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Heisse Rhythmen, hohe Nachfrage: Brasilien boomt wie lange nicht
Reto SuterNoch vor anderthalb Jahren schien das Reiseland Brasilien im Tief zu stecken. Auf der Beliebtheitsskala vieler Schweizerinnen und Schweizer in Lateinamerika rangierten andere Länder wie Costa Rica, Kolumbien oder Chile deutlich weiter oben. Und aufstrebende Reiseziele wie Peru rückten Brasilien zunehmend auf die Pelle. Travelnews fragte deshalb: Was ist eigentlich mit dem Reiseland Brasilien los?
Und nun das: In Brasilien purzeln die Tourismusrekorde. Zwischen Januar und September 2025 reisten über 7,09 Millionen internationale Gäste ins Land – ein sattes Plus von 45 Prozent gegenüber dem Vorjahr und ein neuer Höchstwert. Damit hat Brasilien bereits nach neun Monaten mehr Gäste verzeichnet als im gesamten Jahr 2024 (6,77 Millionen), wie das Brasilianische Fremdenverkehrsamt mitteilt.
Doch was bedeutet das für die Schweiz? Spüren auch die hiesigen Lateinamerika-Spezialisten den Aufschwung – oder bleibt Brasilien für Schweizer Reisende trotz globalem Boom eher ein schlafender Riese?
Schweizer Südamerika-Spezialisten frohlocken
Bei der Kuoni-Spezialistenmarke Dorado Latin Tours läuft Brasilien dieses Jahr sehr gut. Die Entwicklung sei hervorragend, sagt Geschäftsführerin Gabriela Stauffer auf Anfrage von Travelnews.
Besonders auffällig sei, dass immer mehr Kundinnen und Kunden nach dem Pantanal fragten – einem Reiseziel, das zunehmend an Beliebtheit gewinne. «Ich schwärme in Kundengesprächen auch immer von Brasilien», gesteht sie. Das Land liege ihr persönlich sehr am Herzen, und sie reise selbst immer wieder mit grosser Begeisterung dorthin.
Auch bei Brasa Reisen zeigt sich ein klarer Aufwärtstrend. «Die Nachfrage ist erfreulich hoch», so Geschäftsführer Reto Kindlimann. «Wir werden bei den Brasilien-Buchungen voraussichtlich rund zehn Prozent über dem Vorjahr abschliessen.»
Noch deutlicher fällt das Wachstum bei Travel Worldwide aus. «Wir verzeichnen derzeit etwa doppelt so viele Anfragen für Brasilien wie in den vergangenen Jahren», berichtet Südamerika-Spezialist Thomas Pesut.
Besonders gefragt seien Kombinationen mit Inlandflügen zwischen verschiedenen Regionen sowie individuelle Besichtigungstouren. «Zudem erhalten wir vermehrt Special-Interest-Anfragen – etwa für den Karneval in Rio.»
Brasilien bleibt ein Land der Zyklen
Als mögliche Gründe für den neuen Brasilien-Boom nennt Thomas Pesut von Travel Worldwide mehrere Faktoren. Zum einen habe das Land derzeit ein positives Image. Es gebe keine negativen Schlagzeilen, die potenzielle Reisende abschrecken könnten. Zudem biete Brasilien ideale Bedingungen, um abwechslungsreiche Aktivitäten mit erholsamen Badeferien zu verbinden.
«Viele unserer Kundinnen und Kunden haben zuvor bereits Länder wie Costa Rica, Argentinien oder Chile bereist – und suchen nun nach einer ähnlich vielfältigen, aber neuen Erfahrung in Lateinamerika.»
Reto Kindlimann, einer der profiliertesten Brasilien-Kenner in der Schweizer Reisebranche, tut sich schwer damit, eine Erklärung für den spürbaren Aufschwung zu finden. Gleichzeitig freut er sich, dass Brasa Reisen stark vom Boom profitiert. «Unser Team ist seit Jahren eingespielt, wir sind bei Google sehr gut sichtbar – auch dank gezielter Werbung – und können auf zahlreiche positive Erfahrungsberichte zählen» , erklärt der Geschäftsführer von Brasa Reisen.
Gabriela Stauffer von Dorado Latin Tours ist vom plötzlichen Hype nach schwierigeren Jahren nicht überrascht. Das Auf und Ab bei den Touristenzahlen in Brasilien habe schon fast Tradition, sagt sie und erinnert daran, dass Brasilien in der Geschichte des Charterflugverkehrs ab der Schweiz immer wieder eine Rolle gespielt habe.
«Früher gab es Charterflüge nach Fortaleza, Salvador und Recife», so Stauffer. Doch diese Verbindungen seien meist nur von kurzer Dauer gewesen. Oft sei man eine Saison lang geflogen, vielleicht noch eine zweite, und dann sei es wieder vorbei gewesen. Kontinuität habe es auf der Strecke zwischen der Schweiz und Brasilien nie gegeben.
Derzeit bedient die Swiss die Strecke Zürich–São Paulo mit einem täglichen Flug. Gleichzeitig hoffen die Schweizer Südamerika-Spezialisten, dass auch die Edelweiss – dank der A350-Flugzeuge, die seit Frühling 2025 schrittweise zur Flotte stossen – bald wieder Verbindungen nach Brasilien ins Programm aufnimmt.