Here & There
Der Nachthimmel tanzt in bunten Farben
Christian HaasUm Polarlichter ranken sich viele Mythen. Ob als Vorboten von Glück oder Unheil, die Himmelslichter haben seit jeher eine magische Ausstrahlung und wurden schon immer verehrt. So besteht in der japanischen Kultur bis heute der Glaube, ein unter Nordlichtern gezeugtes Kind sei mit besonders gutem Aussehen und Verstand sowie Glück gesegnet. Auch viele Chinesen schreiben der Aurora Borealis besondere Kräfte beim Kinderwunsch zu.
Verbreitet ist die Annahme, dass bei einer Empfängnis unter den Nordlichtern das Kind ein Junge wird. So erklärt sich womöglich auch der überdurchschnittlich hohe Anteil ostasiatischer Gäste in Regionen, in denen sich Polarlichter regelmässig und insbesondere zwischen Oktober und April zeigen. Doch auch Europäer, US-Amerikaner und Kanadier sind hingerissen von den mal grün, mal violett, blau, orange und/oder rot leuchtenden Schleiern, die ihre Tänze mitunter nur für kurze Augenblicke, manchmal aber auch über Stunden am nördlichen Nachthimmel aufführen.
Aurora-Packages im Yukon
Für einige stellt die Jagd nach den Polarlichtern gar den Reisegrund Nummer eins dar, etwa nach Yukon, Kanadas nordwestlichste Provinz. Tobias Barth, deutscher Betreiber des südlich von Whitehorse gelegenen Northern Lights Resort & Spa, berichtet von einer ganz gezielten und zunehmenden Nachfrage und bedient diese nicht nur mit eigenen Aurora-Packages und einem zuverlässigen Weckservice (eine Outdoorkamera vermeldet automatisch, wenn sich in der Nacht am Himmel was tut, sondern mit ganz besonderen Hütten.
Die erst kürzlich hinzugekommenen Aurora Glass Chalets ermöglichen Paaren dabei eine extragute Sicht auf den klaren, weil fernab jeglicher Lichtverschmutzung funkelnden Nachthimmel – vom Bett aus. Andere Veranstalter in der Region, etwa um das Goldrauschstädtchen Dawson City noch deutlich weiter im Norden, bieten aufgrund der hervorragenden Bedingungen sogar spezielle Touren zu erhabenen Naturplätzen und mit Geld-Zurück-Garantie bei Nichtsichtung an.
Kalte, wolkenlose Nacht
Dabei erklären die Guides unter anderem, wie Polarlichter eigentlich entstehen, nämlich durch das Auftreffen geladener Teilchen, des sogenannten Sonnenwindes, auf die Erdatmosphäre. Generell gilt: Je näher am Nordpol, desto besser sind die Polarlichter zu sehen, wobei eine aussergewöhnlich hohe Sonnenaktivität im vergangenen und diesem Jahr dafür sorgte, dass das Spektakel auch in südlicheren Breiten, sogar in der Schweiz, zu beobachten war. So oder so spielen die vorherrschenden Wetter- und Lichtverhältnisse eine bedeutende Rolle. Ideale Voraussetzung zur Beobachtung ist eine kalte, wolkenlose Nacht und ein Standort möglichst ausserhalb der Stadt, damit die künstliche Beleuchtung nicht mit den Polarlichtern konkurriert.
Diese Konstellation trifft man eigentlich im gesamten Norden Kanadas vor, etwa in Ontario, Saskatchewan, Manitoba und insbesondere in den Northwest Territories. Zu einem wahren Pilgerort für Nordlichtfans hat sich dort das Aurora Village, etwa 20 Fahrminuten von Yellowknife entfernt, entwickelt. Mit beheizten Sitzen zur Polarlichtbeobachtung, gemütlichen Tipis zum Aufwärmen und keinerlei Lichtverschmutzung ist die naturverbundene, aber komfortable Unterkunft eine einzigartige Attraktion und laut Eigenwerbung der «beliebteste Aurora-Erlebnis-Ort der Welt».
