Hotellerie

Anja Graf gründete 1999 im Alter von 21 Jahren Visionapartments. Heute verfügt das Unternehmen über 27 Apartmenthäuser und 220 Mitarbeitende. Bilder: HO

«Die Aufenthaltsdauer pro Gast hat sich deutlich verringert»

Gregor Waser

Visionapartments-Gründerin Anja Graf über die Trends bei Serviced Apartments, den wachsenden Anteil Touristen und die Lancierung eines eigenen Property Management Systems.

Frau Graf, wie hat sich Ihre Firma Visionapartments jüngst entwickelt?

Anja Graf: Wir verzeichnen ein sehr gutes Jahr und liegen nach acht Monaten auf Rekordkurs, obwohl sich einige Rahmenbedingungen geändert haben, wie etwa die Aufenthaltsdauer pro Gast, die hat sich in den letzten zwei Jahren verringert. Einen verstärkten Fokus haben wir auf die IT gelegt. Wir haben mittlerweile ein eigenes Property Management System entwickelt und gelauncht.

Eine eigene Lösung? Haben denn bestehende Software-Lösungen zu wenig geboten?

Zum einen das. Zudem haben wir bei Visionapartments viele Prozesse selber entwickelt. Und diese mit einem bestehenden Programm abzubilden, ist schwierig. Das würde in verschiedenen Systemen und vielen Listen enden. Nun haben wir ein integriertes, eigenes System gebaut, das auf uns passt. Zentral für uns sind etwa die Zutrittssysteme. Sobald der Kunde bezahlt hat, kriegt er automatisiert den Zugangs-Code zum gebuchten Apartment auf sein Smartphone und er kann dann das Self-Check-in vornehmen. Das System registriert dann, ob die Türe wirklich aufgegangen ist. Wenn der Kunde zehn Nächte gebucht hat, läuft der Code automatisch nach dieser Zeit ab. Weiter wartet unser neues System mit einer Tablet-Application für das Reinigungspersonal auf. Darauf sieht man, ob, wann und wie lange geputzt wurde. Neu arbeiten alle mit dem gleichen System und es erlaubt uns, viele Prozesse effizient abzuwickeln.

Haben Sie die Software mit der Idee entwickelt, diese auch weiterzuverkaufen?

Ja, durchaus. Wobei das System sehr komplex ist und wir es zunächst im Detail erproben wollen und allfällige Bugs eliminieren wollen. Bis Ende Jahr sollte alles stabil laufen. Gegen Mitte 2020 dürften die Software und die einzelnen Module bereit sein, um sie Erstkunden anzubieten.

Welche Standorte hat Visionapartments neu aufgenommen?

Nach Zürich, Lausanne, Vevey und Zug verfügen wir in der Schweiz jetzt auch über eigene Objekte in Basel, Luzern und Lugano. Bei den Standorten im Ausland kam neben Berlin, Frankfurt, Mallorca, Wien und Warschau nun auch Bukarest hinzu.

«Wir sind dran, einen weltweiten Marketplace aufzubauen»

Sind weitere eigene Apartment-Häuser geplant?

Vorerst nicht. Wir konzentrieren uns bei weiteren Ländern lieber auf unser Agentur-Business. Total können wir so dank unseren Partnern weltweit Apartments in 850 Städten anbieten. Eigene Häuser zu haben oder solche zunächst umzubauen, ist aufwendig und in gewissen Ländern, etwa in Italien, wegen der Mentalität oder Gesetzgebung auch nicht immer ganz einfach. Entsprechend sind wir froh um unser Agentur-Business. Nicht nur wir bieten Objekte unserer Partner an, sondern sie auch unsere Objekte. Das läuft gut. Nun arbeiten wir noch an einem neuen Projekt.

Wie sieht das aus?

Wir sind dran, einen weltweiten Marketplace aufzubauen. Wobei ich da vorwegnehmen muss: dieser ist weder für Kunden noch Firmen oder Agenturen gedacht. Hier geht es darum, dass wir uns mit den fünf grössten Apartment-Vermietern der Welt zusammenschliessen – alles solche, die über eigene Objekte verfügen. Wir planen, alle unsere Objekte auf diese Serviced Apartment Plattform zu stellen. Und so können alle Beteiligten die Objekte ihrer Partner anbieten. Das ist also ein rein technischer Marketplace, auf dem keine Kommissionen anfallen. Wir sind alle online angebunden mit allen benötigten Schnittstellen. In einem zweiten Schritt überlegen wir uns, unseren Global Clients den Zugang zur Plattform als Goodie zu geben.

