Hotellerie

Die Schweizerin Cornelia Hendry Ezzaher (58) ist Hôtelière in Essaouira, Marokko. Bild: Urs Oskar Keller/ProLitteris.

«Essaouira ist sicherer als eine Schweizer Stadt»

Urs Oskar Keller

Seit 23 Jahren lebt die Schweizerin Cornelia Hendry Ezzaher in Marokko, wo sie mit ihrem Mann erfolgreich ein Hotel führt. Sie hat die Entwicklung von Essaouira von einem Hippie-Nest zur Trend-City hautnah miterlebt.

Die Schweizerin Cornelia Hendry Ezzaher lebt seit 23 Jahren lin Marokko. Sie besitzt mit ihrem Mann das Hotel Riad Villa Maroc in der Altstadt von Essaouira am Atlantik. Die Weltkulturerbe-Hafenstadt begrüsste in den 70er-Jahren vor allem Stars und Sternchen - heute ist Essaouira ein wahres Touristenmagnet. In Ihrem Hotel beschäftigt das Ehepaar rund 50 Personen. Zu ihren Gästen gehörten schon Persönlichkeiten wie Paloma Picasso oder der französische Designer Philippe Starck.

Der malerische Fischerhafen von Essaouira lockt viele Touristen an. Bild: Urs Oskar Keller/ProLitteris.

Frau Hendry, wie entwickelte sich der Tourismus in Essaouira und in Marokko?

Cornelia Hendry: Die alte Hafenstadt ist speziell. In den 1970er-Jahren war Essaouira ein Hippie-Nest und Surfer-Paradies frei nach dem Motto «Freedom, love and peace». Neben dem britischen Sänger Cat Stevens war auch der Gitarrist und Sänger Jimi Hendrix 1969 in unserer Stadt. Aber so genau weiss das keiner mehr.

Gab es vor 20 Jahren schon Massentourismus?

Als ich mit meinem Mann Anfang 1996 hierher zog und das «Riad Hotel Villa Maroc» eröffnete, gab es hier kaum Hotels und Tourismus. Telefon, Fax und Handy kamen viel, viel später. Es herrschte ein elitärer Tourismus. Die Klientel stammte vorwiegend aus der Mode- und Filmbranche. Es existiert bis dato kein Massentourismus, da zu wenig Hotelbetten vorhanden sind.

Wie stellt sich die Situation heute dar?

Heute ist die Spitze erreicht. Die Rahmenbedingungen für die Tourismusindustrie sind gut und auch die Einführung neuer Technologien kam im richtigen Moment. Wirtschaftlich bildet der Tourismus die wichtigste Einnahmequelle. Die weltoffene Stadt, wo seit Jahrhunderten Muslime, Christen und Juden zusammenleben, zieht auch heute viele Touristen an. Einst gab es beispielsweise über 30 Synagogen in Privathäusern, heute sind zwei davon wieder für Besucher offen.

Oben rechts ist das Hotel Riad Villa Maroc zu sehen. Bild: Urs Oskar Keller/ProLitteris.

Wie ist die Sicherheitslage in Marokko und in Essaouira?

Seit 20 Jahren gilt Marokko als sicheres Land. Es kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden, so lautet die grundsätzliche und aktuelle Einschätzung des eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten (EDA). Wir sind sehr nahe an Europa und in Essaouira ist es sicherer als in einer Schweizer Stadt. Wird bei uns eine Person polizeilich gesucht, wird sie immer rasch gefunden. Polizei und Geheimdienst arbeiten ausgezeichnet.

«In Marokko kann man etwas aufbauen und Pionierin sein. Ein Leben als Ausländerin im Maghreb-Staat ist einfacher als mit dem gleichen Status in der Schweiz.»

Was ist anders als in der Schweiz?

Mit meinem marokkanischen Mann suchten und fanden wir 1995 in Essaouira eine neue Herausforderung. Ich wurde als Ausländerin rasch akzeptiert und möchte in keinem anderen Ort leben. In Marokko kann man etwas aufbauen und Pionierin sein. Vieles war vor allem in den 1990er-Jahren noch möglich. Ein Leben als Ausländerin im Maghreb-Staat ist einfacher als mit dem gleichen Status in der Schweiz. Ärger kenne ich in Marokko fast nicht. Das Qualitätsbewusstsein fehlte hier anfänglich, nun entwickelt es sich. Ich bin beinahe immer im Hotel und fördere und fordere unser Team. Klar, in der Schweiz sind die Gehälter viel höher, man muss aber auch viel mehr leisten. Wir haben im Hotel zwei- bis dreimal mehr Personal als in der Schweiz. Es ist auch alles etwas gemütlicher in unserer Küstenstadt. Dafür hat unser Personal immer Zeit für ein Lächeln.

Cornelia Hendry Ezzaher mit ihrem Ehemann Abderrahim Ezzaher. Bild: Urs Oskar Keller/ProLitteris.

Wie viele Gäste aus der Schweiz kommen zu Ihnen?

Schweizerinnen und Schweizer bereisen Marokko je länger desto mehr und fühlen sich bei uns gut aufgehoben. Vor allem an Ostern und in den Herbstferien. Sie machen aber nur etwa fünf Prozent unserer Klientel aus. Fünf Prozent der Gäste sind Marokkaner, 90 Prozent stammen aus der ganzen Welt, neuerdings auch aus China. Reiche Marokkaner gehen lieber in internationale Luxushotels im eigenen Land. Da wir diverse Aktivitäten anbieten, bleiben Gäste heute oft eine Woche hier. Unsere durchschnittliche Auslastung liegt bei 60 Prozent.

Essaouira ist nicht wirklich eine Badedestination, oder?

Essaouira gilt als Wind-City. Die Normaltemperatur im Sommer ist um die 25 Grad. Selten, bei Windstille, steigen die Temperaturen ein paar Tage auf 28 bis 30 Grad. Wir besitzen ein sehr ausgewogenes Klima, was besonders englische Touristen anzieht. Wir brauchen auch keine Klimaanlagen in den Zimmern und Räumen. Im Januar sind 18 bis 20 Grad keine Seltenheit. Im August werden wir drei Wochen lang vor allem von Leuten aus Marrakesch überrannt und der Sandstrand ist dann sehr voll. Sehr angenehm ist der Monat Juli. Die Wasserqualität ist ausgezeichnet.

In Essaouira soll es laut dem Internetportal «Tripadvisor» 180 Unterkünfte und 2500 Gästebetten geben – und genauso viele Galerien wie Cafés. Wie wird sich die Stadt entwickeln?

Essaouira bleibt klein und authentisch. Seit 23 Jahren haben die Leute Angst, dass wir vom Massentourismus überschwemmt werden. Doch Essaouira ist immer noch die kleine, wunderschöne und mysteriöse Hafenstadt am Atlantik. Und die «Souiri», die Stadtbewohner, bleiben gastfreundlich, tolerant und offen wie sie es schon immer waren.

Die marokkanische Weltkulturerbe-Hafenstadt Essaouira. Bild: Urs Oskar Keller/ProLitteris.