Hotellerie

Völlig neuer Check-In-Prozess, das Handy als Türschlüssel und viele weitere digitale Features hat Constantin Rehberg für das erste Schweizer prizeotel vorgesehen. Bild: HO

«In Bern eröffnen wir ein komplett papierloses Hotel»

Gregor Waser

Im alten Postgebäude in Bern entsteht anfangs 2020 mit dem ersten Schweizer prizeotel ein sehr innovatives Hotelprojekt. Constantin Rehberg, seit zwei Jahren Chief Digital Officer bei prizeotel, verrät die Neuerungen und digitalen Abläufe.

Herr Rehberg, im März 2020 eröffnet prizeotel in Bern das erste Haus in der Schweiz. Was darf der Gast bei einer Übernachtung bei Ihnen erwarten?

Constantin Rehberg: Viel Farbe, runde Formen und ganz sicher ein Gefühl, das aus dem eigenen Alltag so nicht bekannt ist. Gemeinsam mit unserem New-Yorker Designer Karim Rashid möchten wir eine Erlebniswelt schaffen, die bestehende Muster aufbricht und auf diese Weise als besondere Erinnerung im Gedächtnis bleibt. Darüber hinaus differenzieren wir uns sehr stark über die Teammitglieder in den Hotels vor Ort, die eine grosse Entscheidungsfreiheit geniessen und auf diese Weise ebenfalls ein besonderes Erlebnis schaffen können. So stellen wir beispielsweise steife Umgangsformen ganz bewusst in Frage, sind dabei aber natürlich dennoch ein ernstzunehmendes Hotel mit Annehmlichkeiten wie einer Regendusche, einem hervorragenden W-LAN und einem besonders reichhaltigen Frühstücksbuffett.

Seit fast zwei Jahren sind Sie Chief Digital Officer bei prizeotel. Um welchen Aufgabenbereich kümmert sich ein CDO?

Das wüsste ich selbst manchmal ganz gerne (lacht). Mein Tagesablauf ist bewusst nicht stringent durchstrukturiert, um flexibel auf verschiedene Situationen reagieren zu können und schnell Lösungen zu finden. So versuche ich auch ganz gezielt, nicht mehr als zwei fix geplante Meetings am Tag zu haben und möglichst wenig E-Mails zu schreiben. Da wir uns bei prizeotel als Netzwerkorganisation verstehen, gibt es auch keine fest abgegrenzten Aufgabenbereiche oder Zuständigkeiten. Ich verstehe mich allerdings als Ansprechpartner für alle Themen rund um Digitales, die Marke prizeotel und unsere Online-Aktivitäten. Sofern sich im Arbeitsalltag dann neue Herausforderungen oder Projekte ergeben, stellen wir kleine Arbeitsgruppen – wir nennen sie «squads» – zusammen, welche dann zielgerichtet an den Themen arbeiten und Lösungen umsetzen und prizeotel damit kontinuierlich verbessern. Dabei bin ich selbst oftmals gar nicht konkret involviert.

«Eingehende Briefpost wird vollautomatisch geöffnet, gescannt und verarbeitet»

Über welche digitalen Innovationen verfügen Ihre vier bisherigen prizeotels für Gäste?

prizeotel war einst die erste Hotelkette, welche den völlig digitalen Check-in via App ermöglichte, wobei das Handy dann als Türschlüssel fungiert. Da das Smartphone für unsere Zielgruppe generell einen sehr hohen Stellenwert besitzt, verfügen unsere Zimmern daher auch über Indiktionslademöglichkeiten sowie jeweils ein Apple-TV. Natürlich müssen wir als Economy-Produkt sehr genau schauen, welche Investitionen am Ende keine reine Spielerei sind oder nicht mit dem Datenschutz vereinbar sind. Denn Digitalisierung darf nicht zum Selbstzweck werden oder sich negativ auf das Preis-Leistungsgefüge auswirken. Hier sind wir oft skeptischer, als man es von aussen vermuten würde.

Welche weitere digitalen Neuerungen kommen auf prizeotel-Gäste zu?

Ich kann an dieser Stelle natürlich nicht alles verraten – aber wir haben einige spannende Entwicklungen im Labor. So werden wir in der aktuellen Hausgeneration erstmals alle Zimmer mit Smart-TV´s ausstatten, einen völlig neuen Check-In Prozess einführen und auch erstmals eine Rooftop-Bar betreiben, die einige spannende Neuerungen bereithält. Die vielleicht aufregendste und für uns herausforderndste Neuerung wird allerdings sein, mit Bern ein komplett papierloses Hotel zu eröffnen.

(Wie lebhaft und farbig sich ein prizeotel-Aufenthalt gestaltet, zeigen diese Bilder der von Designer Karim Rashid geprägten Zimmer und weiteren Räume:)

Wo hilft Ihnen die Digitalisierung bei den internen Abläufen?

