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Tourismus-Forum der ASEAN-Staaten: 320 internationale Käufer aus 41 Ländern und Quellmärkten in Asien, Europa und Amerika liessen sich die Produkte von 220 Dienstleistungsträgern aus den ASEAN-Ländern Malaysia, Singapur, Thailand, Myanmar, Kambodscha, Laos und den Philippinen zeigen. Bild: Urs Wälterlin

Südostasien nimmt das Abfallproblem in Angriff

Urs Wälterlin, Johor Bahru

Ein romantischer Sonnenuntergang am Traumstrand in Bali - und zwischen den Füssen schwimmt im Wasser Plastikmüll. Solche Erfahrungen von Reisenden sollen nun Geschichte werden, wie einer der führenden Touristiker Südostasiens beim jüngsten Tourismus-Forum der ASEAN-Staaten meinte.

Es war ein Anlass, wie ihn nur traditionelle malaysische Gastfreundschaft bieten kann. Das Eröffnungs-Dinner des jüngsten Tourismus-Forums der Asean-Staaten in der südmalaysischen Stadt Johor Bahru war ein Fest der kulinarischen Genüsse. 2000 Gäste, unter ihnen Vize-Premierminister Seri Fadillah Yusof, erfreuten sich an der Vielfalt der lokalen Küche. An einem dutzend Essenständen wurden so bekannte Gerichte gereicht wie die ur-malaysische Curry Nudelsuppe Laksa und das Nationalgericht, Sate-Spiesse mit Erdnusssauce.

Ein enormer Aufwand für die örtliche Hotellerie und Gastroindustrie – und ein Berg von Abfall. Ein Blick hinter das Convention Centre in der Tiefe der Nacht zeigt, was nicht bei allen Event-Veranstaltern und Hotels in der Region Südostasien die Norm ist. Volle, aber nicht überquellende Abfallcontainer, dazu Tonnen mit Glas und Essensresten in separaten Behältern, hoffentlich auf dem Weg in eine Recycling-Station. Ein gutes Beispiel, eine Auszeichnung für Johor Bahru, aber nicht typisch für die Region Südostasien. Abfall landet noch immer allzu oft am Strassenrand, in Flüssen, im Meer.

Heikles Thema in der Tourismusbranche

«Das Bewusstsein für das Problem Abfall wächst in der Region Südostasien», sagt Eddy Krismeidi Soemawilaga, Präsident der ASEAN Tourism Association (ASEANTA) im Exklusiv-Gespräch mit Travelnews. Die regionale Industrieorganisation, der malaysische Reiseagentenverband und die malaysische Tourismus-Marketingorganisation Tourism Malaysia werteten die jüngste Fachkonferenz in Johor Bahru als grossen Erfolg.

320 internationale Käufer aus 41 Ländern und Quellmärkten in Asien, Europa und Amerika liessen sich die Produkte von 220 Dienstleistungsträgern aus den ASEAN-Ländern Malaysia, Singapur, Thailand, Myanmar, Kambodscha, Laos und den Philippinen zeigen.

Ein vor allem von Vertretern aus westlichen Ländern immer wieder angesprochenes Thema: Abfall und Entsorgung. «Jüngste Bilder in den Medien haben meinem Geschäft nicht geholfen», so eine auf südostasiatische Destinationen spezialisierte Einkäuferin zu Travelnews. Plastikmüll im Meer vor der indonesischen Ferieninsel Bali, so dicht, dass man vor lauter Abfallsäcken, Strohhalmen, Styropor-Bechern und PET-Flaschen kaum noch das Wasser sehen konnte – von Fischen ganz zu schweigen.

Ihren Namen will die Agentin nicht geschrieben sehen, «aus Respekt vor unseren Gastgebern». Aber in Verhandlungen mit ihren Dienstleistern spreche sie das Thema an. Denn ihre Kunden täten dasselbe. «Eine Frau hat mir gesagt, sie würde alle ihre Freunde und Bekannten davor warnen, in Bali Ferien zu machen, so schockiert war sie vom Müllproblem.»

Südostasien an der Spitze der Verschmutzung

Besorgniserregende Aussagen, die offenbar auch in Jakarta Gehör finden. «Unsere neue Umweltministerin hat sich als Ziel gesetzt, mit dem Müllproblem aufzuräumen», so der Indonesier Soemawilaga. Beginnen solle der Kampf gegen die Abfalllawine laut dem Willen der Politikerin Siti Nurbaya Bakar dort, wo sie nur allzu oft ihre Ursprünge hat: in der Hotellerie und Tourismusindustrie. Viele Verursacher der Abfall-Tsunamis sitzen nämlich in den Liegestühlen am Strand oder kippen Margeritas in den Hotelbars: 16 Millionen Besucherinnen und Besucher aus dem Ausland und aus anderen Regionen Indonesiens reisen pro Jahr auf die Ferieninsel Bali.

