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In Kanadas Osten sind die Wetterverhältnisse für die Verfärbung der Blätter ideal, die durch das Zusammenspiel von nächtlichem Frost und warmen Sonnentagen entsteht. Alle Bilder: Loren Bedeli, Edelweiss

Auf in den Indian Summer von Nova Scotia

Im Herbst leuchten die Wälder in Nova Scotia in sämtlichen Rot- und Goldtönen. Wir nehmen Sie mit auf eine farbenprächtige Rundreise im Indian Summer.

Gegen Ende des Sommers bricht im Südwesten Kanadas eine fünfte Jahreszeit an: der Indian Summer. Was in der Schweiz der Altweibersommer ist, kann man in Kanada und in den Oststaaten der USA in einem viel intensiveren Ausmass bewundern. Denn hier sind die Wetterverhältnisse für die Verfärbung der Blätter ideal, die durch das Zusammenspiel von nächtlichem Frost und warmen Sonnentagen entsteht. Bis zu sechs Wochen lang können sogenannte Leaf Peepers, wie man die Gäste auf der Suche nach den bunten Blättern in Nova Scotia liebevoll nennt, rot-goldene Wälder bestaunen.

Der Höhepunkt des Indian Summer dauert dabei aber meist nur wenige Tage und findet jedes Jahr zu einem leicht anderen Zeitpunkt statt. Die besten Chancen auf ein besonders buntes Blättermeer hat man in Nova Scotia von Ende September bis Mitte Oktober. Da es auf der Halbinsel am Atlantischen Ozean besonders viele verschiedene Laubbaumarten gibt, erlebt man hier im Herbst ein Farbspektrum, wie es in Europa in dieser Intensität nicht zu finden ist.

Nach unserer Ankunft in der Hauptstadt Halifax fahren wir in Richtung Nordwesten nach Annapolis Valley, wo wir unsere Rundreise starten. Die Region ist eine der landwirtschaftlich reichsten Gegenden und bekannt für Bauernhöfe, Fischerdörfer und Weinberge. Nebst den bunten Bäumen, die die Strassen säumen, gibt es hier im Herbst vor allem kulinarisch einiges zu entdecken: Wer mit einem Mietauto unterwegs ist, wird am Strassenrand immer wieder Schilder sehen, die auf lokale Bauernmärkte oder kleine Hofläden hinweisen.

Da der Herbst unter anderem die Erntezeit für Weintrauben, Kürbisse und Äpfel ist, kann man diese überall kaufen. Wen es nach lokalem Wein dürstet, macht bei einem der Weingüter Halt. Die Region und die Kulturlandschaft Grand Pré zählen heute zu den bekanntesten Weingebieten Kanadas. Das renommierte Weingut Domaine de Grand Pré in der Nähe des Städtchens Wolfville wurde im Jahr 2000 von einem Schweizer Auswanderer gegründet und hat sich schnell einen Namen als Vorreiter in Sachen Qualitätswein gemacht. Das nach wie vor familiengeführte Weingut bietet heute auch ein Restaurant sowie mit dem “The Inn” auch einige Zimmer, falls man gleich vor Ort übernachten möchte.

Die Region und die Kulturlandschaft Grand Pré zählen heute zu den bekanntesten Weingebieten Kanadas.

Landschaftlich lohnt sich an der Nordküste Nova Scotias auch ein Abstecher zur Bay of Fundy, wo man den höchsten Gezeitenunterschied der Welt von bis zu 16 Metern beobachten kann. Zahlreiche Fischerboote liegen deshalb an der Küste täglich mehrere Stunden auf dem Trockenen. Die Nähe zum Meer sorgt dafür, dass fangfrischer Fisch sowie Meeresfrüchte in Neuschottland zahlreich auf den Speisekarten stehen.

Fast immer zu finden: Hummer. An wenigen Orten der Welt findet man so viele Hummer-Gerichte zu so günstigen Preisen. Die Hummer-Fischerei gehört noch heute zu den grössten Industrien der zweitkleinsten Provinz Kanadas. Viele Tiere werden exportiert, sodass sie bei uns als exklusive Mahlzeit auf dem Teller landen. Anders in Nova Scotia: Hummer ist erschwinglich und wird im Ganzen, als Lobster Roll, Lobster Mac and Cheese oder gar als Lobster-Mary-Cocktail serviert.

