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So steht es um das frühere Boomziel Kenia
Gregor WaserNoch bis in die 1990er-Jahre zählte Kenia zu den beliebtesten Ferndestinationen von Schweizer Reisenden. Die Balair flog von Zürich nach Mombasa, Kenya Airways von Zürich nach Nairobi – Diani, Tiwi, Malindi Beach waren damals ein Begriff wie heute Koh Phi Phi. Der African Safari Club (ASC) mit Sitz in Allschwil BL beförderte gegen 60'000 Schweizer im Jahr nach Kenia.
Mitte der 1990er-Jahre brachen die Zahlen ein. Karibik, Mauritius, Malediven und Thailand hiessen nun die favorisierten Ziele für Badeferien im Winter. Gleichzeitig kamen Kenias Hotels in die Jahre und der ASC ging 2009 konkurs. Währenddessen Kenias Nachbarland Tansania mit der gleichen Formel «Safari & Badeferien» auf der Ferienkarte auftauchte und Afrika-Fans bis heute begeistern konnte.
Die letzten 30 Jahre waren für Kenias Tourismusindustrie nicht einfach. Anschläge und Proteste in Nairobi wirkten sich negativ auf das Ferienziel aus. Ab 2016 setzte eine Erholung ein. 2018 und 2019 erreichte Kenia erstmals über zwei Millionen Gäste. Doch mit der Pandemie kam ein erneuter Rückschlag.
Nun bewegen sich die Touristenzahlen in Kenia seit gut zwei Jahren aber wieder nach oben. Reisten 2022 rund zwei Millionen Touristen nach Kenia, waren es im Jahr 2023 dann schon 2,4 Millionen und 2024 dürfte erstmals die Grenze von drei Millionen Gästen überschritten sein, wie John Lekakeny Ololtuaa, der Staatssekretär für Tourismus, letzte Woche in Naivasha festhielt, anlässlisch der offiziellen Vorstellung der Entwicklung der Nationalen Tourismusstrategie 2025-2030.
Das sagen die Schweizer Kenia-Spezialisten
Ist die Trendwende auch im Schweizer Markt spürbar? Wie hat sich das Reiseland zuletzt entwickelt? Travelnews hat mit sechs Reiseveranstaltern über das Kenia-Geschäft gesprochen und sich ein Bild davon gemacht, wie es um das einst so beliebte Ferienziel heute steht.
Der Chef von Let's go Tours, Marcel Gehring, bilanziert das Kenia-Jahr so: «Die Nachfrage hat etwas zugenommen, sie liegt jedoch weiterhin deutlich hinter der Nachfrage nach Tansania zurück.» Claudio Nauli, General Manager von Private Safaris, sagt: «Wir können zufrieden sein mit einer 10-prozentigen Steigerung im vergangenen Jahr».
«Im letzten Jahr gab es eine stabile Nachfrage allerdings nur mit leichtem Anstieg. Steigende Nationalparkgebühren sorgten sicherlich für Zurückhaltung», hält Xenia Graf fest, sie ist Product Manager East Africa bei Dreamtime.
Lisa Nyffeler, Mitgründerin des Afrika-Newcomers Bricks Travels sagt: «Wir konnten ein zufriedenstellendes Buchungsaufkommen für Kenia verzeichnen. Insbesondere das Masai Mara National Reserve und der Amboseli Nationalpark sind sehr gefragt. Auch die Kombination von Kenia- und Ugandareisen war dank dem East African Tourist Visa beliebt, das es ermöglicht, Kenia, Uganda und Ruanda mit einem einzigen Visum zu bereisen.»
Umständliche Flugsituation
«Als ich in der Reisebranche anfing in den 1980er-Jahren war der African Safari Club eine Weltmarke für Kenia. Und eine Kenia-Reise war auch einiges günstiger als heute. Die Situation heute ist schwieriger. Mit ein Grund sind die fehlenden Direktflüge», sagt John Stewardson, Gründer von Africa Design Travel. Was erschwerend dazu komme: «Die meisten Korrespondenten der internationalen Medien sitzen in Nairobi oder Johannesburg. Und was lesen wir heute in den Medien: hauptsächlich schlechte Nachrichten. Dabei wäre Kenia eigentlich politisch ruhig. Klar gibt es zwischendurch mal Unruhen oder Demonstrationen, die betreffen den Tourismus aber nicht.»
