Hotellerie

Die Corona-Pandemie und damit der Wunsch nach Privatsphäre spielt Airbnb in die Hand. Bild: Airbnb

Darum geht Airbnb jetzt durch die Decke

Gregor Waser

Ist die grosse Nachfrage nach Airbnb-Aktien mehr als blosse Börsengier? Travelnews hat mit zwei Experten gesprochen.

Die Tourismusindustrie liegt am Boden, die Verluste in diesem Jahr sind enorm. Völlig unbeschadet scheint nun aber Airbnb über die Runden zu kommen. Der Börsengang von letzter Woche hat dem Online-Portal für die Buchung und Vermietung von Unterkünften einen Boost verliehen.

Vorletzte Woche lag der Airbnb-Kurs noch unter 50 Dollar. Auf den erstmaligen Börsengang hin von letztem Donnerstag schraubte sich der Airbnb-Kurs auf 68 Dollar hoch. Und mit dem Börsengang explodierte der Kurs regelrecht auf über 140 Euro am Freitag und liegt heute immer noch bei 134 Dollar, was einem Börsenwert von rund 100 Milliarden Dollar entspricht.

Was läuft da? Auch Airbnb musste in diesem Jahr der Reiseflaute erhebliche Umsatzeinbrüche registrieren, die sich an vielen Destinationen auf über 50 Prozent belaufen. Gleichzeitig sieht sich Airbnb vieler Proteste von Städten gegenüber, die «gestohlenen» Wohnraum beklagen. Die Nachfrage nach Airbnb ist von Investorenseite trotzdem ungebrochen.

Prof. Dr. Jürg Stettler von der Hochschule Luzern sagt auf Anfrage von Travelnews: «Airbnb hat ein digitales und skalierbares Geschäftsmodell, das für Investoren ein grosses Potenzial zu haben scheint. Airbnb entspricht einem relevanten Gästebedürfnis. Wie bei allen digitalen Geschäftsmodellen geht es in den ersten Jahren primär darum, so schnell wie möglich stark zu wachsen. Und das ist Airbnb bisher gelungen und die Investoren trauen Airbnb scheinbar zu, dass dies auch in Zukunft der Fall sein wird. Damit verbunden sind früher oder später entsprechend hohe Gewinne zu erwarten.»

Frank Reutlinger, Inhaber und Geschäftsführer der in der Hotellerie beratenden Kohl & Partner Schweiz AG, sagt: «Die aktuelle Pandemie spielt Airbnb in die Hände. Social Distancing schürt die Nachfrage nach Wohneinheiten, sei es für den Ferien- oder Business-Gast.» Zudem habe sich Airbnb in den letzten Jahren etabliert und sei im Markt gut integriert und akzeptiert. Mit dem Blick auf die Schweiz sagt Reutlinger: «Von den aktuellen Massnahmen des Bundes ist die Hotellerie stärker betroffen, Airbnb weniger bis gar nicht.»

Airbnb vs. Hotellerie

Hoteliers weltweit dürften sich in diesen Tagen jedenfalls die Augen reiben über das, was derzeit mit Airbnb abgeht. Selber hängen sie in den Seilen und nun legt ausgerechnet der ungeliebte Nebenbuhler nochmals deutlich zu in der Marktgunst.

Auf das Buhlen um Gäste und den Clinch zwischen Hotellerie und Airbnb angesprochen, sagt Frank Reutlinger: «Der verfügbare Platz, die Abrenzung zu anderen Leuten, die Privatspähre sind derzeit Argumente, die für Airbnb sprechen. Gleichwohl orte ich auch für die Hotellerie weiterhin gute Chancen: etwa Schutzkonzepte und das Gefühl von Sauberkeit sind für Airbnb schwer umzusetzen. Auch der Kontakt vor Ort und damit die Hilfestellung bei Fragen spricht für die Hotellerie.»

«Wenn Airbnb auch in Zukunft weiter wachsen und erfolgreich sein wird, dürfte Airbnb eine zusätzliche Konkurrenz zur traditionellen Hotellerie sein», sagt Jürg Stettler. Allerdings sei noch unklar, wie sich Airbnb und die Hotellerie weiterentwickeln werden: «Bereits jetzt nutzen auch Hotels Airbnb als Distributionskanal und es kann gut sein, dass dies in Zukunft noch mehr der Fall sein wird, denn auch die traditionelle Hotellerie wird sich verändern und die traditionellen Übernachtungsformen und -angebote vermischen sich immer mehr. Diese Entwicklung wird unter anderem getrieben durch die sich verändernden Gästebedürfnisse sowie durch die globalen Buchungsplattformen wie Booking oder Airbnb.» Airbnb sei ein weiteres Beispiel für die grosse Bedeutung globaler digitaler Reiseplattformen und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Tourismusbranche, insbesondere die Hotellerie.