Hotellerie

Eines von 500 Relais & Châteaux Mitgliedern: La Domaine Les Crayères ist ein mythisches Haus im Herzen von Reims, diskret in einem sieben Hektar grossen, grünen Park gelegen. Bild: Jean-Baptiste Delerue

«Von 500 Hotels, die anfragen, nehmen wir vielleicht 20 auf»

Artur K. Vogel

Der Franzose Laurent Gardinier, Hotelier aus der Champagne, ist seit Anfang des Jahres internationaler Präsident der Vereinigung Relais & Châteaux. Diese habe die richtige Grösse, findet er; Expansionspläne gibt es keine.

Monsieur Gardinier: Falls irgendjemand Relais & Châteaux (R & C) noch nicht kennen sollte: Wie würden Sie diese Vereinigung in wenigen Worten beschreiben?

Laurent Gardinier: Relais & Châteaux gehören momentan 580 Betriebe mit 42'000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 65 Ländern an. Es sind individuelle Hotels und Restaurant, die von Familien betrieben werden. Jeder Betrieb hat seinen eigenen, unverwechselbaren Charakter. Aber alle bekennen sich zu denselben gemeinsamen, zeitlosen Werten.

Es handelt sich also um einen Verband von privaten, unabhängigen Hotels und Restaurants mit hohen Qualitätsansprüchen. Wie definieren Sie Ihre Rolle als internationaler Präsident?

Ich bin von den Mitgliedern gewählt worden, nicht ernannt, das ist mir sehr wichtig. Ich repräsentiere die Mitglieder nach aussen, vertrete und interpretiere unsere Werte und sorge für den Fortbestand unserer Vereinigung, die nächstes Jahr ihr siebzigjähriges Bestehen feiern wird.

Wie viele der 580 Mitglieder kennen Sie persönlich?

Ich war 17 Jahre lang im Präsidium der Delegation Frankeich (so werden die einzelnen Länderorganisationen genannt, Anm. d. Red.) und kenne von den rund 150 französischen Mitgliedern mindestens 130, wenn nicht alle. International dürfte es etwa die Hälfte sein.

Warum sollte ich als Gast Zimmer auf der Webseite von R & C buchen und nicht z. B. auf einer Buchungsplattform? Welche Zusatznutzen verschaffe ich mir damit?

Unsere Webseite ist jetzt schon sehr leistungsstark und wird momentan nochmals umfassend verbessert. Natürlich können Sie auf einer Buchungsplattform buchen; viele unserer Mitglieder machen dort mit. Aber wenn Sie auf unsere Webseite kommen, profitieren Sie vom gesamten Universum von Relais & Châteaux. Wenn Sie in der Toskana von Weingut zu Weingut reisen wollen, wenn Sie die besten Adressen in Japan besuchen wollen: Das alles und zahllose weitere Anregungen finden Sie auf unserer Webseite. Zudem geben wir neu jährlich ein «Travel Book» mit einer Auflage von 300'000 Exemplaren heraus, das voller spannender Beiträge ist.

Seit dem 1. Januar 2023 präsidiert Laurent Gardinier die internationale Hotel- und Restaurantvereinigung Relais & Châteaux.Bild: R&C

Wir wird potenziellen Gästen garantiert, dass die hohen Standards, wie sie z. B. im Manifest von 2014 formuliert sind, in jedem Etablissement eingehalten werden?

Wir versichern uns sehr sorgfältig, dass ein potenzielles neues Mitglied unseren Anforderungen entspricht und unsere Philosophie teilt. Zudem haben wir Inspektoren, die in allen Häusern anonym auftreten und diese nach 500 Kriterien analysieren. Ich kann Ihnen garantieren, dass jemand, der unseren Kriterien nicht mehr entspricht, einem klar definierten Verfahren unterzogen wird. Dieses soll es ihm ermöglichen, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen. Wenn er das unterlässt, steht am Ende der Ausschluss.

Die Vereinigung hält seit langem Prinzipien der Nachhaltigkeit und Regionalität hoch und hat in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet. Glauben Sie, dass dies nicht nur ein ideeller, sondern auch ein geschäftlicher Erfolgsfaktor sein kann?

Ja, davon bin ich überzeugt. Aber der geschäftliche Erfolg muss das Resultat, nicht der Beweggrund für nachhaltiges Handeln sein. Wir wollen Gastgeber und Küchenchefs dazu bewegen, im Interesse der Umwelt und um regionale Traditionen zu bewahren unseren Prinzipien der Nachhaltigkeit und der Regionalität zu folgen. Allerdings stellen wir fest, dass das Interesse an nachhaltigen Angeboten stark ansteigt, und unsere konsequente Politik kommt dieser Nachfrage entgegen. Nach dem Manifest von 2014 werden wir 2024 zu unserem 70. Geburtstag ein weiteres veröffentlichen, das sich noch stärker mit dem ganzen gesellschaftlichen Umfeld befasst. Wir suchen keineswegs eine Uniformität. Unsere Häuser und unsere Küchenchefs sind in eine bestimmte kulturelle Umgebung eingebettet, und wir respektieren alle Kulturen, in denen sich Nachhaltigkeit in der einen oder anderen Form entwickelt.

