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Die ITB China verzeichnete ein Wachstum der Nettoausstellungsfläche um 30 Prozent im Vergleich zu zum Vorjahr. Bild: Urs Wälterlin

Chinesische Reisende streben nach Freiheit

Urs Wälterlin

Die führende Tourismusmesse ITB China 2025 hat ihre bislang umfassendste Ausgabe erfolgreich abgeschlossen und neue Rekorde aufgestellt. Dies sei ein klares Zeichen für die Erholung des chinesischen Reisemarkts auf internationaler Bühne, sagt der Veranstalter.

«Der chinesische Markt tritt nach Post-Covid in eine neue Phase. Eine Phase des Entdeckens.» Mit diesen Worten fasst David Ruetz, Senior Vice President von Messe Berlin, die jüngst in Shanghai zu Ende gegangene ITB China zusammen. Die weltweit grösste Business-to-Business (B2B)-Veranstaltung mit Fokus China verzeichnete ein Wachstum der Nettoausstellungsfläche um 30  Prozent im Vergleich zum Vorjahr und begrüsste über 700 Aussteller aus 85 Ländern.

Mit mehr als 20'500 Teilnehmenden – ein Anstieg von 35  Prozent im Jahresvergleich – spiegelte die dreitägige Veranstaltung die wachsende globale Nachfrage nach einer Vernetzung mit dem nicht immer einfach zu verstehenden chinesischen Reisemarkt wider.

Von einem ausgedehnten Hosted-Buyer-Programm bis hin zu einem vielseitigen Konferenzprogramm unterstrich die Messe die offensichtliche Dynamik des chinesischen Reisemarktes. Erstmals nahmen 1400 ausgewählte Einkäufer aus allen chinesischen Provinzen teil, sowie aus 19 Ländern. «In über 38'800 Meetings wurden neue Geschäftsbeziehungen geknüpft und Kooperationen auf den Weg gebracht», so ITB China.

Zwischen Umbruch und Aufbruch

«Die ITB China 2025 ist ein Meilenstein – sie vereint eine rekordverdächtige internationale Präsenz mit zukunftsweisenden Erkenntnissen, die die Reisebranche von morgen prägen», so David Axiotis von Messe Berlin China. «Von der Rückkehr des chinesischen Outbound-Tourismus bis hin zu intelligenten, themenbasierten und personalisierten Reiseformen – die Messe hat nicht nur die aktuelle Dynamik widergespiegelt, sondern sie aktiv vorangetrieben.»

Immer mehr Länder sehen ein hohes Potenzial im Markt China. Bild: Urs Wälterlin

Besondere Aufmerksamkeit erhielt Malaysia – als offizielles Partnerland der Messe. Norhayati Zainuddin, stellvertretende Direktorin des Malaysia Tourism Promotion Board, zeigte sich zufrieden: «Da wir dieses Jahr mit einer grösseren Delegation vertreten waren, hatten unsere Vertriebsteams die Möglichkeit, viele Einkäufer aus China und anderen Ländern zu treffen. Die Qualität der Gespräche war hoch, viele Abschlüsse wurden erzielt.»

Der chinesische Reisemarkt ist nicht einfach. Kulturelle Unterschiede, politische Sensitivitäten und zum Teil signifikante Qualitätsunterschiede unter Leistungsträgen gehören zum Alltag. Unbestritten aber ist: In den letzten Jahren hat sich der chinesische Inbound- und Outbound-Reisemarkt grundlegend verändert – und das mehrheitlich zum Guten.

Getrieben durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie, wirtschaftliche Entwicklungen, ein verändertes Konsumverhalten und neue politische Rahmenbedingungen präsentiert sich Chinas Rolle im globalen Tourismus heute in einem neuen Licht – dynamischer, digitaler und diversifizierter denn je.

Von Pauschalferien zur Erlebnisreise

Der Auslandsreiseverkehr (Outbound) chinesischer Touristinnen und Touristen, der während der strengen Null-Covid-Politik nahezu vollständig zum Erliegen gekommen war, erlebt seit 2023 eine Renaissance. Nach Ende der Krise bevorzugten viele Reisende erst mal nahegelegene Destinationen in Südostasien, wie Thailand, Malaysia oder Singapur – Länder, die dank kurzer Flugzeiten, kultureller Nähe und vereinfachter Visa-Verfahren schnell wieder auf den Reiseplänen standen.

Doch inzwischen gewinnt auch das Interesse an Fernreisezielen wie Europa, den USA oder Australien wieder deutlich an Fahrt. Das Niveau von vor 2019 sei jedoch noch nicht erreicht, so Teilnehmer der Messe gegenüber Travelnews.

