Here & There

Acht Gründe für eine Reise nach Queensland
Christian HaasAustralien ist 185-mal grösser als die Schweiz! Wer da alle Ecken und Highlights in einer einzigen Reise abklappern will, braucht von allem enorm viel: Zeit, Geld, Sitzfleisch. Um Längen besser ist es da, sich auf eine Region, einen Bundesstaat zu fokussieren. Und keiner ist da besser geeignet als Queensland. Warum? Hier kommen acht Gründe.
1. Relaxtes Reisen
Schon der Empfang ist herzlich. Am Flughafen von Brisbane begrüssen einen Zollbeamte mit einem «G‘day», während ihr Hund am Koffer schnüffelt. Pass und (kostenlose) ETA checkt ein Automat. Grimmige Immigrationsbeamte? Gewusel wie in Sydney? Fehlanzeige. Nach Brisbane reist nur ein Bruchteil der internationalen Touristen. Die werden allerorts mit offenen Armen empfangen.
Egal, ob Hotelrezeption, Bar oder Autovermietung: Überall ist der relaxte Lebensstil der Queensländer spürbar, erst recht im ländlichen Raum. Und davon gibt es reichlich, wobei es lang nicht so «leer» ist wie etwa in Westaustralien oder im Northern Territory. Gerade an der Küste liegen zahlreiche nette Klein(st)städte. Auch nett: Hektik und Grant hat der Autor auf mehreren intensiven Reisen so gut wie nie erlebt. Dafür zig mal den Ausspruch «No worries!», dicht gefolgt von «Give it a go» – probier’s aus!
Liegen Optimismus und Lebensfreude an der (wenn auch riesigen) Insellage? An der geringen Kriminalitätsrate? Kurz: Der Exotikfaktor mag nicht so hoch sein wie in Timbuktu, aber eigenständiges Herumreisen geht in kaum einer Region einfacher, auch dank Englisch und einer ähnlichen (Lebens-)Kultur.
Wermutstropfen: Die Anreise ist lang, sehr lang. Zwölf Stunden sind es nach Singapur, der attraktivsten Verbindung, und von dort nochmal acht. Macht 16'000 Kilometer und acht Zeitzonen. Mit Premium Eco und/oder einem längeren Stopover wird die Anreise smarter.
2. Traumstrände, soweit das Auge reicht
Queensland misst knapp 7000 Kilometer Küste, in etwa so viel wie die Türkei oder Italien. Da findet jeder seinen persönlichen Pazifiktraumstrand, sei es der weisse Sand von Whitehaven Beach oder die erstklassigen Wellen an der urbanen Gold Coast.
Oder wie wäre es mit einer Strandautofahrt? Möglich ist diese in Noosa North Shore. Wie auf dem unweit entfernten K’gari (bis 2023 als Fraser Island bekannt) dienen die ungemein langen Sandstrände gar als offizielle Strasse. Und am 40 Kilometer langen Wegesrand findet jeder einen Spot zum Übernachten, Fischen, Baden, Müssiggang.
Stark sind auch die Strände des Eurimbula Nationalparks bei Town of 1770. Diese lassen sich nur per LARC, einem Large Amphibious Resupply Cargo, erreichen. Bitte was? Ein Boot auf Rädern, das mal schwimmt, mal fährt – lustig.
Und noch ein Tipp: Wer auf der autofreien Great Keppel Island in dem Hideaway mit Hippietouch unterkommt, kann jeden Wochentag zwei andere Strände aufsuchen. Das Beste: am nahen Riff mit Schnorchel oder Tauchgerät den Meeresschildkröten und Nemos bunten Fischfreunden «G’Day» sagen.
Wermutstropfen: An manchen Stränden im Norden Queensland sind mitunter Salzwasserkrokodile und Quallen unterwegs. Sicherheitshinweise beachten!
3. Staunen am weltgrössten Riff
Am Great Barrier Reef wiederum, das sich auf 2300 Kilometer (!) Länge in einigem Abstand vom Queensland-Festland entlangzieht, muss man sich wenig Sorgen machen wegen unangenehmer Begegnungen. Im Gegenteil: Hier darf man sich auf eine grossartige Unterwasserwelt (mit allein rund 1500 Fischarten) freuen, wobei uns Tauchguide Lea erklärt hat: «Je nördlicher, desto wärmer das Wasser und desto bunter die Korallen, wo hingegen im Süden die Korallen von Natur aus dunkler sind und dafür mehr Grosstiere wie Wale und Mantas unterwegs sind.»