Wir achten sehr stark darauf, ob es immer wiederkehrende Abläufe gibt, welche sich automatisieren oder auf ein digitales Medium übertragen lassen – das hilft uns bei der Zentralisierung und reduziert Fehlerquellen. Im Kern geht es uns aber immer darum, den Komfort für den Gast zu verbessern – Convenience für den Gast ist dabei immer das entscheidende Kriterium. So haben wir beispielswiese eine eigene Frühstücksapp entwickelt, welche auf iPads läuft. Dies hat den Vorteil, dass wir keine Papierlisten mehr drucken müssen und der Ablauf beim Frühstück dadurch viel flüssiger und komfortabler ist.

Ein weiteres Projekt, welches wir kürzlich umgesetzt haben, ist die Digitalisierung der internen Checklisten. Jeder Kontrollpunkt innerhalb des Hauses hat nun einen eigenen NFC-Tag, sodass die Erfassung der Rundgänge völlig digital abläuft. Auch die Prüfung von Wareneingängen, HACCP oder Reinigungslisten wickeln wir über dieses System ab, was letztendlich auch die Archivierung und Nachvollziehbarkeit deutlich verbessert. Zumal wir auch hier auf den Druck von Papierlisten verzichten können. Ein weiteres Beispiel ist unsere völlig digitale und stark automatisierte Buchhaltung. Eingehende Briefpost wird vollautomatisch geöffnet, gescannt und so verarbeitet, dass sie direkt bei dem richtigen Kollegen im digitalen Posteingang landet. Dadurch können wir Gastanfragen, etwa im Hinblick auf die Rechnungen, sehr schnell bearbeiten.

«Der multifunktionale Frühstücksraum ist bei uns tagsüber eine Coworking Location»

Auf welche Kanäle und Online-Werbeformen setzen Sie in der digitalen Vermarktung?

Wir verfolgen eine sehr disziplinierte Distributionsstrategie und arbeiten daher nur mit wenigen Partnern in der Vermarktung zusammen. Vertriebspartner, welche Zimmer in erster Linie über den Preis absetzen, finden darin beispielsweise keinen Platz. Daher konzentrieren wir uns sehr stark auf performanceorientierte Online-Werbung über Google, Bing und Meta-Portale wie Trivago – wobei Google hierbei den grössten Teil einnimmt. Die Preisentwicklung der Google Ads sehe ich auf der einen Seite zwar sehr kritisch, auf der anderen Seite muss man aber auch ganz klar sagen, dass es derzeit noch einen Kostenvorteil gegenüber den meisten OTAs gibt – ein professionelles Management der Anzeigen vorausgesetzt.

Hier gibt es also durchaus noch Wettbewerbsvorteile, die sicher auch noch eine ganze Weile bestehen bleiben werden. Eminent wichtig ist hierbei meines Erachtens aber immer der Aufbau einer starken Marke, um möglichst unabhängig zu bleiben und um gut und langfristig auf weitere Preissteigerungen im Bereich der Google Ads reagieren zu können. Auch Kanäle wie Facebook, Instagram und Youtube nehmen eine immer grössere Bedeutung ein – da wir hier deutlich besser als über Google reine Markenwerbung betreiben können, was uns zunehmend auch zu internationaler Bekanntheit verhilft.

Ihre Häuser sind insbesondere für Digital Natives interessant. Wie erreichen Sie diese?

Der grösste und wichtigste Marketinghebel sind für uns die Teammitglieder in den Hotels. Da wir sehr stark auf nachhaltige Kundenbeziehungen ausgerichtet sind, spielt der Aufenthalt eine zentrale Rolle. An diesem Punkt gibt es zunächst keine Unterscheidung bei den Zielgruppen. Darüber hinaus verstehen wir uns selbst ebenfalls als eine Art digital native Company, so liegt das Durchschnittsalter all unser Teammitglieder beispielsweise bei Mitte 20 – Führungskräfte eingerechnet. In der Praxis sind wir daher beispielsweise nur online buchbar, schalten generell nur online Werbung und kommunizieren viel über Social-Media.

Eine sehr grosse Rolle spielt auch schon die bauliche Situation, welche stark auf die Bedürfnisse der Zielgruppe zugeschnitten ist, um etwa Aufzüge instagrammable zu machen oder einen multifunktionalen Frühstücksraum zu schaffen, welcher tagsüber als Coworking Location dient. Ein absolutes Highlight in diesem Zusammenhang ist auch unsere Kooperation mit den Online Marketing Rockstars aus Hamburg, die ein echter Meilenstein sein wird und demnächst im Detail von uns bekannt gegeben wird.