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Eines der beliebtesten Bulgarien-Hotels bei Helvetic Tours: das Sentido Neptun Beach in Varna. Bild: Helvetic Tours

Ferienziel Bulgarien nimmt Fahrt auf

Gregor Waser

Bulgarien bietet mehr, als viele erwarten, sagen Schweizer Reiseexpertinnen und -experten. Was für Badeferien in Bulgarien spricht und welche Punkte für einen grösseren Erfolg noch zu lösen sind, erfahren Sie hier. 

Anfangs der Nuller-Jahre nahm Kuoni 100 Schweizer Reisebüro-Agenten und einige Journalisten mit auf einen Erkundungstrip nach Burgas und Varna am Schwarzen Meer. Eine damals neu aufgelegte Charter-Rotation und ein ausgebautes Hotelangebot sollte Bulgarien zum grossen Durchbruch im Schweizer Markt verhelfen.

Vorne weg schritt der damalige Badeferien-Chef Walter Brüllhardt und pries die günstigen Ferien am Schwarzen Meer an. Es blieb beim Versuch, zum grossen Wurf wurde Bulgarien nicht.

Auch spätere Versuche, Bulgarien im Schweizer Reisemarkt zum Durchbruch zu verhelfen, etwa 2019 von Balkan Holidays, versandeten. Der DDR-Charme der Hotelbauten konnte Schweizer Gäste nicht überzeugen. Während die tiefen Preise bei deutschen Gästen in den letzten Jahren auf grossen Anklang treffen, bleibt Bulgarien bei Schweizerinnen und Schweizern bis heute ein Nischenziel.

Nun kommt aber Bewegung auf. Denn viele Ingredienzen stimmen neuerdings. Im kommenden Jahr dürfte Bulgarien bei Schweizer Feriengästen verstärkt in den Fokus rücken. Travelnews hat mit Hotelplan Group, Kuoni/Helvetic Tours und ITS Coop Travel über Bulgarien gesprochen.

Erweitertes Flugprogramm erwünscht

Victoria Studer, Director Soucing & Contracting bei Hotelplan Group, nahm im Juni am Schwarzen Meer am Event «Erlebe Bulgarien» teil, zusammen mit 130 deutschen Veranstaltern und Reisebüros sowie Vertretern der bulgarischen Tourismuspolitik. Dabei hat sie neben dem Kongressprogramm auch zahlreiche Hotels und die Umgebung besucht – und sie ist sehr angetan von der Destination.

«Mein Eindruck von den Hotels ist sehr positiv, vom einfachen Bed & Breakfast bis zum Highend Boutique Hotel ist die Auswahl gross», sagt Victoria Studer. Auch zahlreiche internationale Ketten wie Melia und Hyatt seien präsent. Zudem habe ihr der lokale Brand Grifid Noa sehr gut gefallen – «ein toller Mix, es wurde sehr viel investiert in den letzten Jahren». Dass nun auch Luxusketten wie Nobu neben Chicago und Ibiza auf Sofia und Varna setzen, sei ein gutes Zeichen.

«Aus Deutschland läuft Bulgarien sehr gut», sagt die Managerin, die für Hotelplan sowie Vtours den Einkauf koordiniert, «im Schweizer Markt hat Bulgarien noch Potenzial.»

Wieso Bulgarien denn bisher noch kein grosser Erfolg in der Schweiz war? Dazu sagt sie: «Für einen grösseren Erfolg ist das Flugprogramm noch zu limitiert». Edelweiss bedient die Strecke Zürich – Varna lediglich im Juli und August zweimal wöchentlich. «Das ist eine sehr kurze Zeit, um ein Programm aufzubauen. Wir benötigen mehr als zwei Monate. Die Destination ist ab Juni bis Mitte Oktober attraktiv.»

Neben dem mittlerweile guten Hotelstandard und der Hoffnung auf ein erweitertes Flugangebot sieht Victoria Studer zwei weitere Gründe für einen künftigen Erfolg Bulgariens im Schweizer Markt: «Die sehr hohen Temperaturen in Kreta, Zypern oder der Südtürkei in der Hochsaison könnten in Zukunft Bulgarien in die Karten spielen.» Dazu erwähnt sie das attraktive Preis-/Leistungsverhältnis, gerade auch im Hinblick auf Destinationen, die tendenziell ein höheres Preisniveau aufweisen wie Mallorca.

