Hotellerie

Verena Kern Nyberg ist die Direktorin der «Sinn & Gewinn Hotels», denen auch das Josephine's Guesthouse angehört. Bild und Video: TN

«Der Aufenthalt hier im Hotel ist wie eine ewig währende Pyjamaparty»

Im Josephine's Guesthouse in Zürich sind nur Frauen willkommen. Von den Zimmern sind permanent acht bis zehn für Frauen in Notsituationen reserviert, die übrigen stehen für Lang- und Kurzzeitaufenthalte offen. Travelnews hat sich mit Verena Kern, Direktorin der «Sinn&Gewinn Hotels», für ein Gespräch in diesem besonderen Hotel getroffen.

Im Herzen von Zürich befindet sich das Josephine's Guesthouse for Women. Das Hotel hat vor ziemlich genau drei Jahren nach umfassenden Umbauarbeiten seine Türen geöffnet. Zuvor wurde die Immobilie als «Pension Lutherstrasse» vom Verein Compagna (ehemals «Freundinnen junger Mädchen»), geführt.

Wie die Hotels LADYs FIRST, Hotel Marta und seit neustem die Pension Bienvenue in Lausanne, gehört auch das Josephine's Guesthouse zu den «Sinn & Gewinn Hotels», die wiederum im Besitz der Frauenhotel AG sind. In den vier Betrieben sind rund 65 Personen angestellt, die grosse Mehrheit sind Frauen. Etwa 25 der Angestellten sind in einem Teilzeit-Verhältnis beschäftigt und haben eine begleitete Arbeitsstelle, weil sie psychisch oder kognitiv beeinträchtigt sind. Für den Mehraufwand, den die Betreuung und Begleitung der leistungsbeeinträchtigten Frauen mit sich bringt, werden Beiträge der öffentlichen Hand in Anspruch genommen.

Travelnews hat sich mit Verena Kern Nyberg, Direktorin der «Sinn & Gewinn Hotels» im Josephine's Guesthouse in Zürich getroffen. Sie ist seit sieben Jahren im Unternehmen tätig.


Frau Kern, wie ist die Idee für das Josephine’s Guesthouse entstanden?

Verena Kern Nyberg: Das ist unser dritter Betrieb. Wir haben, bevor wir das Josephine’s eröffnet haben, bereits das Hotel Marta und das Hotel LADYs FIRST geführt. In den beiden Betrieben sind Männer und Frauen herzlich willkommen. Die Hotels führen wir als Integrationsbetriebe mit sozialem Nutzen, für Frauen die beeinträchtigt sind und eine Lernschwäche oder psychische Einschränkungen haben. Wir hatten dann die Möglichkeit, den Betrieb hier zu übernehmen. Der ausdrückliche Wunsch der Immobilienbesitzerin, also der Stiftung war, dass hier kein Hotel entstehen, sondern das Haus weiterhin eine einfache Pension für Frauen bleiben soll. Und, dass es weiterhin Zimmer für Frauen in Übergangs- oder Notsituationen geben soll. Diesem Wunsch sind wir gerne nachgekommen, weil wir als «Sinn & Gewinn Hotels» in unserem Selbstverständnis haben, dass wir sozialen Mehrwert für Frauen schaffen – bei diesem Betrieb eben nicht als Arbeitgeber, sondern mit Wohnraum. Das heisst, dass der Betrieb an sich, so wie er jetzt ist und Sie ihn sehen, eigentlich eine Weiterentwicklung der Pension ist, die hier früher war, bevor wir den Betrieb übernommen haben.

Also kommen hier nur sozial benachteiligte Frauen hin?

Wir reservieren acht bis zehn Zimmer für Frauen in Notsituationen. Die restlichen Zimmer vergeben wir an Frauen, die reisen, die beruflich in Zürich sind oder sich aus anderen Gründen hier aufhalten. Dieser Mix ermöglicht uns, dass wir für Frauen in Not die günstigen, kleinen Zimmer reservieren können. Die grösseren Zimmer bieten wir auf dem freien Markt an und vermieten sie an Frauen, die sie sich gut leisten können.

Da gibt es Preisunterschiede?

Ja, es gibt Preisunterschiede. Zum einen, was die Grösse der Zimmer angeht und zum anderen auch, was die Aufenthaltsdauer anbelangt. Ab zwei Wochen bieten wir sehr attraktive, fixe Long-Stay-Preise. Am günstigsten ist es natürlich, wenn man einen Monat oder länger bleibt. Am teuerstes und dem Yield-Management unterworfen sind die Tagespreise für Aufenthalte von einem bis vierzehn Tagen. Das sind keine Fixpreise sondern abhängig von Nachfrage, Saison oder Vorausbuchungsfrist.

«Unser Selbstverständnis ist es, dass hier bezahlbarer Wohnraum für Frauen in Not oder Übergangssituationen zur Verfügung steht.»

Können Sie unabhängig von den benachteiligten Frauen Ihre Zielgruppe beschreiben?