«In den 1990er-Jahren war Kenia bereits für seine beeindruckenden Safari-Erlebnisse bekannt, die viele Reisende anzogen», sagt Remo Strub, Product Manager Afrika bei Travelhouse, «zudem boten viele Reiseveranstalter in dieser Zeit eigene Charterflüge an und Kenia war fester Bestandteil ihrer Flugpläne. Andere Länder wie Südafrika, Tansania oder Botswana waren dagegen als Reiseziele noch nicht so bekannt und gut erschlossen. Inzwischen haben Dokumentationen über diese Länder das Interesse jedoch stark gesteigert und sie gehören heute zu den gefragtesten Safarizielen. Zudem setzt das Kenya Tourism Board (KTB) auf Quellmärkte wie die USA und Grossbritannien, die heute gut laufen.» Kenia als abwechslungsreiches Reiseland sei deshalb heute in der Schweiz nicht ganz so stark positioniert.

Claudio Nauli spricht über die unbefriedigende Flugsituation, wenn er den Vergleich zu den Boomjahren der 90er-Jahre zieht: «Es gibt keine exklusiven Garantiecharter mehr, mit denen wir bei Private Safaris wöchentlich 313 Touristen – und dies 52 Mal im Jahr – nach Mombasa befördern. Zudem flogen früher sehr viele Senioren für zwei bis drei Monate im Winter nach Mombasa und genossen dort die warmen Temperaturen. Unterdessen haben andere Badeferienländer – etwa im arabischen Raum – sehr viel in Infrastruktur und Fluglösungen investiert.»
«Die Anreise nach Nairobi erfolgt derzeit meist mit einem Zwischenstopp über arabische Drehkreuze oder Frankfurt», sagt Marcel Gehring. Mittlerweile habe sich die Situation durch die Angebote von Ethiopian und Lufthansa etwas verbessert. «Ein direkter Flug nach Mombasa würde jedoch helfen, die Destination attraktiver zu machen und sie besser verkaufen zu können.»
Nicht zuletzt habe sich das Reiseverhalten verändert, ergänzt Remo Strub: «So sind Selbstfahrerreisen im südlichen Afrika schon lange sehr beliebt, während diese Art des Reisens in Kenia erst langsam an Bedeutung gewinnt. Ich kann diese Art des Reisens wärmstens empfehlen, da sie einen tieferen und persönlicheren Einblick in das Land und seine Bewohnerinnen und Bewohner ermöglicht. Auf einer Selbstfahrertour hat man oft mehr Gelegenheiten, mit Einheimischen in Kontakt zu treten, als auf einer geführten Reise.» Und Strub verweist auf schnelle Zugverbindungen sowie Schnellstrassen.
«Der Rückgang der Touristenzahlen ist wohl auf mehrere Faktoren zurückzuführen», glaubt Xenia Graf und verweist auf politische Instabilität in der Vergangenheit und vor allem zunehmende Konkurrenz durch andere Destinationen wie Tansania, Namibia oder Südafrika.
Teils veraltete Infrastruktur
Naturgemäss hat ein früheres Boomziel, wenn es in späteren Jahren an Investitionen fehlt, mit dem Verfall der Infrastruktur zu kämpfen. Etliche Strandhotels und Lodges in Kenia sind veraltet. Wie beurteilen die Afrika-Spezialisten die Unterkunftssituation?