Klasse ist der Trip nach Lady Musgrave, etwa zwei Katamaranstunden von Bargara entfernt. Da die Insel am Südende des Great Barrier Reefs streng geschützt ist, macht das Boot an einem verankerten Ponton in der Bucht fest. Von dort geht es mit einem Glasbodenboot zu dem baumbewachsenen Naturwunder auf Korallenresten. Vom Ponton aus, der auch für Umwelt- und Schulprogramme genutzt wird, wird dann geschnorchelt und getaucht. Toll: Auch absolute Anfänger dürfen mit Flasche und Intensivbetreuung ein paar Meter in die Tiefe.
Wermutstropfen: Korallenbleiche ist weltweit ein Problem, von dem der Nordteil des Great Barrier Riffs besonders betroffen ist. Zahlreiche Programme versuchen, gegenzusteuern. Für Aufmerksamkeit sorgt auch die im April verliehene höchste globale Umweltauszeichnung, der im Rahmen des Umweltpreises «Champions of the Earth» verliehene «Lifetime Achievement Award».
4. Abenteuer satt
Ein besonderes Erlebnis ist die Übernachtung auf der unbewohnten Miniinsel Lady Musgrave. Möglich macht das ein Zeltplatz mit Kompostklo. Oder wie wäre es mit einer Nacht im Ponton-Untergeschoss mit Blick auf die Rifffische? Mehr Komfort verspricht das Bett an Deck – unterm Sternenzelt.
Eine andere Open-Air-Action bietet das Vertigo in Brisbane, eines von weltweit nur ganz wenigen senkrechten Restaurants. Hier werden Gäste in 17 Meter Höhe an exponierte Tische gesetzt und mit Gurten gesichert. Die Devise lautet: Seele und Beine baumeln lassen, während Kellner vom Hausdach aus mehrere Gänge servieren. Der nächste Leckerbissen für Schwindelfreie wartet flussabwärts mit dem Bridge Climb. Moment, war das nicht in Sydney? Doch, aber eben auch hier. Und mal davon abgesehen, dass sich die Brücken ähneln (sie stammen vom selben Architekten), warten auf der Story Bridge 80 Meter über dem Fluss ebenso spektakuläre Ausblicke. Am eindrucksvollsten sind die früh morgens, wenn die aufgehende Sonne auf die Glasfassaden der nahen Wolkenkratzer strahlt.
Wermutstropfen: Adrenalingeladene Aktivitäten gibt es in Queensland unzählige, wobei – wie überall – wetterbedingt immer etwas dazwischen kommen kann, etwa hoher Wellengang bei Rifftouren.
5. Unterschätzt, aber cool: Brisbane
«Brissi» bietet noch weitere Orte, an denen Hochgefühle aufkommen. Befeuert durch die Entscheidung, dass hier 2032 die Olympischen Spiele stattfinden, tut sich ohnehin enorm viel in der Stadt. So hat erst 2024 «The Star Brisbane» eröffnet – ein Hochhauskomplex samt Outdoor-Bars und Promenade im 23. Stock plus einem Glasboden, durch den Mutige hinunter auf den (Verkehrs-)Fluss und das üppig-grüne Ex-Expo-Gelände gegenüber gucken können.
Wer mit Justin, Chef der preisgekrönten Local Sauce Tours unterwegs ist, lernt noch viele weitere (und lustige) Facetten von Queenslands Haupt- und einziger Millionenstadt kennen: coole Untergrundbars wie das Brew Café, die Art-Déco-Halle des einst vibrierenden Theaters und Strassenkunst ohne Ende: blaue Tiersilhouetten, grosse Murals und an Hauswände aufgeklebte Minitüren.
Wermutstropfen: Nein, Brisbane liegt nicht am Meer. Wer baden oder strandspazieren will, muss also eine kurze Fahrt in Kauf nehmen.
6. Outback trifft Regenwald
Australien wird gern als «roter Kontinent» bezeichnet. Und ja, auch in Queensland gibt es viel Outback inklusive Halbwüsten, abgelegener Farmen und Käffern mit verrückten Events. Doch es ist auch überraschend grün. Das RTL Dschungelcamp, das jährlich im Lamington Nationalpark gedreht wird, suggeriert gar eine grüne Hölle. Selbst wenn dort neben Koalas und Sittichen aller Art – natürlich – auch Spinnen und Schlangen leben, sind wir doch überrascht, wie wenig wir davon bei Wanderungen treffen. Glück? Generell hört man wenig von Unfällen, kaum Warnungen.
