Hotellerie

Isabelle (Knoblauch) Schilter vor ihrem eigenen «Al Tirabusòn Countryhouse» im beschaulichen Piemont: Aus der langjährigen Airline-Managerin ist eine Hotel-Managerin geworden. Bilder: zVg

Was macht eigentlich Isabelle Schilter?

Jean-Claude Raemy

Die langjährige Schweizer Air-Canada-Managerin hat ihr privates Hotellerieprojekt im Piemont vollendet. Sie nimmt ab sofort Buchungen für Aufenthalte ab dem 1. September 2019 entgegen. Hier gibt's auch Bilder von ihrem schmucken Gasthaus.

Vor etwas mehr als einem Jahr ging Isabelle Schilter, in der Schweiz eigentlich auch lange unter ihrem früheren verheirateten Namen Isabelle Knoblauch bekannt, nach 28 Jahren bei Air Canada im zarten Alter von 51 Jahren in Frühpension, was dank einem besonderen Vertragspassus möglich war. Untätig blieb sie seitdem jedoch beileibe nicht: Sie hat sich im vergangenen Jahr den Traum eines eigenen Hotels in Italien verwirklicht. Das «Al Tirabusòn Countryhouse» ist nun grösstenteils fertiggestellt und kann ab Ende nächster Woche Gäste empfangen. Es liegt unweit von Asti im Piemont, rund zwei Autostunden ab der Schweizer Grenze bei Como entfernt. Wir haben uns mit Isabelle Schilter über ihr «zweites Leben» in Italien nach der langen Airline-Karriere unterhalten.


Frau Schilter, erklären Sie uns, wie die Idee zum Einstieg in die Hotellerie - und dies im Piemont - nach all den Jahren in der Airline-Branche zustande kam.

Wie so oft entstand die Idee aus einer Laune heraus. Dass es dann das Piemont wurde, war eher Zufall: Das Stück Land, wo nun unser «Al Tirabusòn» steht, wurde uns - mir und meinem Partner Andreas Rubin - angeboten, während wir in den Ferien bei Freunden waren und eigentlich gar nicht daran dachten, hier nach einer Immobilie oder Land zu suchen. Wir haben uns dann aber erkundigt, wie es hier in der Region Monferrato um den Tourismus steht, und haben hier ein sehr grosses Potenzial gesehen.

Wie sieht dieses Potenzial aus?

2017 wurde das Monferrato zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt, der Tourismus steckt aber noch in den Kinderschuhen und es gibt wenige qualitativ hochwertigen Übernachtungsmöglichkeiten. Darüber hinaus haben die lokalen Winzer einen grossen Schritt nach vorne getan, um den als simplen «Vino da Tavola» abgestempelten Barbera zu einem exzellenten DOCG-Wein zu machen, der nun weltweit an Ansehen gewinnt.

Darüber hinaus bietet die Region alles, was das Gourmetherz höher schlagen lässt. Abgesehen vom Wein ist das Piemont bei Kennern auch für seine Küche, den weissen Trüffel, das «Bue Grasso»-Fleisch oder den Grappa bekannt.

Alles in allem waren dies für uns genügend Argumente, den Schritt zu wagen und die 12'000 Quadratmeter Land mit dem abbruchreifen Bauernhaus darauf zu erstehen.

Dass Sie selber halbe Italienerin sind, hat sicher geholfen.

Ja, ich besitze auch die italienische Staatsbürgerschaft, und dass wir beide der Sprache mächtig sind, war sicher das Zünglein an der Waage, es hier zu versuchen. Im Nachhinein ein guter Entscheid, weil es enorm geholfen hat mit der ganzen Administration und dem Bau. Seit «Lex Koller» wäre es uns als Schweizern nämlich gar nicht möglich gewesen, als Privatpersonen so viel Land in Italien zu kaufen.

((nachfolgend einige aktuelle Bild-Impressionen des Al Tirabusòn, von aussen und innen - «leider infolge Regenmangels noch mit wenig Grün rund ums Haus», wie Isabelle Schilter bemerkt))

Wie verlief eigentlich die ganze Projekt- und Bauzeit?

Dazu könnte ich einen Ratgeber in Romanform verfassen! Nebst Überwindung der Bürokratie und dem Desinteresse der lokalen Behörden war die grösste Herausforderung das Finden eines nicht allzu gierigen Bauunternehmens, welches auch im Stande war, unsere Vorstellungen umzusetzen.

