Hotellerie

Seit April 2019 ist Jörg Herrmann CEO die Holiday Home Division. Bild: TN

«Wenn die Ferienwohnung zur Ruhestätte der Altmöbel verkommt, ziehen wir Konsequenzen»

Gregor Waser

Jörg Herrmann, CEO Holiday Home Division der Hotelplan Group, sagt im Interview, wieso die Anzahl Objekte reduziert wird und dass Airbnb und Booking Ferienwohnungen salonfähiger gemacht haben.

Herr Herrmann, im letzten Jahr ging der Umsatz der Holiday Home Division um knapp 5 Prozent auf 341,5 Millionen Franken zurück. Wie beurteilen Sie das Jahr?

Jörg Herrmann: Die Entwicklung war eigentlich zu erwarten. Wir beleuchten unser Portfolio konsequenter, schauen jedes einzelne Produkt an, wie werthaltig es ist und suchen vermehrt das Gespräch mit Eigentümern, wie mehr aus einer Wohnung rauszuholen ist. Wir stehen da auch mit Vorfinanzierungen zur Seite. Wenn eine Ferienwohnung aber nur noch die Ruhestätte der Altmöbel ist, dann müssen wir Konsequenzen ziehen. Unter dem Strich haben wir weniger Objekte im Portfolio, noch rund 50’000. Dazu kommt: 80 Prozent unseres Umsatzes generieren wir im EU-Raum. Gebucht wird in Euro, in unseren Büchern stehen Franken. Da brechen aus Währungsgründen schnell 10 bis 15 Millionen Franken weg. Gleichzeitig war der deutsche Markt im letzten Jahr eher zurückhaltend.

Seit bald einem Jahr leiten Sie als CEO die Holiday Home Division der Hotelplan Group. Wie hat sich Ihr Job verändert?

Hier zu arbeiten ist für mich kein Job, sondern eine Leidenschaft (lacht). Angefangen hatte ich als Deutschland-Chef, später kamen Österreich und Tschechien hinzu, dann gings ins Headquarter nach Glattbrugg, um sich um Einkauf und Vertrieb zu kümmern. Damit verändert sich der Blickwinkel stetig, man blickt immer mehr über den Tellerrand, nun als CEO erst recht. Es geht nicht mehr nur um ein Land oder um ein Department. Der Gesamtblick bringt mit sich, dass man vielleicht behutsamer und vorsichtiger ans Werk geht, als wenn man nur für eine kleinere Einheit einen Entscheid trifft.

Sind Ferienwohnungen eigentlich noch en vogue?

Definitiv. Sicher haben auch Booking und Airbnb ihren Anteil daran, sie haben das Produkt salonfähiger gemacht. Gab es früher insgesamt vielleicht 300'000 Objekte, so gibt es heute drei, vier oder fünf Millionen Objekte, die sichtbar und buchbar sind. Wir legen dem Vertrieb nahe, dem Kunden nicht einfach eine Liste mit Hotels und eine Liste mit Ferienwohnungen darzulegen, sondern eine gesamte Liste an Unterkünften. Der Kunde soll die gesamte Vielfalt erhalten. Und die Bandbreite und Vielfalt an Ferienwohnungen und Ferienhäusern ist heute enorm.

Der Airbnb-Boom hat auch einige Schattenseiten zu Tage gebracht.

Klar gibt es Themen wie Zweckentfremdung oder nicht lizenzierte Objekte, auch versicherungstechnische Aspekte sind komplizierter geworden. Ein Beispiel: Sie buchen als Schweizer ein Ferienhaus in Spanien über Airbnb in Holland und der Eigentümer ist Österreicher – welches Recht gilt nun? Meistens passiert ja nichts, aber wenn es zu einer Knieverletzung kommt und Sie für den Rest ihres Lebens humpeln, dann wollen Sie wissen, wer haftbar ist. In diesem Bereich ist noch nicht alles zu 100 Prozent geregelt. Wir aber halten alle rechtlichen Regularien wie zum Beispiel das Bezahlen der Kurtaxen ein.

Ihre Objekte sind auch auf Airbnb und Booking präsent – alle?

Ja, wir bieten das gesamte Portfolio auf allen Vertriebskanälen an, in allen notwendigen Sprachen und Währungen. Wir sehen uns als Cockpit für den Eigentümer an. Er gibt uns das Produkt und wir stellen die maximale Auslastung sicher. Wir kümmern uns um Betreuung, Reinigung, die Poolreinigung und wenn das Objekt einen neuen Anstrich benötigt auch um diesen. Wir möchten die volle Wertschöpfung abbilden, je nachdem was der Eigentümer braucht. Wenn Sie als Eigentümer über einer Ferienwohnung wohnen, dann machen Sie vielleicht alles selber. Aber wenn Sie in der Schweiz wohnen brauchen Sie für ihr Ferienhaus in Spanien jemanden, der sich darum kümmert. Diese Zusatzservices sind unser USP. Ohne diese werden wir austauschbar.

