Hotellerie
Die schöne neue Übernachtungswelt
Es gibt sie noch, die kleinen, familiengeführten Hotels – auch in der Schweiz. Dank enormem Einsatz und einer langjährigen Stammkundschaft gelingt das Überleben. Doch auch in diesem Jahr nahm der Druck weiter zu – für Einzelhotels wie auch für kleinere und mittelgrosse Ketten. Auch etablierte Player wie Kempinski mit 78 Hotels erleben eine neue Ausgangslage.
Es ist augenfällig, dass sich die Machtverhältnisse in der weltweiten Hotellerie verändern. Die Multimarken-Giganten wie Marriott-Starwood und Accor pflügen sich durch die weltweite Hotellandschaft und bauen ihre Imperien aus – auf allen Gästestufen. Accor etwa verfügt bereits über 38 verschiedene Marken und kann der Klientel eine enorme Bandbreite an Häusern anbieten, abgefedert durch ein cleveres Kundenbindungsprogramm.
Die Übernahme von Kempinski Genf durch Accor/Fairmont zeigt die Mechanismen auf. Börsenkotierte Hotelgiganten legen beim Buhlen um neue Managementverträge bei Hotelbesitzern Millionensummen als Antrittsgebühren auf den Tisch. So erhalten sie den Zuschlag für das neue Haus und können sich an der Börse mit Grösse und gesteigerter Markenbekanntheit brüsten. Kempinski wiederum, nicht willens oder fähig immense Antrittsgebühren zu zahlen, schaut in die Röhre und verliert Verträge – übrigens auch in Abu Dhabi (Emirates Palace) und Hamburg (Atlantic).
Giganten ohne eigene Assets
Eine Druckwelle von anderer Seite bedrängte die Hotellerie auch in diesem Jahr zusehends. Online-Giganten wie Booking und Airbnb, die bekanntlich über keine eigenen Häuser verfügen, bauen ihre Marktdominanz weiter aus, drehen im Fall von Booking weiter an der Kommissionsschraube oder decken wie im Fall von Airbnb den gesamten Globus mit Mietobjekten ab, ob mit Wohnungen von Privaten oder vermehrt auch mit Ferienwohnungen und Hotelzimmern.
Das Bedenkliche an der Entwicklung: haben sich Hoteliers mal an exorbitante Kommissionen von 15 bis 20 Prozent gewöhnt, kommen nun plötzlich neue Forderungen daher wie im Fall von Booking. In einigen Testmärkten versucht das Hotelportal nun Hoteliers auch Provisionen abzuzwacken auf Zusatzleistungen, die diese verkaufen.
Und haben wir gesagt, Airbnb verfüge über keine eigenen Häuser? Dies dürfte schon bald nicht mehr der Tatsache entsprechen. Airbnb schielt nämlich darauf, eigene Objekte zu lancieren. In den letzten Jahren hat Airbnb angefangen, seine Fühler in andere Richtungen auszustrecken: Es errichtet Wohngebäude und Condo-Hoteltürme unter eigener Marke in Grossstädten wie Miami, Austin, Orlando und Nashville. Airbnb wird in Miami voraussichtlich im Jahr 2022 das Natiivo eröffnen, ein 48-stöckiger Turm mit 412 Eigentumswohnungen und 192 Hotelzimmern.
Überraschende Innovationen
Doch bei diesem Klagelied geht vergessen, dass die weltweite Hotellerie zum wohl innovativsten Tourismuszweig gehört und und ein gutes Gespür zu haben scheint, welche neuen Bedürfnisse sich bei der künftigen Klientel breitmachen. Hier einige der diesjährigen Innovationen aus der internationalen Übernachtungswelt:
- Ausgefallene Übernachtungsstätten sind im Trend. Weg vom Trubel, nahe an der Natur, ist eine Formel, die ankommt: etwa bei einer Übernachtung im aufgestylten Leuchtturm über den Wogen des Atlantiks.
- Auch der TCS mit seinem Pop-Up-Glampingdorf in Laax GR hat den Nerv der Zeit getroffen: Schlafen unter freiem Himmel, nahe am Gebimbel der Kühe, angereichert mit einer Prise Luxus.
- So neu ist die Idee nicht, dass sich tourismusfremde Unternehmen aus Marketingüberlegungen in der Hotellerie breitmachen, ob Dolce & Gabbana Hotel oder Legoland Hotel. Nun hat auch Italiens dominierender Fussballclub Juventus an der Hotellerie Gefallen gefunden und lanciert das J Hotel.
- Auf Effizienz ausgerichtet sind die a&o hotels. Neuerdings schafft die Kette Anreize für Gäste, die auf die Zimmerreinigung verzichten.
- Mit dem Prizeotel Bern öffnet in den nächsten Wochen eines der innovativsten Hotels hierzulande mit vielen digitalen Elementen und dem völligen Verzicht auf Papier.
- Verzicht ist auch beim im Frühling eröffneten Kapselhotel in Luzern auszumachen – Verzicht auf viel Raum. Dafür gibts einen tiefen Preis.
- Eine digitale Spielerei hat Graubünden Ferien ins Leben gerufen mit bunanotg.ch. Hier sagt der Gast, wieviel er bezahlen möchte. Auf den Preisvorschlag hin melden sich dann Hotels, die gewillt sind, für diesen Betrag ein Zimmer zur Verfügung zu stellen.
- Angesichts Instagram-Hype und überbordendem Gästeaufkommen war auch diese Entwicklung absehbar: das Bürgenstock Resort hat ein Handyverbot zu gewissen Zeiten am Infinity-Pool ausgesprochen.
Jahresrückblick 2019
Teil 1, Airlines: Die ausufernde Liste gestrauchelter Airlines
Teil 2, Reiseanbieter: Im Schatten der Thomas-Cook-Pleite
Teil 3, Destinationen: Katastrophen, Overtourism und neue Ziele