Während des Baus war es unentbehrlich, dass wir jeden Tag auf der Baustelle waren. Ohne unsere tägliche Präsenz vor Ort wären wir heute nicht in dem Haus, in dem wir sind. Wir mussten nicht nur die Auflagen der italienischen Bauvorschriften einhalten, sondern auch jene der Unesco, was zuweilen schwierig war, weil die Regeln sich teilweise widersprechen. Wollen zum Beispiel die einen genügend Lichteinfall in jedem Zimmer, so wollen die anderen, dass die Fenster gefälligst so klein und schmal seien wie in alten piemontesischen Bauernhäusern. Da war Geduld und Verhandlungsgeschick gefragt.

Inwiefern kamen Ihnen dabei Ihre Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Zeit als Operations-Chefin bei Air Canada zugute?

Was ich in den letzten Jahren in Punkto Projektplanung und Verhandlungsgeschick anwenden konnte, kam mir auf jeden Fall zugute. Al Tirabusòn zu eröffnen ähnelte in der Projektphase ziemlich einer Eröffnung eines neuen Airports, somit waren meine alten AC-Checklisten eine gute Gedankenstütze. Ich hatte zudem in den letzten rund 10 Jahren bei Air Canada immer wieder in Italien zu tun und kannte die Mentalität bereits. Es war unerlässlich, sich tagtäglich durchzusetzen und sich auf den Standpunkt zu setzen, dass man als Kunde jederzeit ein Vetorecht hat, was hier nicht als gegeben angesehen wird.

Unerlässlich ist auch, wenn man so einen Traum mit seinem Partner verwirklichen will, dass man in der Partnerschaft so gefestigt ist, dass es auch sehr tiefe Tiefs und hohe Hochs aushalten kann, sonst kann der Traum sehr schnell zum Albtraum werden. Wir sind wirklich stolz darauf, dass unsere Beziehung unter dem ganzen Stress nicht gelitten hat, im Gegenteil, «what didn’t kill us made us stronger».

«Wir wollen unseren Gästen einen Aufenthalt vermitteln, der so umweltfreundlich wie möglich ist.»

Was bietet das «Al Tirabusòn» genau? Können Sie das Konzept erklären?

Al Tirabusòn ist mehr als nur ein Guesthouse. Wir möchten unseren Gästen ein Haus bieten, in dem sie sich wohl fühlen, wo sie in einer unkomplizierten Umgebung sich selbst sein können und ein Timeout vom Alltag geniessen dürfen.

Unser Haus wurde nach neusten Standards gebaut und soeben mit dem Energielabel A+++ qualifiziert, was in etwa Minergie in der Schweiz entspricht. Nebst einer Geothermie-Anlage, die sowohl Heizung wie auch Kühlung und Warmwasser produziert, haben wir eine Photovoltaikanlage und Stromspeicherzellen, welche unser ganzes Haus unabhängig von externen Energiequellen machen. Ebenso haben wir viele Materialien des alten Bauernhauses wiederverwendet: Viele der Backsteine sind nun Teil unseres Weinkellers und der Fassade des Hauses, alte Dachziegel befinden sich wieder auf dem Dach und alte Holzbalken und Fensterläden haben ebenfalls dekorative Funktionen erhalten.

In diesem Sinne wollen wir unseren Gästen einen Aufenthalt bieten, der so umweltfreundlich wie möglich ist. Wir verzichten zum Beispiel auf Plastik, wo es geht und es die manchmal haarsträubenden Lebensmittel- und Hygienevorschriften zulassen. Kleines Beispiel gefällig? Zucker muss zwingend in kleinen Sachets abgegeben werden - wehe man wagt es, offenen Zucker in der Dose auf den Tisch zu stellen.

Wie sieht es sonst mit der Kulinarik aus?

Wir offerieren ein Frühstücksbuffet mit vielen selbstgemachten Produkten. Als Bäcker-/Konditor-Tochter wurde es mir ja sozusagen in die Wiege gelegt, zu backen, und mit einer Mutter aus der Emilia-Romagna war Kochen ein Muss. So werden Brote, Torten, Konfitüren, Säfte etc. stets selbstgemacht auf das Frühstücksbuffet kommen.

Wir wünschen uns, dass unsere Gäste sich alle gemeinsam an unseren 4 Meter langen Holztisch in der Küche setzen und miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen.

Was lässt sich zu den Zimmern sagen?

