Hotellerie

Janine Bunte, CEO der Schweizer Jugendherbergen, setzt sich mit der Bewegung discover.swiss aktiv für die digitale Entwicklung des Schweizer Tourismus ein. Bild: TN

«Kommissionen von 15, 18 oder sogar 20 Prozent bedeuten den wirtschaftlichen Ruin»

Gregor Waser

Janine Bunte, seit anfangs Jahr CEO bei den Schweizer Jugendherbergen, äussert sich im Interview zur Zusammenarbeit mit Hotelportalen, über aktuelle Digitalpläne, Neueröffnungen und eine Schliessung, die sie schmerzt.

Frau Bunte, anfangs Jahr wurden Sie vom CFO zum CEO der Schweizer Jugendherbergen ernannt. Wie erleben Sie Ihren neuen Job?

Janine Bunte: Von der Arbeit her hat sich nicht so viel verändert, ich war vorher schon in der Geschäftsleitung und bei einer Vielzahl von Themen involviert. Geändert hat die Verantwortung. Als CFO konzentriert man sich auf die Reportingpflichten und das Aufzeigen, wo der Schuh drückt. Nun liegt die ganze Ergebnisverantwortung bei mir.

Der Verlust bei den Schweizer Jugendherbergen hat sich im letzten Jahr verdoppelt – ja, wo drückt der Schuh?

Wir haben einige Herausforderungen zu meistern. Die Aufhebung des Euromindestkurses im Jahr 2015 löste einen Preiszerfall in der Schweizer Hotellerie aus, auch wir mussten unsere Preise nach unten anpassen. Dies beschäftigt uns heute noch. Parallel dazu konnten wir die Kosten nicht im gleichen Umfang senken.

Wie kommen Sie aus dieser Situation heraus?

Vorerst verzeichnen wir für diesen Sommer schon mal sehr gute Buchungsstände, auch die Durchschnittserträge können wir steigern. Da sind wir auf gutem Weg. Doch dies reicht noch nicht, um das Volumen, das wir aus Europa seit 2015 verloren haben, wettzumachen. Es geht hier um ganz viel Kleinarbeit. Grundsätzlich müssen wir daran arbeiten, ausländische Gäste, dabei vor allem deutsche Gäste zurückzuholen. Schön wäre es, wenn wir vermehrt attraktive Angebote schnüren können, dies auch basierend auf Kooperationen mit Destinationen, etwa beim Skipass. Gute Erfahrungen haben wir bisher mit dem implementierten Dynamic Pricing gemacht. Dies gibt uns die optimale Möglichkeit, auf die Nachfrage zu reagieren. Generell müssen wir aber unsere Effizienz noch steigern, dies betrifft interne Abläufe, vor allem aber den Gästeprozess.

Wo setzen Sie da an? Schaffen Sie die Réception ab?

Nein, unsere persönliche Präsenz und der Austausch mit den Gästen ist weiterhin sehr wichtig. Wir werden noch in diesem Jahr unsere App lancieren und uns digital besser positionieren, etwa den Buchungsablauf verbessern und unsere Sichtbarkeit optimieren. Hier bin ich auch bei Discover.swiss als Gründungsmitglied involviert. Wir streben mit diesem Projekt einen Schweizer Marktplatz mit touristischen Angeboten und Dienstleistungen an. Services werden gesamtheitlich programmiert, so muss nicht jeder einzelne Leistungsträger viel Geld ausgeben, um die digitale Entwicklung voranzutreiben. Jüngst wurde das Projekt von Innotour gutgeheissen.

«Die Sichtbarkeit auf den digitalen Plattformen wird eine Herausforderung»

Welche Überlegungen stecken hinter discover.swiss? Und wie können die Jugendherbergen davon profitieren?