Wir haben zum einen die Long-Stay-Zielgruppe und zum anderen die Short-Stay-Zielgruppe. Für die Langzeitaufenthalte avisieren wir vor allem Frauen, die in Zürich studieren, die für ein Projekt im Auftrag ihres Arbeitgebers in die Stadt kommen oder die umziehen und einen neuen Job suchen. Es gibt aber auch ganz viele andere Situationen. Wir hatten zum Beispiel einmal eine Auslandschweizerin zu Gast, deren Tochter das erste Kind bekommen hat und sie deshalb für ein, zwei Monate nach Zürich kam, um hautnah dabei zu sein, wenn ihr Enkel auf die Welt kommt.

Dasselbe gilt auch für die Short-Stay-Zielgruppe. Wir haben einen extrem interessanten Mix von Herkunftsländern. Uns besuchen sehr viele junge Asiatinnen, die zu zweit oder zu dritt einen Trip durch Europa machen und dieses «Women only»-Konzept offensichtlich sehr anspricht. Eigentlich haben wir an Gästen alles, was man auch in einem gewöhnlichen Hotel finden würde – aber eben nur Frauen.

Wie sieht es denn bei den Mitarbeitenden aus, sind diese auch alle weiblich?

Genau, die Mitarbeiterinnen sind weiblich, in allen unseren Betrieben. Mit kleinen Ausnahmen. Unsere Nachtconcierges im Hotel Marta sind Männer und unser Techniker ist ebenfalls ein Mann.

Was wird eigentlich mehr angefragt, die Lang- oder Kurzzeitaufenthalte?

Es gibt eine grosse Saisonalität. In den Monaten Mai, Juni, September und Oktober – dann, wenn Zürich boomt – könnten wir das ganze Haus nur mit Kurzzeitaufenthalterinnen zu hohen Zimmerpreisen füllen. Das ist aber nicht in unserem Interesse, denn unser Selbstverständnis ist es, dass hier bezahlbarer Wohnraum für Frauen in Not oder Übergangssituationen zur Verfügung steht. Das heisst, dass wir auch in diesen starken Monaten unsere Longstay-Kontingente schützen, obwohl wir sie teurer verkaufen könnten.

In den anderen Monaten müssen wir es umgekehrt machen. Wir gehen dann davon aus, dass wir besser fahren, wenn wir mehr Zimmer für Long-Stay-Mieterinnen anbieten. Zu Beginn mussten wir diesbezüglich ein wenig ausprobieren. Als wir das Hotel eröffnet und mit der Website und den Distributionskanälen live gegangen sind, waren wir total überrascht, wie viele Zimmer für Kurzaufenthalte in kürzester Zeit ausgebucht waren und uns so den ganzen Zimmerplan verbaut haben für die Long-Stays. Wir haben uns dann ein cleveres System überlegt, wie wir die Zimmer und Preise je nach Reisedatum auf den verschiedenen Buchungskanälen verfügbar machen.

Können Sie etwas zur Auslastung vom Josephine’s Guesthouse sagen?

Wir sind sehr gut ausgelastet und das von Anfang an. Wir laufen so zwischen 85 bis 90 Prozent aufs ganze Jahr gesehen.

«Hier sehr einfach, Anschluss zu finden»

Über welche Kanäle machen Sie Werbung?

Das ist schwierig zu sagen. Für unseren Marktauftritt als Ganzes sind wir sehr auf Distribution ausgerichtet. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir gut zu finden sind im Netz. Dazu gehören Google Ad-Words, Suchmaschinenoptimierung und Suchmaschinenmarketing. Wir haben eine sehr gute Booking Engine auf unserer Website und versuchen so, möglichst attraktiv zu sein. Ansonsten sind wir auch auf Booking.com buchbar. Über sonstige Werbemassnahmen oder –strategien haben wir bislang noch nicht entschieden, weil uns alle Optionen sehr kostspielig erscheinen im Rahmen von unseren Möglichkeiten und der Umsatzstruktur. Hinzu kommt, dass wir ohnehin zufrieden sind mit unserer Auslastung und wir deshalb keinen «Leidensdruck» dazu haben. Was wir auch machen, ist das konsequente Beantworten von Reviews. Wir bedanken uns für gute Bewertungen und gehen auf unzufriedene Rückmeldungen ein.

Arbeiten Sie auch mit Reisebüros zusammen?

Nein, gar nicht. Aber wir arbeiten mit «Zulieferern» zusammen. Also zum Beispiel mit der Uni Zürich, der ETH, Sprachschulen oder auch Firmen, die immer wieder Mitarbeiterinnen in der Schweiz haben für Ausbildungsgänge. Das sind so unsere «Reisebüros».

Was finden Gäste abgesehen von der Übernachtungsmöglichkeit im Hotel?

