, will mehr die Lösungen als die Probleme sehen. Es gehe darum, die Infrastrukturen zu erneuern und spezielle Angebote zu machen. Die Campingbetreiber, die nicht nur im Büro sitzen, können gemäss Bosshardt in dieser Saison mit Resultaten wie 2015 rechnen.

Für Campingbetreiber, die auch etwas investieren können, gibt es durchaus Lösungen. Das Campingwesen erfinde sich derzeit neu und erweitere sein Angebot über Zelt, Wohnwagen und Caravan hinaus, konstatiert Véronique Kanel, Sprecherin bei Schweiz Tourismus. Andere Übernachtungsmöglichkeiten wie Hütten, Bungalows und vermietete Wohnwagen kämen vermehrt auf.

Auf seinem Campingplatz in Tenero TI hat Simone Patelli rund 50 Bungalows errichtet und zwei Sanitäranlagen renoviert. In Forel VD steckt die Betreiberfamilie Lienert-Gianella 90'000 Franken in eine Solarheizung für das Schwimmbad.

Aufheiterung oder Illusion?

Vor einem Jahr sei er am Boden gewesen, sagt Campingbetreiber Patelli, seines Zeichens Präsident der Tessiner Campingplatzbetreiber. Dieses Jahr hingegen sei er zufrieden. Dank des schönen Wetters seien bisher beinahe ebenso viele Gäste bei ihm gewesen, wie letztes Jahr. Im August gebe es sogar eine Zunahme um 15 Prozent.

Die lang ersehnten Touristen tauchen also wieder auf. Die Deutschen und die Niederländer seien zurück, bestätigt Patelli. Sie hätten die Frankenstärke verdaut. Und angesichts von Anschlägen in Touristenorten zähle die Sicherheit der Schweiz.

Auch im Wallis stellt Betreiber Jean-Nicolas Revaz eine Zunahme der Logiernächte im Juli und August fest. Nach seinen Schätzungen dürften es wieder etwa gleich viele wie 2010 sein. Gründe sieht er in vielen wegen des Terrors Zuhausegebliebenen und im schönen Wetter.

Platzhirsch mit 0,2 Prozent Wachstum

Beim Platzhirsch TCS sieht man ähnliche Tendenzen. Der Touring Club beherrscht 15 Prozent des Campingplatzmarktes der Schweiz und zählt dabei eine halbe Million Übernachtungen jährlich. Ende Juli stellten die 27 TCS-Campingplätze eine Zunahme der Übernachtungen um 0,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr fest.

Die Augustzahlen sind noch nicht definitiv, sollten aber auch über Vorjahresstand liegen. Oliver Grützner, der Tourismus- und Freizeitverantwortliche beim TCS, nimmt an, dass nach 2009 und dem seither anhaltenden Aderlass 2016 das erste positive Jahr wird.

(AWP)