«No worries», so die typische Aussie-Aussage, «einfach auf den Wegen bleiben!» Und die sind spektakulär genug, etwa der zum Ausguck auf die aus dem steilen Grün stürzenden Coomera Waterfalls. Im tropischen Norden Queensland wartet mit dem Daintree Rainforest schliesslich der weltälteste Regenwald, der mit seiner üppigen Flora und Fauna sogar als Kulisse für den Film «Avatar» diente.
Kein Wermutstropfen – Naturliebhaber werden einfach nur begeistert sein, wenngleich sie im Südsommer ordentlich schwitzen werden – aufgrund heisser Temperaturen und teils krasser Schwüle.
7. Roadtrips, die den Horizont erweitern
Die Weite, die hohe Anzahl an Campsites, das entspannte Fahren: Queensland ist Wohnmobilland. Diese Reiseform macht Laune, was auch für Self-Drives mit normalen Mietwagen gilt. Und den Linksverkehr haben auch Europäer schnell raus. Die staunen dafür über «nächste Tankstelle in 200 Kilometern»-Schilder – typisch Outback. Dort häufen sich auch Tiersichtungen, von Kängurus (häufig) über Emus und Kasuare bis Wombats (selten). Ein Selbstfahrertipp ist der Great Tropical Drive, der auf 1545 Kilometern Küste, Regenwald und Outback verbindet. 4x4-Fans werden insbesondere am nördlichen Cape York glücklich.
Wermutstropfen: Zu viel im Auto sitzen ist auf Dauer anstrengend. Womöglich lohnt die Überlegung, den Wagen woanders zurückzugeben und dann nach Brisbane zurückzufliegen, etwa von Townsville oder Rockhampton.
8. Spannende First-Nations-Kultur
Wer hat gewusst, dass die Aboriginal- und Torres-Strait-Islander-Kulturen die älteste lebende Kultur der Welt darstellen? In Queensland, wo die First Nations seit über 60'000 Jahren existieren, sind sie stärker als in anderen Teilen Australiens vertreten – zunehmend auch im Tourismus. Beliebt sind kulinarische Bush-Tucker-Touren, bei denen Teilnehmer die indigene Küche, die Zutaten mit jahrtausendealter Tradition wie Wattleseed, Kängurufleisch oder Finger Limes kombiniert, kennenlernen.
In Bundaberg, überregional für Rum und Macadamianüsse bekannt, können sie mit Bec und ihren Mitstreitern der Taribelang Bunda People unterwegs sein. Dabei erfahren sie nicht nur etwas über Bumerangtechniken, essbare Pflanzen, Initiationsriten und das Unrecht, das den First Nations über viele Generationen angetan wurde, sondern auch, dass sich vieles zum Besseren wendet, insbesondere der respektvolle Umgang. «Und Anerkennung ist alles, was wir wollen», findet Bec.
Weitere Informationen
Beste Reisezeit: Für Mai bis Oktober sprechen Temperaturen zwischen 20 und 28 Grad, geringe Luftfeuchtigkeit und kaum Regen.
Anreise: Singapore Airlines bietet Hin- und Rückflüge von Zürich über Singapur nach Brisbane ab 1.070 Franken (Economy).
Einreise: Europäer brauchen neben einem Reisepass ein Visum. Davon gibt es mehrere Arten, meist kommt das kostenlos eVisitor in Frage, das vorab (leicht) ausgefüllt werden kann und in der Regel in kurzer Zeit genehmigt wird.
Infos: Tourism and Events Queensland, www.queensland.com/de
Unterkunftstipps (Preis pro Nacht und zwei Erwachsene, inklusive Frühstück):
- Crystalbrook Vincent Hotel, Brisbane (modernes 5-Sterne-Hotel in zentraler Lage): ab 150 Franken
- Beechmont Estate nahe Lamington NP (luxuriöses Landgut, ideal für Naturfreunde, Topküche): ab 300 Franken
- Wander in the Scenic Rim (Komfortable Selbstversorgerhütten inmitten der Natur): ab 200 Franken
- Turtle Sands bei Bagara (Campsite mit Glampingzelten, neu und sehr umweltbedacht): ab 150 Franken
- High Valley Dawn bei Yeppon (Tiny Houses in toller Natur): ab 95 Franken