Analog hatten wir die Hoheit über die Kundenbeziehung. In der digitalen Welt haben sich die Vorzeichen geändert. In der Fülle der Angebote auf den digitalen Plattformen wird die Sichtbarkeit eine Herausforderung – wir haben hier auch die Thematik bezahlter Inhalte. Bei Google zuvorderst aufgelistet zu sein, wird immer teurer. Mit Discover.swiss möchten wir eine Serviceplattform schaffen, welche die digitale Zusammenarbeit ermöglicht, so dass sich jeder Beherberger, jede Bergbahn und auch der Kutschenfahrer digital gut positionieren kann und der ausländische oder Schweizer Gast einen digitalen Reisebegleiter hat, wenn er in eine bestimmte Destination reist. So erhält er das Angebot wirklich direkt vom Leistungserbringer. Er wird sein Profil und seine Daten hinterlegen. Aus Gründen des Datenschutzes kann er frei entscheiden, ob er die Daten weitergeben möchte. Wenn ja, kriegt er auf ihn zugeschnittene Angebote. Dies möchten wir gemeinsam aus dem Tourismus für den Tourismus entwickeln, um allen Leistungsträgern zu ermöglichen, die Kundenbeziehung wieder zurückzugewinnen.

Die haben Sie verloren?

Ich nenn mal nur ein Beispiel. Bei der Plattform Booking.com etwa erfahren wir bei den Buchungen nicht einmal das Geschlecht des Gastes. Bei asiatischen Gästen – oder jemandem, der Andrea heisst – haben wir dann Mühe zu entscheiden, in welches 6er-Zimmer die Gäste gebucht werden sollen. Bei Buchungen über Drittplattformen gestaltet es sich oft schwierig, mit dem Gast in Kontakt zu treten. Deswegen streben wir eine verbesserte Kundenbindung an. Wenn wir den Gast schon auf dem Weg zu uns unterstützen können, profitiert auch er. Es geht nicht primär darum, dem Gast Zusatzleistungen zu verkaufen, sondern um ihm ein positives Erlebnis zu bieten, zum Beispiel das elektronische Ausfüllen des Meldescheines und damit die Verkürzung der Wartezeit beim Check-In.

Wollen Sie denn die grossen Plattformen loswerden?

Nein, wir sind auf sie angewiesen, wenn wir sehen, welche Reichweite und welche neuen Gäste uns Booking.com ermöglicht. Wir schätzen auch die intensive Zusammenarbeit und haben einen regen Austausch. Dass Booking eine Preisparität fordert, verstehe ich mit all dem Vermarktungsaufwand, den sie haben. Andererseits muss es definitiv möglich sein, auf der eigenen Plattform günstigere Preise zu offerieren, hier hat man ja auch Investitionen zu tragen. Dass sich bei diesem Thema eine gütliche Einigung abzeichnet, ist zu bezweifeln. Aber es kann nicht sein, dass die Kommissionen ins Unermessliche steigen. 10 oder 12 Prozent Kommission sind ok, aber Kommissionen von 15, 18 oder sogar 20 Prozent bedeuten den wirtschaftlichen Ruin für die Beherberger.

«Leider fällt die Jugendherberge Dachsen beim Rheinfall weg, das tut weh»

Und welche Benefits werden Ihre Gäste künftig haben, wenn Sie die SJH-App benutzen?

In einer ersten Phase geht es um die digitale Mitgliedschaft. Durch diese profitiert man von vielen Mitgliedervorteilen und Vergünstigungen in den Destinationen oder zum Beispiel im Alpamare. Zudem kann man sich einloggen und vereinfacht Reservationen tätigen. Die Informationen zu den Reservationen sind dann direkt in der App ersichtlich. Der Zugang zu Hostelling International, dem weltweiten Netzwerk von rund 3'800 Jugendherbergen, ist ebenfalls über unsere App möglich. Die App wird nun laufend weiterentwickelt.  

Wie entwickeln sich Ihre mittlerweile 51 Jugendherbergen?

In den letzten Jahren konnten wir einige Neubauten realisieren. Auch aktuell beschäftigen wir uns mit neuen Objekten. In Burgdorf entsteht eine Jugendherberge im grandiosen Schloss mit Museum und öffentlichem Restaurant, in Laax folgt ein zweites WellnessHostel.

Das sind dann die Nummern 52 und 53?

