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Als die AUA-Welt einstürzte
Patrick HuberDer 26. September 1960 markiert ein trauriges Ereignis der österreichischen Zivilluftfahrt: beim Anflug auf Moskau stürzte die «Joseph Haydn» unmittelbar vor der Landung auf die russische Hauptstadt ab. Nur 5 der 31 Passagiere und eine Flugbegleiterin überlebten. Alle anderen fanden im Flammeninferno den Tod. Die Ursache konnte nie definitiv ermittelt werden. Immer wieder tauchten Gerüchte über eine Beteiligung des KGBs auf, die jedoch nie erhärtet werden konnten. Viel eher dürften zwei unterschiedlich eingestellte Höhenmesser im Cockpit der Grund für den Absturz gewesen sein.
Der Unfall der Vickers Viscount mit der Registrierung OE-LAF war bis zum Absturz der Lauda Air Boeing «Mozart» (OE-LAV) in Phuket mehr als 30 Jahre später die schwerste Katastrophe in der Geschichte der österreichischen Luftfahrt.
Im Detail rekonstruiert
Präzis hat der Wiener Journalist Patrick Huber den Flug AUA 901 und dessen Hintergründe bis ins kleinste Detail rekonstruiert. Herausgekommen ist ein reich bebildertes 56-seitiges Sachbuch, das sich spannend wie ein Krimi liest. Etliche der 29 Abbildungen wurden zuvor noch nie veröffentlicht.
Bei der Vickers Viscount 779D handelte es sich für damalige Zeit um ein modernes Verkehrsflugzeug für 40 bis 50 Passagiere, das von vier Rolls Royce Dart Turboproptriebwerken angetrieben wurden. Die Austria Airlines (AUA) hatten sechs davon.
Unter den 39 Passagieren befanden sich hohe Staatsbeamte, internationale Militärs und Unternehmer. Dies dürfte auch ein Grund dafür gewesen sein, dass Sabotage als Unglücksursache erwägt wurde. Diese Verschwörungstheorie konnte jedoch nie erhärtet werden.
Bäume gestreift
Nach einem Zwischenhalt in Warschau wurden die beiden Piloten Wilfing und Freisleben sowie der Bordmechaniker Wurzer über die schlechten Wetterverhältnisse in der russischen Hauptstadt informiert. Trotz Regen und Nebel erachtete das Cockpit-Personal eine Landung als möglich.
Dazu muss man wissen, dass die Cockpitinstrumente zur damaligen Zeit nicht so ausgereift waren wie heute. Im völlig analogen Cockpit gab es weder satellitengestützte Navigationshilfen wie GPS, noch präzise ILS-Systeme. Die beiden Piloten konnten lediglich auf zwei Funkfeuer sowie die Unterstützung der Fluglotsen am Boden vertrauen. Die eigentliche Landung musste manuell und nach Sicht durchgeführt werden – eine Herausforderung angesichts der Dunkelheit und der widrigen Wetterbedingungen.
Im Anflug muss einiges schief gelaufen sein. Bei den Ermittlungen kam heraus, dass sich die «Joseph Haydn» nur noch 100 Meter über dem Boden befand, tatsächlich sollte sie sich zu diesem Zeitpunkt aber noch in mindestens 200 Meter Höhe befinden. Bei der Dunkelheit erkannten die Piloten die kritische Situation jedoch nicht.
In einer Höhe von gerade noch 20 Metern streifte die Viscount im Horizontalflug 11 Kilometer vor dem Flughafen die ersten Bäume, die an dieser Stelle 20 bis 25 Meter hoch waren. Dabei riss die Landeklappen der linken Tragfläche ab, worauf das Flugzeug scharf nach links kippte. Rund 300 Meter nach dem ersten Kontakt mit den Bäumen berührte die linke Tragfläche den Boden. Diese wurde abgerissen, der auslaufende Treibstoff entzündete sich sofort in einer gewaltigen Explosion.
Warnsystem wurde später eingeführt
Die Ermittlungen zur Unglücksursache gestalteten sich als äusserst schwierig, war das Flugzeug doch weder mit einem Flugdatenschreiber noch mit einem Stimmenrekorder ausgestattet. Diese Geräte galten erst ab 1965 für alle Flugzeuge als verpflichtend. Als Unfallursache wurde die unterschiedliche Einstellung der beiden Höhenmesser im Cockpit als wahrscheinlichste Variante ermittelt. Dies führte zu einer Fehlinterpretation der anzeigten Flughöhe durch die Piloten.
Ein Bodenannäherungswarnsystem wie es in jedem heutigen Flugzeug eingebaut ist hätte den tragischen Crash mit hoher Wahrscheinlichkeit verhindert. Sie wurde jedoch erst in den 60er-Jahren entwickelt und ab 1975 eingeführt.
Nach Abschluss der Unfalluntersuchungen wurde der grösste Teil der Unglücksmaschine verschrottet. Zahlreiche Stücke wurden jedoch von der AUA nach Österreich transportiert und gelangten im Laufe der Jahre in den Besitz einzelner AUA-Mitarbeiter. Einzelne Teile können heute im Archiv der Interessengemeinschaft Luftfahrt Fischamend besichtigt werden.
Taschenbuch AUA Flug 901 – Katastrophe vor Moskau von Patrick Huber. 56 Seiten. Preis 7,99 Euro (plus Versandkosten). ISBN: Softcover 978-565028-98-6