Hotellerie

Einwurf Der Hotelier sollte einmal selber im Zimmer schlafen

Tom Brühwiler

Unser Autor Tom Brühwiler sucht kniend hinter dem Nachttisch eine Steckdose und wundert sich über weitere Tücken in Hotelzimmern.

Haben Sie im Hotel schon einmal ihre Zimmer-Keycard studiert? Die eigentlich wichtige Karte – schliesslich öffnet sie uns Tür und Tor im Haus – ist äusserlich ja nur ein Werbeträger. Dabei, so musste ich kürzlich im Scandic-Hotel im norwegischen Molde erschreckt feststellen, könnten darauf auch wichtige Informationen stehen. Zum Beispiel, dass ihr Zimmer gerade für Jedermann weit offen steht.

Wie das kommt? Nun, es gibt ganz offensichtlich Hotels, bei denen es mit dem Zuziehen der Zimmertür nicht getan ist. Erst wenn die Tür zusätzlich mit der Keycard geschlossen wird, lässt sie sich von Aussen nicht mehr öffnen. Da kann ich wohl von Glück reden, dass mir die rote und grüne Markierung auf der Keycard des Scandic-Hotels bereits am ersten Abend aufgefallen ist, auch wenn ich das Zimmer zu diesem Zeitpunkt bereits zwei Mal verlassen hatte.

Praktisch und funktional ist Nebensache

Überhaupt: «Fühlen Sie sich wie zu Hause» möchten uns Hoteliers immer wieder Glauben machen. Was nicht selten die Frage aufwirft, ob der Hotelier schon selber mal ein paar Nächte im eigenen Hotelzimmer verbracht hat.

Zum Beispiel die Suche nach einer freien Steckdose am Bett. Ja, ich lade (neben Fotokamera, Powerbank und all meinem anderen elektronischen Reisegadgets) auch das Handy über Nacht – und es dient gleichzeitig als Wecker für den hoffentlich perfekten Start in den nächsten Tag. Nur: Steckdosen in der Nähe des Betts scheinen ein rares Gut zu sein. Nicht selten finde ich mich auf der Suche nach einer der begehrten Dosen kniend auf dem Boden hinter dem Nachttisch wieder, nur um an den begehrten Ladestrom zu kommen. Immerhin: Damit lässt sich meist auch die Sauberkeit im Zimmer bestens kontrollieren.

Oder wer kommt schon auf die Idee, den Lichtschalter fünfzehn Zentimeter über dem Kopfteil des Betts zu montieren? Sie glauben nicht, wie viele Male ich das Licht mit dem Kopfkissen aus- oder eben mitten in der Nacht wieder eingeschaltet habe...

Was aber am meisten nervt sind Badezimmer. Irgendwo in einem Leitfaden scheint zu stehen, dass Hotel-Badezimmer heute hipp und durchdesignt sein müssen – praktisch und funktional ist Nebensache. Dabei freue ich mich ja über fancy, moderne Bäder. Ehrlich. Aber rasiert hat sich dort drin wohl noch keiner der Entscheidungsträger. Entweder ist der Spiegel viel zu dunkel (toll, diese indirekte Beleuchtung) oder er ist schlicht zu weit weg (dafür steht ein riesiges Designerlavabo im Weg).

Deshalb, liebe Hoteliers: Schlafen Sie doch mal mindestens zwei Nächte im eigenen Hotelzimmer auf Probe. Und achten Sie darauf, ob die Gäste Ihres Hauses schlecht rasiert sind. Oder einseitig. Oder ganze Gesichtsteile unrasiert sind.