David Ruetz zeigte sich erfreut über die hohe Zahl von neuen, nicht unbedingt erwarteten Ausstellern an der Fachmesse, die offenbar hohes Potenzial in China sehen. «Marokko zum Beispiel ist hier. Dabei hat das Land pro Woche nur zwei Flüge aus China.» Auch Georgien war zum ersten Mal in Shanghai vertreten. «Die haben auch nur wenige Flugverbindungen, sagen aber, mit ihrem Abenteuer- und Naturangebot seien sie für den chinesischen Markt spannend», so der Manager.

«Chinesen haben wenig Zeit, um zu reisen», sagt David Ruetz, Senior Vice President der Messe Berlin. Bild: Urs Wälterlin

Auffällig ist der Wandel in den Reisegewohnheiten. Insbesondere jüngere Zielgruppen – Millennials und Vertreter der Generation Z – streben nach individueller Freiheit und authentischen Erlebnissen. Klassische Gruppenreisen verlieren an Attraktivität, während massgeschneiderte, themenbezogene Angebote im Bereich Wellness, Kulinarik, Abenteuer und Kultur stark nachgefragt werden.

Gleichzeitig legen chinesische Reisende heute mehr Wert auf Gesundheit, Sicherheit und Flexibilität. Digitale Reiseplanung, soziale Medien wie Xiaohongshu oder Douyin und Online-Reiseplattformen prägen das Informations- und Buchungsverhalten massgeblich. Während in westlichen Märkten die Wirksamkeit der meisten Influencer diskutiert wird, gilt in China ihr Einfluss auf das Buchungsverhalten Reiseinteressierter unbestritten. Die ehemalige Journalistin Xia Xue etwa erreicht über verschiedene Social-Media-Kanäle zwei Millionen vor allem jüngerer Chinesinnen und Chinesen, wie sie im Gespräch mit Travelnews sagte.

Influencerin Xia Xue mit Travelnews-Korrespondent Urs Wälterlin. Bild: Urs Wälterlin

Interessant zu beobachten sei gewesen, «wie sich verschiedene Anbieterländer auf die Bedürfnisse chinesischer Besucher ausrichten», fasst David Ruetz zusammen. «Chinesen kommen generell nicht aus dem Hochsegment», so der Manager, «sondern eher aus der Mitte. Was sie aber alle auszeichnet: Sie haben wenig Zeit, um zu reisen». Brasilien bilde aus diesem Grund chinesische Reiseveranstalter im Rahmen eines WeChat Seminars dazu aus, wie das Reisen in Brasilien möglichst effizient organisiert werden kann. «Beispielsweise wollen Chinesen im Ausland sehr schnell im Hotel einchecken, denn sie wollen keine Zeit verlieren.»

Neue Impulse für Chinas Gäste-Empfang

Während der Outbound-Markt mit wachsendem Tempo zurückkehrt, vollzieht sich die Erholung im Inbound-Tourismus – also der Einreise internationaler Gäste nach China – weitaus langsamer. Erst ab 2023 wurden Quarantänepflichten aufgehoben und internationale Flugverbindungen sukzessive wieder aufgenommen. Um den Rückgang internationaler Ankünfte auszugleichen, setzte China gezielt auf visapolitische Erleichterungen: Für ausgewählte Länder – unter ihnen die Schweiz - wurde eine visafreie Einreise eingeführt.

Zudem wurden Visa-Antragsprozesse gestrafft und der Service an den Flughäfen verbessert. Diese Massnahmen wurden von verschiedenen Besuchern der Messe als absolut entscheidend gewertet, um das Interesse an der Destination China gerade in westlichen Quellmärkten in Bewegung zu halten. Doch es gibt noch viel zu tun, um das Reisen in China zu erleichtern. So wird etwa der Internet-Verkehr zu wichtigen Informations- und Social-Media-Plattformen weiterhin von den Zensoren der kommunistischen Partei verhindert. Selbst der Zugang über die Hintertür eines Virtual Private Networks (VPN) garantiert nicht immer eine Verbindung.

Verschiedene Marketingoffensiven der nationalen und regionalen Tourismusbehörden, die China als sicheres, gastfreundliches und kulturell vielfältiges Reiseziel neu positionieren möchten, haben zum Ziel, weitere Märkte zu erschliessen. Dabei liegt der Fokus verstärkt auf authentischen Erlebnissen abseits der klassischen Touristenpfade – etwa in ländlichen Regionen, bei Unesco-Welterbestätten oder in kulturellen Zentren, die bislang weniger im internationalen Rampenlicht standen.

So waren an der ITB China nebst den Selbstläufer-Destinationen auch mehrere chinesische Provinzen zum ersten Mal vertreten. David Ruetz sagt: «Die Provinz Hubei etwa präsentierte sich mit einem sehr grossen Stand. Sie wirbt sehr selbstbewusst für ihre Attraktionen, etwa am Yangtse-Fluss. Leitspruch ist: China ist nicht einfach China sondern eine Vielzahl von verschiedenen Regionen.» Er sehe in dieser Entwicklung eine «Emanzipierung der Regionen, weg vom zentralisierten Inbound-Tourismusgeschäft».