Nein, leider fällt die Jugendherberge Dachsen beim Rheinfall weg, was uns weh tut. Der Kanton hat ein Sanierungsprojekt vor sich und sucht einen Gesamtbetreiber für das Schloss. Viel Freude haben wir dagegen am noch jungen Wellnesshostel in Saas-Fee. Auch Bern, das an einem wunderschönen Standort liegt, ist ein Betrieb, der sich gut entwickelt.

Wie entwickeln sich die Gruppenbuchungen?

Wir hoffen bei Gruppen und Schulen künftig noch mehr zu punkten. Ein Kredo von uns lautet: Bildung durch Reisen. Wir möchten jungen Menschen das Reisen ermöglichen. Das war 1924 einer der Hauptgründe, Jugendherbergen zu gründen – Jungen die Möglichkeit zu bieten, das Land und die Kultur eines Landes näher kennenzulernen. Das Schulzimmer zu verlassen, ist wichtig für eine Schulklasse, sei es für das Zusammenschweissen des Klassenverbundes oder für das Live-Erlebnis vor Ort. Entsprechend fördern wir Schulen und sind auch bei der Schneesportinitiative GoSnow engagiert, weil wir finden, dass Schneesport ein Kulturgut ist und zur DNA der Schweiz gehört. Es gibt nichts schöneres, Kinder in die Natur hinauszuschicken oder sie das Kulturgut erleben zu lassen.

Gibt es weitere neue Projekt, die Sie in den nächsten Jahren anpeilen?

Der Umbau von Schaan FL steht noch auf dem Protokoll. Weiter möchten wir in Neuenburg einen Standort etablieren. Ein weiteres Projekt könnte in Genf entstehen, da stehen wir in Abklärungen. In Luzern beim Verkehrshaus müssen wir noch einige baurechtliche Hürden nehmen.

Planen Sie weitere digitalen Innovationen – etwa den Zimmereintritt per Handy?

Wir verfolgen solche Zutrittssysteme, stellen aber kontroverse Gästebedürfnisse fest. Von «unbedingt» bis «lieber mit Karte» hören wir alles. Generell müssen wir bei der Neuausrichtung der Digitalisierung das Ganze so aufbauen, dass wir am Tag X bereit sind für solche Gästewünsche. Neuerungen wie WLAN oder digitale Check-In-Prozesse testen wir zunächst bei unseren Neubauprojekten. Da haben wir die Möglichkeit, ganze Gästeprozesse neu zu durchdenken.

Beim Thema Nachhaltigkeit sind die Schweizer Jugendherbergen führend, was bauliche Massnahmen oder das Heizen betrifft. Sind aktuell weitere Bemühungen im Gang?

Auch in der nachhaltigen Betriebsführung sind wir führend. Alle unsere Betriebe sind mit dem «ibex frairstay» Nachhaltigkeitslabel zertifiziert. Wir sind seit über 10 Jahren Partner von myclimate und Teil von «Cause We Care». Dadurch ermöglichen wir dem Gast die CO2-Kompensation seines Aufenthaltes bei uns. In unseren Betrieben hat der Gast die Möglichkeit kostenlos Wasser zu konsumieren. Und wir fördern Zugreisen innerhalb Europas, unter anderem durch eine Kooperation mit Interrail. Die digitale Rechnungseinlesung steht noch auf dem Traktandum, um den Papierverbrauch zu reduzieren. Doch einige unserer Lieferanten sind noch nicht so weit, wir haben noch den lokalen Bäcker, von dem wir noch handgeschriebene Zettel mit Einzahlungsschein erhalten, hier können wir noch nicht weiter digitalisieren. Aber wir wären parat. Neu haben wir beim internen Wasserverbrauch sämtliche Pet-Flaschen verbannt. Und wir reisen auch selber so gut es geht mit der Bahn, wie neulich bei einer Studienreise nach Berlin. Was wir nicht machen: wir möchten dem Gast kein schlechtes Gewissen machen. Grundsätzlich wäre nur nachhaltig, überhaupt nicht zu reisen. Das wäre aber definitiv ein zu grosser Verlust an Lebensqualität.