Unsere 8 Zimmer und Suiten haben alle ein Doppelbett und privates Badezimmer mit Dusche/WC. In zwei der Suiten gibt es zusätzlich eine Badewanne mit Aussicht auf die Weinberge im Schlafbereich. Bis auf ein Zimmer verfügen alle über einen Balkon oder einen Gartensitzplatz. Fernseher sind nicht vorhanden, dafür ist Wifi überall gratis benutzbar und iPads/Tablets zur Ausleihe vorhanden. Die Preise bewegen sich je nach Saison und Zimmer zwischen 140 bis 220 Euro pro Nacht/Zimmer.

Der Zimmerpreis ist «all inclusive» - ganz zum Schrecken meiner früheren Airline-Chefs verzichten wir also auf «ancillary fees» - und beinhaltet die Übernachtung mitsamt Kurtaxen und Mehrwertsteuer, das Frühstücksbuffet, alle Getränke aus dem Weinkeller und der Bar (alkoholische wie non-alkoholische). Darüber hinaus steht die Gästeküche allen zur Verfügung, die gerne selber kochen wollen. Nach dem Einkauf auf dem Wochenmarkt frische Pasta mit einer feinen Sauce kochen oder einen «Brasato al Barbera» im Ofen zubereiten? Kein Problem. Wer dabei Hilfe braucht, kann gerne bei mir anklopfen.

Wie sieht es mit Aktivitäten in der Umgebung aus?

Gegen Aufpreis bieten wir «Wine Tastings» mit einem befreundeten Sommelier und auch Kochkurse an. Ebenso kann man bei uns gefüllte Picknickkörbe mit regionalen Spezialitäten bestellen, und es sich so auf einer Weintour gut gehen lassen. In den Rebbergen zu picknicken ist ein tolles Erlebnis. Weiter stellen wir individuelle Touren zu Weingütern, Schlössern und Museen zusammen, inklusive Restaurantbesuchen, Picknicks etc.

Im Monferrato findet dazu jede Woche irgendwo ein Festival statt, seien das traditionelle Feste wie der «Paglio di Asti», das Musikfestival «Collisioni» in Barolo oder «Corse delle Botte» in Nizza Monferrato. Es hat für jeden etwas dabei.

Golfclubs sind im Umkreis von 30 Minuten per Auto erreichbar. Dazu sind viele Städte für Tagesausflüge gut erreichbar. Mit dem Auto kommt man in einer Stunde nach Turin oder Mailand, in 70 Minuten nach Genua; Asti oder Alessandria sind nur eine halbe Stunde entfernt, Alba etwa 40 Minuten. Nizza Monferrato ist nur 3 Autominuten entfernt. Wir haben Touren im Programm, welche per Auto, Velo, E-Bike oder wandernd erreicht werden können. Wir bieten übrigens in Zusammenarbeit mit Anbietern aus Nizza Monferrato Velo-, E-Bike-, Vespa- und Autoverleih an. Ebenso können Gäste ihre Elektroautos bei uns kostenlos aufladen.

«Unsere Zielgruppe sind hauptsächlich Paare und Kleingruppen.»

Für wen ist das Al Tirabusòn geeignet?

Unsere Zielgruppen sind hauptsächlich Paare, LGBT und kleinere Gruppen wie Weinclubs, Velofreunde, Golfer etc.. Unsere Gäste kommen wohl für längere Weekends oder auch für 1-2 Wochen ins Piemont und wollen es sich gut gehen lassen. Familien sind auch willkommen, jedoch haben wir keine Möglichkeiten, Zustellbetten in die Zimmer zu stellen; es müssten für Kinder also separate Zimmer gebucht werden. Für Tiere sind wir nicht eingerichtet.

Und ab wann kann man das neue Hoteljuwel selber erleben?

Wir nehmen Buchungen für Aufenthalte ab dem 1. September 2019 ab sofort via E-Mail info@altirabuson.com oder telefonisch unter +39 340 547 1942 entgegen. Infos gibt es auch auf unserer Website. Später werden wir auf unserer Website übrigens noch eine Booking Engine aufschalten.

Ist eine Zusammenarbeit mit Reiseveranstaltern eigentlich auch ein Thema?

Eine Kooperation mit Veranstaltern, welche spezialisiert sind auf Gourmet-/Sportreisen, fassen wir in nächster Zeit ins Auge. Wir sind nicht abgeneigt, ad-hoc kleine Gruppen zu empfangen, welche via Veranstalter kommen.

Zum Abschluss: Was heisst eigentlich «Tirabusòn»?

Das ist im piemontesischen Dialekt der Begriff für Zapfenzieher. Passt doch, oder?