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Blick von Sizilien rüber aufs Festland: bis in sieben Jahren solle eine 3,7 Kilometer lange Brücke über die Strasse von Messina entstehen. Bild: Adobe Stock

Brücke über die Strasse von Messina könnte Tourismus Schub verleihen

Italien steht vor einem Jahrhundertprojekt: Eine Hängebrücke soll erstmals das Festland direkt mit Sizilien verbinden – und damit nicht nur einen Ingenieurrekord aufstellen, sondern auch den Tourismus im Süden des Landes völlig neu beleben.

Sizilien – Sehnsuchtsziel für Millionen Reisende – könnte in weniger als zehn Jahren so einfach erreichbar sein wie die Amalfiküste oder die Toskana. Mit der geplanten Brücke über die Strasse von Messina, die bei Fertigstellung 2032 die längste Hängebrücke der Welt sein soll, verkürzt sich die Anreise vom Festland deutlich: Autofahrer könnten die Meerenge in rund zehn Minuten überqueren, Züge in wenigen Minuten – statt wie bisher per Fähre rund anderthalb Stunden einplanen zu müssen.

Spontane Wochenendtrips nach Taormina, kulinarische Rundreisen durchs Landesinnere oder Kulturaufenthalte in Palermo wären ohne Flugzeug und ohne lange Fährfahrten möglich. Auch organisierte Rundreisen könnten einfacher Festland- und Inselhighlights kombinieren: vom Ätna über die Barockstädte des Val di Noto bis zu den Stränden Kalabriens – alles ohne logistische Hürden.

Besonders Kreuzfahrten, Mietwagenreisen und Bahnabenteuer könnten profitieren. Verkehrsminister Matteo Salvini betont, dass die zweigleisige Bahntrasse auf der Brücke Fahrzeiten um bis zu zwölf Stunden verkürzen werde. Nachtzüge aus Mailand oder Rom könnten künftig am Morgen direkt in Messina oder Catania ankommen – eine neue Ära für nachhaltigen Tourismus.

Impulse für den Süden

Sizilien und Kalabrien gehören zu den strukturschwächeren Regionen Italiens. Touristische Investitionen bleiben oft hinter den Möglichkeiten zurück – nicht zuletzt wegen der vergleichsweise aufwendigen Anreise. Laut Regierungsprognosen soll die Brücke jährlich hunderttausende zusätzliche Besucher anlocken, Hotels, Restaurants und Kulturstätten beleben und bis zu 120'000 Arbeitsplätze schaffen, direkt und indirekt.

«Das Bauwerk wird ein Beschleuniger für die Entwicklung des Südens sein – wirtschaftlich, kulturell und touristisch», sagte Salvini diese Woche bei der Projektpräsentation. Für die Regierung ist geplante Brücke damit mehr als nur ein technisches Prestigeobjekt: Es soll ein dauerhaftes Tor zu einer Region werden, deren Natur, Geschichte und Küche weltweit einzigartig sind.

Mit einer Mittelspannweite von 3300 Metern wird die Brücke die türkische Çanakkale-1915-Brücke um mehr als einen Kilometer übertreffen. Drei Fahrspuren pro Richtung, zwei Pannenstreifen und zwei Bahngleise sollen den Verkehr aufnehmen – rund um die Uhr, das ganze Jahr.

Der Gedanke einer Verbindung über die Straße von Messina ist alt: Schon im alten Rom gab es Entwürfe, die Insel über provisorische Brücken zu erreichen. Dass der Plan nun realisiert werden soll, gilt vielen als historischer Schritt – und als Signal, dass Süditalien endlich in das Herzstück der europäischen Verkehrsinfrastruktur integriert wird.

Kritik bleibt

Trotz aller Euphorie gibt es Widerstand. Umweltverbände warnen vor Risiken für Zugvögel und vor Eingriffen in sensible Ökosysteme. Auch die Erdbebensicherheit wird von manchen Fachleuten hinterfragt. Die Baukonzerne verweisen dagegen auf seismisch bewährte Konstruktionen aus Japan oder Kalifornien.

Für den Tourismus jedoch könnte das Projekt ein Gamechanger sein: eine Einladung, Sizilien nicht nur als Sommerziel, sondern als ganzjährig erreichbare, kulturell pulsierende Destination zu entdecken.

(TN)