Dass gewisse grosse Strandhotels und Lodges in die Jahre gekommen sind, bestätigt Marcel Gehring, sagt aber: «Einige Unterkünfte wurden auch renoviert, und in manchen Fällen wurden neue Safari-Lodges gebaut. Die Hotelinfrastruktur ist insgesamt besser, und wir können in allen Unterkunftskategorien qualitativ gute Optionen anbieten.» Auch Claudio Nauli ortet Nacholbedarf und sagt: «Es gibt vereinzelt neue Hotels und Lodges, die investieren, jedoch noch in begrenzter Anzahl. Ich bin aber überzeugt, dass in den nächsten ein bis drei Jahren dort vieles nachgeholt wird.» Und er verweist dabei auf die Corona-Jahre, als keine Investitionen mehr getätigt wurden. Lisa Nyffeler macht Besserung aus: «In den letzten Jahren haben die etablierten Unterkünfte Konkurrenz von neuen, kleineren Boutique Lodges und -Ketten erhalten. Aufgrund dieses Drucks wird jetzt mehr renoviert und modernisiert.»
«Rund um Mombasa und an der Südküste gibt es einige ältere Strandhotels», hält Remo Strub fest. «In den letzten zwei Jahren wurde jedoch wieder verstärkt in diese Region investiert. Insbesondere aufgrund der hohen Nachfrage im Safaritourismus wurden zahlreiche neue Safari Lodges und Camps, vor allem im Luxussegment, eröffnet. So zum Beispiel die luxuriöse Angama Amboseli Safari Lodge mit Blick auf den majestätischen Kilimandscharo oder auch die bald eröffnende &beyond Suyian Lodge im aktivitätsreichen Laikipia Plateau.»
Hoffnung auf einen neuerlichen Boom
«Wenn es gelingt, die Vorteile der Destination klar hervorzuheben und gleichzeitig mit den bestehenden Vorurteilen aufzuräumen», bringt Marcel Gehring eine Bedingung für künftigen Erfolg ein. Xenia Graf findet: «Kenia hat das Potenzial, in den kommenden Jahren verstärkt auf Nachhaltigkeit und Umweltschutz zu fokussieren. Durch den Ausbau nachhaltiger Unterkünfte und die Unterstützung von Community-basierten Projekten könnte das Land für ein breiteres Publikum an Attraktivität gewinnen.»
«Kenia hat ein enormes Potenzial für eine florierende touristische Zukunft, dank seiner einzigartigen natürlichen, kulturellen und historischen Ressourcen», lautet John Stewardsons Meinung. «Dass Kenia Potential hat, zeigen auch die grossen Safariunternehmen mit Investitionen in aufwändige Renovationen und mit dem Bau neuer Lodges.»
Claudio Nauli zeigt sich überzeugt davon, dass Kenia künftig wieder eine stärkere Rolle auf der touristischen Landkarte einnehmen wird. «Kenia ist zusammen mit Tansania das einzige Land, wo man Safaris mit den Big Five und vielen anderen interessanten Tieren und Badeferien machen kann. Eine herrliche Kombination sowie eine Exklusivität, wie es sonst nirgends auf der Welt gibt.»
Nach schwierigen Jahren und Jahrzehnten hegen die Afrika-Spezialisten nun aber einige Erwartungen. «Wir sehen der Entwicklung von Kenia als Reiseziel sehr positiv entgegen. Die politische Stabilität der vergangenen Jahre, sowie die verbesserten Strassenverhältnisse und die Investitionen der Regierung in den Tourismus sind deutlich spürbar», sagt Lisa Nyffeler. Und die 2017 fertiggestellte, knapp sechsstündige Zugverbindung zwischen Nairobi und Mombasa sei sehr attraktiv.
An der Schönheit und den touristischen Möglichkeiten hat es Kenia nie gefehlt. Die Strände am Indischen Ozean sind traumhaft, die faszinierenden Tierbeobachtungen in den Nationalparkas Amboseli, Tsavo oder Masai Mara ebenso. Sollte sich das Image des Reiselandes wie auch die Hotelinfrastruktur künftig weiter verbessern, dürfte Mombasa auch durchaus wieder als Charterziel von Interesse werden – viele Grüsse an die Streckenplaner der Edelweiss, die bald schon mit einer sechsten Langstrecken-Maschine operieren wird und wohl nicht abgeneigt ist, neue respektiv in Vergessenheit geratene Ziele in Betracht zu ziehen. Die Touroperators und viele Afrika-Fans würden sich freuen.