Hotellerie
«Periphere Lagen sind in der Coronakrise ein Vorteil»
Michael BaumannHerr Stiller, wie bewältigen die Relais & Châteaux-Betriebe in der Schweiz bis jetzt die Corona-Pandemie?
Jan Stiller: Wir können uns insgesamt nicht beklagen. Ausser in den fünf Stadthotels sind wir bis jetzt recht gut durch die Krise gekommen. Aber von unseren Betrieben, im Moment sind es 26 Hotels und Restaurants in der Schweiz, befinden sich die meisten in der Peripherie. Das hat sich in der Corona-Zeit als Vorteil erwiesen, weil die Gäste vermehrt die Abgeschiedenheit suchten und weiterhin suchen. Viele Schweizer bleiben im Land und verbringen ihre Ferien hier. Gerade Städter fahren aufs Land und geniessen dort die Ruhe.
Hat sich dieser Trend in der Gästestatistik niedergeschlagen?
Ja, und zwar ziemlich deutlich. Schweizer Gäste waren für uns immer schon wichtig. Aber vor der Pandemie kamen am meisten unserer Gäste aus den USA. Die zweitstärkste Gästegruppe waren dann die Schweizer vor den Briten auf Rang 3. Im letzten und in diesem Jahr zählten wir klar am meisten Gäste aus der Schweiz. Auf dem zweiten Platz kommen die Franzosen, auf dem dritten Platz die US-Amerikaner, welche die Reisebeschränkungen zu spüren bekamen. Auffällig war auch, dass unsere Gutscheine als Geschenke sehr beliebt sind und sich zu einem grossen Corona-Geschäft entwickelt haben. Zum Beispiel bei mir im Lenkerhof haben wir täglich drei bis vier Gäste, die mit Gutscheinen bezahlen.
«Wer einen Relais & Châteaux-Betrieb besucht, darf immer eine hervorragende Küche erwarten.»
Was kann ein Gast erwarten, der in einem Relais & Châteaux-Betrieb einkehrt oder absteigt?
Unsere Betriebe sind ja alle sehr unterschiedlich. Wir sind keine Kette, bei der alle Häuser genau gleich aussehen und wo überall dieselben Produkte verwendet werden. Ich glaube, es ist unsere Stärke und wird von den Gästen geschätzt, dass wir Individualität mit hoher Qualität beim Essen und beim Übernachten verbinden. Wer einen Relais & Châteaux-Betrieb besucht, darf immer eine hervorragende Küche erwarten. Auch das traditionelle, persönliche Gastgebertum ist uns wichtig.
Wie hat sich die Krise auf die Anzahl der Mitglied-Hotels ausgewirkt? Musste Relais & Châteaux Abgänge verkraften?
Nein, im Gegenteil. Eine gewisse Fluktuation ist zwar immer normal, wenn es zum Beispiel zu einem Besitzerwechsel oder einer Geschäftsaufgabe kommt. Erfreulicherweise konnten wir 2020 und 2021 unsere Mitgliederzahl aber auf nunmehr 26 Hotels steigern. Schön ist auch, dass wir angefragt werden, wie man Mitglied werden kann. Das spricht für den guten Ruf und die Qualität von Relais & Châteaux. Letztes Jahr schloss sich ein Betrieb dem Relais & Châteaux-Netzwerk an, in diesem Jahr sind es sogar drei: Das Maison Décotterd in Glion, das Alex Lake in Thalwil und das Aida Hotel & Spa in Crans-Montana. Ich möchte bewusst kein Ziel formulieren, aber 30 Mitgliederbetriebe wäre eine schöne Zahl, um unsere «Route du Bonheur» zu ergänzen, also den Weg von einem Haus zum nächsten. Grundsätzlich sind wir gut aufgestellt, allerdings würde ich mich noch über ein neues Mitglied in der Innerschweiz freuen.
Wie beurteilen Sie die Situation mit Blick in die Zukunft?
Wir erwarten einen guten Winter und wieder viele Gäste aus der Schweiz. Unsere Mitglieder sind sehr zuversichtlich.
«Plastikröhrli gehören bei uns schon lange der Vergangenheit an.»
Nachhaltigkeit hat im Zuge der Klimathematik auch für Hotels und Restaurants an Bedeutung gewonnen. Wie geht Relais & Châteaux damit um?
Wir leben Nachhaltigkeit und legen grossen Wert darauf. Das Thema ist bei unserer Vereinigung aber nicht neu, sondern schon seit geraumer Zeit ein wichtiger Teil unserer Philosophie. Bereits im Jahr 2014 deponierte Relais & Châteaux ein Manifest mit 20 Punkten bei der UNESCO. Nachhaltiges Handeln beginnt schon im Kleinen: So gehören Plastikröhrli bei uns schon lange der Vergangenheit an. Oder die Kugelschreiber an der Reception oder in den Zimmern sind nicht mehr aus Kunststoff, sondern aus nachwachsendem Holz. Und in den Küchen wird vieles selbst hergestellt oder in der Region bezogen. Foodwaste wird so weit wie möglich vermieden. Bei den Fischen achten wir stark auf die Herkunft und die Nachhaltigkeit, und die Energie für die Relais & Châteaux-Betriebe kommt aus nachhaltigen Quellen.
In der Pandemie sind viele Fachkräfte in ihre Heimat zurückgekehrt und nicht wiedergekommen. Oder sie haben gar die Branche gewechselt. Wie geht Relais & Châteaux mit dieser Entwicklung um?
Das ist tatsächlich ein Problem, das unsere Betriebe aber nicht allzu stark trifft. Denn die Anwerbung, Ausbildung und Anbindung qualifizierter Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ist für uns zentral. Wir legen grossen Wert darauf, dass man fortschrittliche, dynamische und flexible Arbeitsbedingungen anbieten kann. Gerade für junge Menschen ist eine gute Work-Life-Balance von grosser Bedeutung. Ein wichtiges Element ist dabei unsere neue Plattform Relais & Châteaux Careers, die Anfang 2022 aufgeschaltet wird. Sie bietet Stellensuchenden eine rasche und einfache Übersicht über freie Stellen im internationalen Netzwerk von Relais & Châteaux. Auf diese Art möchten wir junge Fachleute direkt ansprechen. Wichtig sind aber auch zeitgemässe Wohnmöglichkeiten. Wir stellen zum Beispiel bei uns im Lenkerhof zwei moderne, ökologische Mitarbeiterhäuser mit 48 Studios, 8 Zweizimmerwohnungen sowie einer Tiefgarage für Autos, Motor- und Fahrräder zur Verfügung.