Wie teilen sich bei Ihnen die Vertriebskanäle auf?

Wir generieren mehr als 80 Prozent elektronisch, ob über unsere eigene Webseite, von Reisebüros über Reservierungssysteme oder über Portale wie Booking und Airbnb. Total 65 Prozent kommt durch den Fremdvertrieb rein, darin enthalten sind Reisebüro- und Portalbuchungen. 20 Prozent der Reservierungen erfolgen über das Call-Center – vom Reisebüro oder Endkunden - oder vor Ort im Local Service Office.  Vor zehn Jahren lagen wir bei ungefähr 30 Prozent Fremd- und Online-Vertrieb. Die Digitalisierung wächst kontinuierlich.

«Vom Einkauf eines Objekts bis es auf den Portalen verfügbar ist, benötigen wir nur noch 72 Stunden»

Wie gestalten sich ihre Marketingkosten im immer stärker werdenden digitalen Universum?

Wir sind in verschiedenen Facetten unterwegs. Den Bereich Google Ads decken wir auch ab, solange es nicht zu unbezahlbaren Keywords kommt. Da buchen wir eher mal Longtails, also Wortkombinationen wie etwa «Ferienwohnung Saas-Fee mit Balkon». Aber wir sind vor allem sehr stark in der organischen Suche oder Auffindbarkeit, weil wir inhaltlich interessanten Content liefern – eben nicht nur die Beschreibung eines Objekts, sondern auch die Region und möglichen Aktivitäten. Gezieltes Zielgruppenmarketing kommt hinzu. Wir sind aber nicht die klassische Marketingfirma. Unser Hauptfokus liegt darauf, Produkte zu akquirieren, sie zu unterhalten und dem Vertrieb zur Verfügung zu stellen.

Die Holiday Home Division hat einen Wechsel des IT-Systems hinter sich. Erfolgte dieser reibungslos?

«Focus» nennt sich unser im letzten Jahr eingeführtes SAP-System, eine Weiterentwicklung unseres alten Systems iRent. Es ist webbasierend und darauf lässt sich die ganze Wertschöpfungskette abbilden. Das Produkt lässt sich an der Quelle erfassen, verwalten, man kann es buchen, zu Portalen distribuieren, es lassen sich Reiseunterlagen daraus erstellen und ich kann in den 200 lokalen Büros Nebenkosten abrechnen – alle Bereich sind in einem zentralen System abgedeckt. Vom Einkauf eines Objekts bis es auf den Portalen verfügbar ist, benötigen wir nur noch 72 Stunden. Die Migration erfolgte reibungslos, in wenigen Stunden übers Wochenende. Herausfordernd sind die Prozesse, die nachgelagert sind. Da mussten wir teilweise nachjustieren.

Wie sind Sie nun ins neue Jahr 2020 gestartet?

Wir haben bisher einen sehr erfreulichen Winter, wir liegen voll auf Budgetkurs. Bei der Destination Schweiz verzeichnen wir im Winter ein Plus von 15 Prozent, obwohl die Schweiz für den Europäer eine hochpreisige Destination ist. Auch weitere klassische Winterdestinationen wie Frankreich und Österreich laufen gut. Bei den Sommerdestinationen sieht's noch anders aus. In den letzten zwei Wochen spüren wir eine gewisse Verunsicherung wegen der Coronavirus-Krise. Nun müssen wir schauen, wie es weitergeht, gerade bei einer Destination wie Italien stellen sich jetzt Fragezeichen. Die Verunsicherung basiert weniger auf der Angst sich anzustecken, als auf Bedenken, an einer Destination stecken zu bleiben.

An welchen Destination planen Sie einen Ausbau? Und gibt es eigentliche neue Zielgebiete, etwa auch auf Fernstrecken?

Hier gilt es für uns, die Reiseströme zu beobachten. Hoch im Kurs steht etwa Kroatien. Da registrieren wir eine hohe Nachfrage und konnten nun auch zahlreiche neue Objekte aufnehmen. Übersee weniger, unsere Kunden bevorzugen erdgebundene Reisen, sprich eine Anreise im Auto, mal abgesehen von den Balearen. Wir fokussieren uns auf Europa. Spannend werden könnte für uns auch Schottland, hier verzeichnen wir eine verstärkte Nachfrage. Deutschland ist auch sehr gut nachgefragt, hier stellt sich aber das Problem der verfügbaren Objekte.

Und wohin geht die Reise? Sind 340 Millionen Franken Umsatz und 50‘000 Objekte eine Grösse, mit der Sie gut leben können oder steht weiteres Wachstum an?

Klar möchten wir weiter wachsen, aber nicht um jeden Preis. Wenn 5000 der 50‘000 Objekt nicht gut laufen oder nicht unseren Qualitätsansprüchen genügen, trennen wir uns lieber von denen. Das Wachstum nützt nichts, wenn es nicht nachhaltig ist. Also lieber 45'000 topausgelastete Objekte, als sich mit 5000 rumärgern zu müssen.