In jedem Zimmer ist ein eigenes Bad vorhanden, das war uns sehr wichtig. Früher gab es hier nur Etagenduschen. Was die Bewohnerinnen zusätzlich finden, ist eine grosse Küche, ausgestattet mit allem was man braucht. Ausserdem ist es hier sehr einfach, Anschluss zu finden. Wenn man möchte, lernt man hier beim Frühstück oder beim Kochen andere Frauen kennen. Das ist ein grosser Unterschied zu einem Hotel oder Serviced Apartment, wo man tendenziell allein bliebe. Was uns auch wichtig erschien, sind Waschmöglichkeiten, weshalb wir eine Waschküche eingerichtet haben, wie man sie auch in normalen Mehrfamilienhäusern finden würde. Dort kann jeder Gast seine eigene Wäsche waschen. Zusätzlich stellen wir Putzutensilien bereit, dass die Kundinnen bei Bedarf zwischen unseren Putzterminen ihr Zimmer selber reinigen können. Darüber hinaus können bei uns Koffer oder Kisten eingeschlossen werden. Wenn jemand im Dezember eincheckt und bis Mai bleibt, hat die Person die schweren Winterstiefel und Jacken im verhältnismässig kleinen Zimmer, obwohl die Sachen eigentlich nicht benötigt werden, wenn es wärmer wird. Deswegen bieten wir die Aufbewahrung an.

Bieten Sie im Hotel auch Aktivitäten an, bei denen die Gäste teilnehmen können?

Aktivitäten in diesem Sinne bieten wir nicht an, nein. Wir organisieren zweimal im Jahr kleine Anlässe. Eines der Feste findet immer am 8. März, am Tag der Frau statt. An diesem Datum haben wir Josephine’s vor drei Jahren eröffnet. Wir laden jeweils alle unsere Nachbarn, die Gäste und andere nahestehende Personen ein – dann sind ausnahmsweise auch Männer erlaubt. Die finden es immer besonders cool, wenn sie auch einmal hineinschauen dürfen. Das zweite Fest, das wir organisieren ist das Openair-Kino auf unserer Dachterrasse im Sommer. Wir suchen einen coolen Film aus und es gibt einen Apéro.

«Als sich Frauen wie Meghan Markle hingestellt und gesagt haben ‹I am a feminist› waren das für uns Signale, dass der Feminismus aufblüht»

Profitieren Gäste von Kooperationen, die Sie mit anderen Betrieben eingegangen sind?

Wir haben eine Kooperation mit Localbini.com. Auf der Website können Gäste Touren buchen, um Zürich wie eine Zürcherin zu erleben. Dabei führen Locals die Reisenden zu ihren Lieblingsplätzen in der Stadt.

In unserem Hotel LADYs FIRST haben wir einen schönen Wellnessbereich, den die Gäste im Josephine’s zum halben Preis, also 20 Franken, nutzen dürfen. Im Gegensatz zum Hotel ist der Wellnessbereich nur für Frauen reserviert. Dort gibt es eine Bio-Sauna, eine finnische Sauna, drei Kirschkernliegen, eine Dachterrasse, einen Ruheraum sowie verschiedene Massagen gegen Bezahlung. Dieses Angebot wird gerne genutzt.

Wo sehen Sie denn eigentlich die Chancen von diesem Guesthouse nur für Frauen?

Unsere strategische Überlegung, als wir das Betriebskonzept geschrieben haben war, dass es an zentraler Lage kurzfristig kaum mehr bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung hat. Erst recht nicht mit einem sozialen Gefüge, wo man auch direkt Anschluss hat. Das Haus hier war immer für Frauen, die sich in eher weniger wohlhabenden Situationen befinden, reserviert. Es war uns deshalb wichtig, dass wir diesen Ort erhalten. Es macht keinen Sinn, dass Frauen, welche ohnehin schon benachteiligt sind, auch noch in gesichtslosen Serviced Apartments oder Mini-Wohnungen, irgendwo in der Agglomeration alleine wohnen. Bei uns sind Zimmer zu einem günstigen Preis und kurzfristig verfügbar. Zudem hatten wir den Eindruck, dass das Konzept «Women Only» neu Fahrt aufgenommen hat, nachdem Räume nur für Frauen lange Zeit eher einen langweiligen Ruf hatten. Als sich dann Frauen wie zum Beispiel Meghan Markle hingestellt und gesagt haben «I am a feminist» waren das für uns Signale, dass der Feminismus aufblüht und ein «Women Only»-Konzept auch als cool wahrgenommen werden kann. Deshalb freuen wir uns, dass wir hier einen tollen Ort schaffen konnten, wo Frauen entweder herkommen, weil sie den Ort und das Angebot gut finden, ungeachtet dessen ob das Guesthouse nur für Frauen ist. Es gibt aber auch solche, die genau bei uns buchen weil sie die Stimmung hier, unter Frauen, so toll finden. Eine Kundin hat uns einmal gesagt, dass der Aufenthalt hier im Hotel wie eine ewig währende Pyjamaparty ist, weil die Atmosphäre auch untereinander super ist.

Woher kommt der Name Josephine’s?

Das Haus wurde nach Josephine Butler getauft. Sie war in der Zeit der Industrialisierung eine Feministin und Sozialreformerin aus Grossbritannien. Auf sie geht der Verein Freundinnen junger Mädchen zurück, aus dem wiederum die Stiftung hervorgegangen ist, von der wir dieses Haus hier mieten. Für unser neues Guesthouse haben wir nach einem klingenden Namen gesucht und plötzlich sind wir beim Brainstormen auf sie gestossen und haben gedacht: Josephine’s Guesthouse, das klingt super!

(NWI)