«Wir haben ein cooles Preis-/Leistungsverhältnis. Es funktioniert alles, die Apartments sind sehr modern eingerichtet und tipptopp gereinigt», sagt Anja Graf.

Wir ist der Gästemix bei Ihnen heute? Vor einigen Jahren fiel mal die Zahl 80 Prozent Business, 20 Prozent Leisure.

Wir haben intern stets einen Disput über diese Anteile. Ich denke es sind mehr als 20 Prozent Leisure. Dies lässt sich aber nur sehr schwer messen. Einige Firmen sagen, wir nehmen die Objekte auf unsere Liste, die Mitarbeiter können sie buchen, auch privat. Dann erschliesst sich uns unter dem Strich nicht mehr, ob es sich um Privatkunden oder Geschäftsreisende handelt.

Wie attraktiv sind Touristen für Visionapartments?

Das Interesse ist aus unserer Warte da. Wir haben seit einiger Zeit einen Channel-Manager, mit dem Tool können wir über Plattformen wie Booking oder HRS unsere Lücken füllen. Das ist zwar nicht unser Hauptfokus, denn bei Booking.com fallen für uns 17 Prozent Kommission an. Aber als Füller sind diese Buchungen durchaus willkommen. Was erschwerend ist: es ist ja nicht nur die hohe Kommission, bei Kurzaufenthalten steigert sich unser Reinigungsaufwand oder es gehen häufiger Utensilien kaputt.

«Es gibt heute enorm viele Angebote und online eine viel grössere Transparenz»

Sie haben eingangs die verkürzte Aufenthaltsdauer Ihrer Gäste erwähnt. Wie lange bleiben diese noch im Durchschnitt?

Hier hat sich unsere Industrie markant verändert. Der Durchschnitt liegt nur noch bei rund 20 Tagen. In den letzten Jahren hat sich die Dauer rapide verringert. Vor zwei Jahren lagen wir noch deutlich über einem Monat.

Auf was ist das zurückzuführen?

Es gibt heute enorm viele Angebote und online eine viel grössere Transparenz. Es ist alles viel schneller buchbar. Sie müssen heute keine Angst mehr haben, kein Serviced Apartment zu finden. Der Vorgang ist einfach und bequem. Früher haben die Firmen mal ein Apartment für drei Monate gebucht und dann intern die Mitarbeiter ausgewechselt und zwischendurch das Apartment mal drei Wochen lang unbesetzt belassen. Dies hat sich verändert. Neuerdings bieten wir neben Monatspreisen, auch Wochen- und Tagespreise an.

Schlägt sich diese Entwicklung negativ auf Ihren Umsatz nieder?

Überraschenderweise nicht. In den ersten acht Monaten des laufenden Jahres befinden wir uns auf Rekordkurs – dank einer guten Auslastung. Ich denke, wir haben frühzeitig auf Marktveränderungen reagiert und uns auf die kürzeren Aufenthalte gut einstellen können, indem wir etwa die Preise für Kurzaufenthalte erhöht haben. Auch mit dem eigenen Property Management System haben wir nun frühzeitig eine Entwicklung vorweggenommen. Wir haben mittlerweile verschiedene Einnahmequellen: die Direktverkäufe unserer Sales-Mitarbeitenden, das Agenturbusiness, das Global Client Business, OTAs, die eigene Webseite mit über 30'000 Klicks im Monat und künftig den angesprochenen Marketplace.

Was macht den Aufenthalt in einem Visionapartments aus?

Ich denke, wir haben ein cooles Preis-/Leistungsverhältnis. Es funktioniert alles, die Apartments sind sehr modern eingerichtet und tipptopp gereinigt, mancherorts kommt noch ein Spa dazu. In Vevey zum Beispiel, wo ich jüngst war, zahlt man keine 2000 Franken im Monat, also gut 60 Franken am Tag in einer top Wohnung.

Bei Ihrem Flagschiff am Zürcher Wolframplatz sind Bauarbeiter tätig. Was haben Sie dort vor?

Im Parterre planen wir einen Extended Living Room für die Mieter, der aber auch Walk-Ins offensteht. Diese können dort reinsitzen mit dem Laptop; es ist ein bedienter Raum, in dem sich der Gast länger aufhalten kann. Dazu haben wir ein neues Produkt entwickelt. Die Idee von «Weck Food» habe ich in Polen entdeckt. Das sind Vollkorn-Crêpes, die man selber zusammenstellen kann. Das Konzept lancieren wir nun im Oktober. Die Idee ist, dass unsere Gäste das frische Essen im Extended Living Room kaufen und konsumieren können oder es hinauf ins Apartment mitnehmen. Wenn die Idee in Zürich gut ankommt, lancieren wir sie auch in weiteren Städten.