«Jemand, der schon in einem Relais & Châteaux gearbeitet hat, kennt bereits unsere Philosophie und unser Arbeitsethos. »

Die letzten Jahre waren aufgrund der Covid-Pandemie, des Krieges in Europa, der Energiekrise, der Inflation usw. sehr schwierig. Gab es Mitglieder, die mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten oder sogar aufgeben mussten?

Ja, aber sehr wenige. Einige hatten vorher schon Probleme. Alle Betriebe haben Hilfe bekommen, wenn auch je nach Land in sehr unterschiedlichem Ausmass. Die, die im Sommer 2021 öffnen durften, bei geschlossenen Landesgrenzen, haben zum Teil sogar einen ausserordentlichen Umsatz erwirtschaftet, da die Menschen im eigenen Land Ferien machten, statt ins Ausland zu reisen. Und dann haben Entschädigungen für Kurzarbeit dazu beigetragen, dass man Leute weiterbeschäftigen konnte, um mit ihnen nach Ende der Krise durchzustarten.

Ein grosses Thema ist der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. R & C versucht, dem unter anderem mit einer Rekrutierungs- und Mitarbeiterplattform zu begegnen. Wird diese genutzt?

Die Plattform ist neu. Technisch funktioniert sie einwandfrei. Jetzt müssen wir die Mitarbeiter sensibilisieren, damit sie reflexartig die Plattform nutzen, wenn sie eine berufliche Veränderung suchen. Das kommt auch den Arbeitgebern entgegen: Jemand, der schon in einem Relais & Châteaux gearbeitet hat, kennt bereits unsere Philosophie und unser Arbeitsethos. Aber selbstverständlich bleibt die Nutzung der Plattform freiwillig.

Neben dem Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist die Digitalisierung ein grosses Thema. Würden Sie sagen, dass R & C in diesem Bereich Pionierarbeit geleistet hat?

Man kann sich immer noch verbessern. Aber ehrlich: Wenn man unsere Grösse bedenkt, haben wir eine leistungsstarke Equipe und eine erstklassige Webseite. Zudem haben wir eine Millionen Follower in den Sozialen Medien, davon 500'000 auf Instagram.

Die Digitalisierung dürfte jedoch in der gehobenen Privathotellerie ihre Grenzen haben. Der Gast wird weiterhin persönlichen Service und individuelle Betreuung verlangen?

Ein durch und durch digitalisierter Betrieb wäre das Gegenteil von Relais & Châteaux. Natürlich zieht auch bei uns die Digitalisierung ein, aber nicht zum Preis der Entmenschlichung.

«Relais & Châteaux ist in Asien weniger präsent als in anderen Teilen der Welt.»

In den fast 70 Jahren des Bestehens ist R & C von acht auf 580 Mitglieder gewachsen. Gibt es weitere Expansionspläne?

Wir wollen nicht mehr wachsen. Hätten wir das Ziel von sagen wir eintausend Mitgliedern, müssten wir uns täglich um deren Rekrutierung kümmern. Und ich bin mir nicht sicher, ob es noch Hunderte von Betrieben gibt, die unseren Kriterien entsprechen. Wir haben rund 500 Anfragen pro Jahr, nehmen aber nur etwa 20 neue Mitglieder auf, während rund 20 die Vereinigungen verlassen.

Gehen diese freiwillig, oder werden sie zum Austritt veranlasst, weil sie die Standards nicht mehr erfüllen?

Etwa halb-halb. Wobei der Prozess zum Ausschluss eines Mitglieds sehr lange dauern kann, vielleicht zwei, drei Jahre, und natürlich sehr schwierig ist.

Aber es gibt noch weisse Flecken im Universum von R & C. Wolle sie diese füllen?

Es stimmt, das Relais & Châteaux in Asien weniger präsent ist als in anderen Teilen der Welt. Das heisst aber nicht automatisch, dass wir grosse Expansionspläne haben.

Aber auch in der Schweiz, wo R & C momentan 24 Mitglieder hat. So gibt es z.B. in der touristischen Hochburg Luzern kein Relais & Châteaux.

Luzern ist ein fantastischer Ort, und ich würde sofort einen Betrieb aufnehmen, der unseren Kriterien entspricht, wenn ich einen fände.