Schöne Strände, verbesserter Hotelstandard

Andi Restle, Chef des Direktanbieters ITS Coop Travel, sagt: «Bulgarien spielt bei uns keine grosse Rolle. Nur gerade 0,25 Prozent unseres Umsatzes erzielen wir mit dieser Destination.» Woran es denn fehle? «Wenn Schweizer ans Meer wollen, dann zieht es sie primär südwärts. Zudem ist die Saison relativ kurz». Und weiter stellt Restle fest, dass Bulgarien sich hierzulande nie grosse vermarktet hat.

Als positiv erachtet er die schönen Strände und den verbesserten Hotelstandard. Er nennt als Beispiele die drei Sentido Hotels.

Sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis

«Bulgarien wird bei uns nach wie vor als günstige Badeferienalternative gebucht, bewegt sich aber in einem stabilen Nischensegment», sagt Karin Markwalder, General Managerin von Kuoni und Helvetic Tours. Als sehr gut erachtet sie das Preis-Leistungs-Verhältnis, die langen Sandstrände und familienfreundliche All-Inclusive-Hotels. «Auch kulinarisch und landschaftlich bietet das Land mehr, als viele erwarten. Badeferien am Schwarzen Meer sprechen besonders Familien, preissensitive Paare und Gruppen an.»

Das Landesinnere biete spannende Ausflugsmöglichkeiten: historische Städte wie Plowdiw, orthodoxe Klöster, Wanderrouten in den Rhodopen und zunehmend auch Wein- und Kulturtourismus. Bei der Hotellerie gebe es positive Entwicklungen, aber die Servicequalität variiere teilweise noch stark.

Doch wieso konnte die Destination in den letzten 20 Jahren in der Schweiz nicht stärker vermarktet werden? Dazu sagt Karin Markwalder: «Gründe sind unter anderem die starke Konkurrenz etablierter Destinationen wie Südtürkei, Griechenland oder Spanien. Daneben gibt es nur wenig Destinationsmarketing, es fehlt an Sichtbarkeit.» Weiter verweist sie auf Vorbehalte in Bezug auf Infrastruktur und Qualität. «Es bestehen Direktflüge in der Hauptreisezeit, allerdings mit begrenzter Frequenz. Zudem ist die Badesaison am Schwarzen Meer klimatisch deutlich kürzer als in südlicheren Mittelmeerregionen – was die Nachfrage naturgemäss limitiert.»

Karten werden neu gemischt

Die Chancen, dass Bulgarien spätestens im Jahr 2026 im Schweizer Reisemarkt stärker Fuss fasst, stehen gut. Die Hotellerie konnte qualitativ deutlich zulegen. Preislich hat Bulgarien im Vergleich zu immer teureren Mittelmeer-Destinationen gute Karten. Während Mallorca immer mehr zum Luxusreiseziel avanciert, dürfte das Schwarze Meer gerade bei Familien stärker in den Fokus rücken.

Beim Preisniveau gibt es aber noch ein Fragezeichen. Denn Bulgarien tritt am 1. Januar 2026 dem Euro bei, was zu Preiserhöhungen führen könnte – wie vor zwei Jahren am Beispiel von Kroatien zu sehen war. Ein zweites Fragezeichen: mit dem russischen Angriffskrieg ist das Schwarze Meer regelmässig in den Negativschlagzeilen, wenn auch Varna 700 Kilometer von Odessa entfernt liegt.

Als entscheidend dürfte sich erweisen, wie sich das Flugangebot auf das nächste Jahr hin entwickeln wird. Wird Edelweiss die Saison und Frequenz ausbauen? Nimmt eventuell Chair Bulgarien als neue Destination auf? Der Zeitpunkt dazu wäre gut.

Und das Klima spielt Bulgarien in die Karten: während im südlichen Mittelmeer die grosse Hitze im Juli und August belastend wird, hat Bulgarien mit der Schwarzmeer-Küste, die zudem bis an die Strände hin dichte Vegetation aufweist, weitere Trümpfe, um künftig auch hierzulande stärker zu punkten.