Plastik-Verschmutzung ist ein monumentales Problem in Südostasien: offener Kanal in Thailand. Bild: Urs Wälterlin

Die Aufgabe ist monumental. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta allein fallen 8607 Tonnen Abfall an – pro Tag. An den Stränden von Kuta und Legian, zwei der wohl beliebtesten Touristenorte auf Bali, werden laute der Webseite Bali.com jedes Jahr bis zu 60 Tonnen Plastikmüll angespült. Die Behörden haben Mühe, mit der Abfallflut fertig zu werden, wie jeder Tourist bestätigen kann, der beim morgendlichen Jogging am Strand einen Zickzacklauf um 50 Colaflaschen und ausgeblichene Badelatschen machen musste. Das Tourismusministerium finanziert zwar regelmässig Strandreinigungen, und seit 2018 gilt in Bali auch ein Verbot von Einweg-Mülltüten. Trotzdem zeigt die Häufigkeit, mit der Plastik an den Stränden angespült wird, wie viel von diesem langlebigen Abfallprodukt sich im Meer befinden muss.

Doch Bali und Indonesien sind damit nicht allein. Südostasien generell hat ein gigantisches Müll- und vor allem Plastikmüllproblem. Plastik ist ein besonders folgenschweres Abfallprodukt, weil es über Jahrhunderte die Umwelt kontaminiert. Mikroplastik findet sich inzwischen fast überall auf dem Globus in den Organismen von Fischen und anderen Meerestieren und findet so auch den Weg in die Nahrungskette des Menschen.

Nach Schätzungen stammen etwa 60 Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen aus nur fünf Ländern – vier davon liegen in Südostasien: Indonesien, die Philippinen, Vietnam und Thailand. Flüsse wie der Mekong oder der Pasig gehören zu den am stärksten verschmutzten der Welt und transportieren grosse Mengen Plastikmüll in die Ozeane. Die Philippinen allein produzieren schätzungsweise 2,7 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr, von denen fast 20 Prozent ins Meer gelangen.

Abfallflut trotz Recycling-Versprechen

Die Art und Weise, wie südostasiatische Nationen mit dem Problem Müll, Plastik und Recycling umgehen, ist von Land zu Land unterschiedlich. Malaysia hat seit 2015 ein vorgeschriebenes Abfallteilungssystem – aber nur in gewissen Territorien. Wiederverwertung wird zwar gefördert und die Rate des Recyclings ist besser geworden. Doch sie ist noch lange nicht so gut wie in Ländern wie der Schweiz und Deutschland.

In touristisch wichtigen Gebieten wie Penang und Langkawi ist die Situation besser, weil die lokalen Behörden den wirtschaftlichen Wert von Sauberkeit erkennen. Verschiedene Hotels und andere Anbieter haben individuell Mülltrennungssystem eingeführt – nicht zuletzt auf Druck ihrer westlichen Kunden und Gäste. Doch noch immer bieten selbst Fünfsternhotels ihren Gästen Haarwaschmittel in Plastik-Einwegpackungen an – nicht selten direkt unter dem Kleber, auf dem man freundlich aufgefordert wird, das Handtuch doch bitte hängen zu lassen, wenn man es nach dem Duschen nochmals verwenden wolle.

Auch in Thailand hapert es mit der Durchsetzung von Vorschriften, obwohl Bangkok schon 2019 landesweit ein Mülltrennungssystem in Kraft gesetzt hatte. Auch in diesem Land ist die Situation in touristisch genutzten Regionen oftmals besser. Trotzdem bleibt die Abgabe von Plastik-Einwegbehältern an Märkten und in Shoppingzentren mehr Norm als Ausnahme. In Kambodscha, bekannt nicht nur für die monumentale Khmer-Tempelanlage Angkor Wat bei Siem Reap, sondern auch für mit verrottendem Abfall gefüllte Bäche, mache gerade die Tourismus- und Hotelindustrie grosse Schritte in Richtung Nachhaltigkeit, behauptet Sam Ath Ouk vom Ministerium für Tourismus.

Die Tourismus-Industrie und Hotellerie sind gefordert: Müllstation vor einem Hotel in Thailand. Bild: Urs Wälterlin

Wie viele Offizielle und Industrievertreter in Südostasien reagiert sie brüskiert, wenn man sie auf die Müllproblematik anspricht. «Wann waren Sie das letzte Mal in Kambodscha?», so die rhetorische Gegenfrage. Viele Hotels würden strikt auf Müllvermeidung und Recycling setzen, so Ouk. Entscheidend dabei sei, bei den Angestellten und allen in der Hotellerie und dem Tourismus beschäftigten ein Umdenken zu erreichen.

Das sei ein Anfang für eine kulturelle Transformation der ganzen Nation, sagt auch ASEANTA-Chef Eddy Krismeidi Soemawilaga. Indonesien will sich bei seinen Bemühungen in der Abfall-Prävention nicht zuletzt auf Kinder konzentrieren. Denn in vielen vor allem ländlichen Gegenden Südostasiens herrscht vor allem unter Erwachsenen noch das Denken, Müll könne problemlos fallen gelassen oder in den nächsten Bach geworfen werden. Es ist ein Denken aus einer Zeit, in der Verpackung in erste Linie aus Bananenblättern bestand – 100 Prozent natürlich, kompostierbar und somit das ultimative umweltfreundliche Einwegprodukt.