Wobei auch Alaska, grösster und nördlichster US-Bundesstaat, eine einzige riesige Bühne für eine spektakuläre Polarlichter-Show darstellt. Sie treten dort in allen Farben und Variationen auf. Kein Wunder, dass im Winter ein wahrer Northern Lights-Reiseboom entbrannt ist. Sobald man die Lichter der Städte Anchorage und Fairbanks hinter sich lässt, ist der Himmel bereit für das grosse Spektakel, das sich manchmal stundenlang hinziehen kann. Gänsehaut-Alarm!
Praktisch: Die University of Alaska biete eine zuverlässige Polarlichter-Vorhersage an, unter www.gi.alaska.edu/monitors/aurora-forecast. Und im Alyeska Resort am Fusse des bekanntesten Skigebiets Alaskas kann man sich auf Wunsch wecken lassen, sobald Polarlichter zu sehen sind.
Leuchtende Grüntöne
Die «Welthauptstadt der Polarlichter» liegt jedoch in Norwegen. Zumindest nennt sich so, wenn auch etwas vollmundig, die nordnorwegische Stadt Tromsø. Fakt ist: Wenn sich im Herbst das Tageslicht allmählich verabschiedet und es die Sonne irgendwann gar nicht mehr über den Horizont schafft, springt die Aurora Borealis als zuverlässige Lichtquelle ein. Hier nördlich des Polarkreises ist die Polarlichtaktivität tatsächlich sehr hoch, oft ist der Himmel stundenlang von leuchtenden Grüntönen erhellt. Besonders reizvoll sind die Kreuzfahrten mit den Hurtigruten-Schiffen entlang der norwegischen Schärenküste, wenn man sich etwas von der 40'000-Einwohner-Stadt entfernt.
Der wissenschaftlich nachweislich beste Ort, um Polarlichter in ihrer ganzen Intensität zu erleben, liegt hingegen in Schwedisch-Lappland. Konkret handelt es sich, ihrem einzigartigen Mikroklima sei Dank, um die Gegend bei Abisko. Nahe des gleichnamigen Nationalparks gibt es in klaren Polarnächten ein einmaliges Phänomen zu beobachten: Über dem rund 70 Kilometer langen Torneträsk-See tut sich das berühmte «Blaue Loch von Abisko» auf, ein Stück klarer Himmel, auch wenn der Rest des Himmels wolkenverhangen ist.
Mekka für Freunde der Aurora Borealis
Dritter im Skandinavien-Bunde ist Finnland. In Luosto im hohen Norden bekommen Gäste der mit eindrucksvollen Fensterscheiben versehenen Aurora Chalets gleich bei der Ankunft den Aurora Alarm ausgehändigt, der zu beepen beginnt, sobald sich Polarlichter blicken lassen. Für die zuverlässige Funktion sorgt das Northern Lights Research Center, das sich im nahen Ort Sodanklyä befindet und die Voraussage an die Hotels liefert. Auch externe Gäste können davon profitieren und bei guter Prognose ihren Beobachtungsposten etwa in Nellim am Inari See, Finnlands drittgrössten See, beziehen – eine äußerst beliebte Observierungslocation.
Für eine Reise nach Island spricht einiges: Geysire, Vulkane und der Thingvellir-Nationalpark in dem das Auseinanderdriften der amerikanischen und europäischen tektonischen Platten durch imposante Felsspalten und Risse sichtbar wird. Der Nationalpark ist aber auch ein Mekka für Freunde der Aurora Borealis, die hier besonders eindrucksvoll zu beobachten ist.
Darf’s noch exotischer sein? Dann ab nach Grönland oder auf die Färöer Inseln. Die zu Dänemark gehörende kleine Inselgruppe zwischen den Britischen Inseln, Island und Norwegen verzaubert in den langen klaren Winternächten ihre Besucher mit spektakulären Polarlichtern. Die – und das gilt für die Süd- und Ostküste Grönlands ebenso – praktisch nicht vorhandene Luftverschmutzung bietet geradezu ideale Bedingungen für den Lichtzauber.