Hotellerie

In der leeren Lobby vor den Plexiglasscheiben der Réception: Michael Schneiter, General Manager im Holiday Inn Messe Zürich. Bild: HO

«An einigen Tagen im Juni haben wir keinen einzigen Hotelgast»

Gregor Waser

Michael Schneiter, General Manager im Holiday Inn Zürich Messe, äussert sich im Interview über den schwierigen Restart und die Learnings aus der Coronakrise.

Die Schweizer Stadthotellerie leidet derzeit besonders. Es fehlen ausländische Gäste, es fehlen Geschäftsleute, Konzerte und Messen finden nicht statt. Das Holiday Inn Zürich Messe baut auf diese Klientel, die nun aber fehlt. Gestern Montag, am 8. Juni, hat das 164-Zimmer-Hotel nun gleichwohl den Betrieb wieder aufgenommen. Wir haben uns mit General Manager Michael Schneiter über die aktuellen Herausforderungen unterhalten.

Herr Schneiter, Sie haben am Montag Ihr Hotel wieder geöffnet – mit wievielen Gästen?

Michael Schneiter: Ein erster Gast checkte bei uns am Montag ein. Mit ein Grund, dass wir schon gestern wieder eröffneten, ist ein Seminar, das wir unter Berücksichtigung der Hygienemassnahmen organisieren konnten. Zudem können die vier Lernenden, die zwei Praktikanten sowie ich als Geschäftsführer seit dem 1. Juni keine Kurzarbeitsentschädigung mehr beziehen, wir sind nun wieder voll im Einsatz. Die schrittweise Eröffnung des Betriebes macht also durchaus Sinn. Endlich ist es soweit!

Mit welcher Zimmerauslastung rechnen Sie in den ersten Wochen?

Im Juni schwankt die Auslastung unserer 164 Zimmer zwischen zwei und fünf Prozent. An einigen Tagen im Juni haben wir keinen einzigen Hotelgast. Wir gehören der GSH-Gruppe an, die auch Hotels in Deutschland, den Niederlanden und Grossbritannien führt. Und bei den Schwester-Hotels hat sich gezeigt: wer früher aufmacht, wird am Markt besser wahrgenommen und gebucht. Wir werden nun jedenfalls bis Ende Jahr offenbleiben, wenn auch Juli und August ebenfalls keine grossen Auslastungen versprechen. Unser Restaurant bleibt vorerst noch zu, wir streben eine Eröffnung per Mitte August an.

Mit welchen Massnahmen haben Sie versucht, die letzten Wochen zu überstehen?

Schon am 3. März hatten wir Kurzarbeit beantragt. Wegen dem Veranstaltungsverbot haben wir dann am 17. März unser Haus geschlossen – bis nun am 8. Juni. Wir haben einen COVID-19 Notkredit beantragt, uns mit unseren Zulieferern über spätere Zahlungsziele ausgetauscht und haben einen Mieterlass angefragt – hier stehen wir noch in Verhandlungen. Weiter sind wir in Gesprächen in Bezug auf die Versicherungsleistungen.

Wie verhält es sich mit Annullationen?

Bei den stornierbaren Raten erfolgte eine kostenlose Stornierung. Bei nicht stornierbaren Frühbuchertarifen haben wir mit den Gästen die Möglichkeit einer Umbuchung oder eines Gutscheins angeschaut. Unsere Reservationsabteilung war und ist gefordert: wir wollen unsere Gäste ja nicht vor den Kopf stossen.

«Durch tiefere Preise wird in der aktuellen Situation keine Nachfrage generiert.»

Mit welchem Szenario rechnen Sie in den nächsten Monaten?

Das muss sich nun zeigen. Im März sind unter anderem die Beauty Messe und die Giardina ins Wasser gefallen, die wären für uns wichtig gewesen. Die nächste Messe, die stattfinden sollte – mit Schutzkonzepten –, ist die Zürich Game-Show Ende September.

Welche Learnings haben Sie aus dieser Krise gezogen?

Es ist eine einzigartige, unvergleichliche Situation. Das schwierigste derzeit ist die Unsicherheit. Für mich zentral ist, dass wir uns in der Krise solidarisch verhalten, es soll kein Geschirr zerschlagen werden. Alle sitzen im gleichen Boot und über Gespräche sind wir gut vorwärts gekommen, sei es mit Zulieferern oder unseren Gästen. Ich sehe auch viel Positives, wie die Krise in der Schweiz gehandhabt wurde. Die Unterstützung war schnell und unbürokratisch. Was verbessert werden müsste, ist das Thema Geschäftsmieten, gerade für KMUs. Wie gehen wir zukünftig damit um? Alle Learnings wird man aber erst später ziehen können nach einer Auslegeordnung.

Was hören Sie von ihren Hotelier-Kollegen in Zürich-Nord?

Alle kämpfen mit den gleichen Herausforderungen. Die Nachfrage ist sowohl bei den Zimmerreservationen als auch im Restaurant komplett weggebrochen. Nach den aktuellsten Lockerungen ist zwar eine steigende Gästeanzahl zu verzeichnen, allerdings kommen wir bei weitem noch nicht an das Niveau vor dem Shutdown heran.

Was heisst das nun für die Entwicklung der Zimmerpreise?

Da kommt eine sehr grosse Herausforderung auf uns zu. Ein Vergleich mit der Finanzkrise 2008 ist durchaus berechtigt. Im Markt Zürich sind wir ohnehin schon hoch kompetitiv, weil wir mehr verfügbare Zimmer im Vergleich zur Nachfrage haben, schon seit Längerem. In der Flughafen-Region gibt des deshalb bisher schon einen Preiskampf. Ich hoffe, die Dumping-Strategien werden nicht zu aggressiv umgesetzt. Durch tiefere Preise wird in der aktuellen Situation keine Nachfrage generiert. Gleichzeitig spricht man davon, dass 25 Prozent der Hotels in der Schweiz Konkurs gehen könnten. Dies wäre dann zumindest ein erstes Jahr, in welchem wir beim Inventory kein Wachstum haben, so wenig ich jemandem den Konkurs auch wünsche. Kurzfristig werden wir nun aber sicherlich einen Preissturz erleben. Hoteliers müssen sich aber bewusst sein, dass sie so die Preiswahrnehmung beim Gast nachhaltig schädigen. Wer jetzt 90 Franken zahlt, wird nächstes Jahr nicht bereit sein, 180 Franken für dieselbe Leistung zu bezahlen. Auch in Krisenzeiten darf der Deckungsbeitrag nicht ausser Acht gelassen werden.

Welche weiteren Herausforderungen kommen auf Sie zu?

Zunächst steht nun mal das langsame Herauffahren unseres Betriebs an. Die Kurzarbeit für unsere 95 Mitarbeitenden ist bis Ende August vorgesehen, ev. werden wir diese noch verlängern, falls das Veranstaltungsverbot weitergezogen wird. Wir müssen nun die Situation beobachten und können punktuell das Angebot erweitern, sei es mal nur mit einem Glacéstand auf unserem Boulevard. Flexibel sein ist einmal mehr das Motto der Stunde.