Farbenmeer im Nationalpark

Während die Küste von Nova Scotia dichter besiedelt ist, finden wir auf unserer Fahrt von der Bay of Fundy quer über die Halbinsel einsame Strassen und weite Wälder vor. Ungefähr in der Mitte der Strecke liegt der Kejimkujik Nationalpark, der im Jahr 2010 aufgrund seiner Lage und der sehr geringen Lichtverschmutzung den Beinamen «Dark Sky Preserve» erhielt. Mehr als 380 Quadratkilometer Natur laden im «Keji» zum Biken, Wandern, Kanu fahren oder Campieren ein.

Wer Natur sucht, ist im Kejimkujik National Park richtig.

Besucher können sich auch auf die Spuren der Mi’kmaq begeben. Die Ureinwohner gehören zu den First Nations in Kanada und haben die Wasserwege des Naturreservats in der Vergangenheit rege genutzt. Während des Indian Summer trifft man aufgrund der kühleren Herbsttemperaturen in der Regel weniger Touristen im Nationalpark an, dafür geniesst man die Wanderwege gesäumt von bunt leuchtenden Bäumen fast für sich alleine.

Erfrischende Surfkultur im Süden

Zurück am Atlantik erkunden wir die Südküste Nova Scotias. Auch hier stehen Abenteuer in der Natur auf dem Plan. Von Golf über Kajakfahren und Biken bis hin zu Wandern kommen Sportfans hier voll auf ihre Kosten. Die schönen Strände locken ausserdem viele Surfer an. Insbesondere auch im Herbst, wenn die Wassertemperaturen für kanadische Verhältnisse noch relativ warm sind und die Hurrikansaison für gute Swells sorgt.

Wir nutzen den gleichnamigen Strand vor dem White Point Beach Resort für erste Surf-Versuche im erfrischenden Atlantik. Wer noch nie auf einem Surfbrett stand, findet in Nova Scotia zahlreiche Surfschulen, die Einsteigerlektionen anbieten. Und obwohl die Surf-Community auf der Halbinsel klein ist, lernen wir schnell, dass sie gut vernetzt ist und neue Surfer gerne willkommen heisst.

Der White Point Beach lockt viele Surfer an.

Wem die Wassertemperaturen um die 10 Grad Celsius trotz Neoprenanzug zu kalt sind, kann sich am White Point Beach auf die zahlreichen Kaninchen freuen, die auf dem Resortgelände herumhoppeln, die warmen Kaminfeuer in den gemütlichen Cabins oder aber spektakuläre Sonnenaufgänge am Strand. Das erste Licht am frühen Morgen lässt übrigens auch die bunten Wälder rund um das Resort in einer einzigartig mystischen Stimmung erstrahlen.

Hier leuchten nicht nur die Bäume

Von Yarmouth im Westen bis nach Halifax im Süden der Halbinsel verläuft die sogenannte «Lighthouse Route». Wie der Name schon verrät, entdeckt man auf dieser Route nicht nur malerische Küstenstreifen und kleine Fischerdörfer, sondern auch über 160 Leuchttürme. Auf unserem Rückweg in Richtung Hauptstadt stoppen wir am meist fotografierten Leuchtturm, der 1915 erbaut wurde: Peggy’s Cove. Der rot-weisse Leuchtturm thront auf weiss-gräulichen Felsen vor dem gleichnamigen Fischerdorf mit rund 650 Einwohnerinnen und Einwohnern. Die bunten Häuschen von Peggy’s Cove stehen zwar in Kanada, erinnern aber eher an einen skandinavischen Baustil und geben ebenfalls ein beliebtes Fotomotiv ab.

Kanadas meist fotografierter Leuchtturm: Peggy’s Cove.

Weiter in Richtung Westen entdecken wir einen weiteren Ort mit roten Häusern, die einen entfernt an Südschweden erinnern. Lunenburg wurde von Auswandern aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich gegründet und zählt seit 1995 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Bei einer geführten “Walking Tour” lässt das Städtchen am besten erkunden.

Maritime Geschichte trifft Hafenromantik

Für die letzten Tage unserer Rundreise verabschieden wir uns von den farbenprächtigen Bäumen, die stets unseren Weg säumten, und begeben uns zurück in die Hauptstadt. Mit knapp 500’000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Halifax recht überschaubar, bietet aber dennoch Grossstadtcharme mit einer Prise Hafenromantik. An letzterem decken wir uns im Seaport Farmers’ Market nochmals mit lokalen Leckerbissen und Souvenirs für die Heimreise ein. Empfehlenswert ist auch ein Spaziergang entlang der Waterfront, wie die Hafenpromenade von Halifax genannt wird.

Wer vom Indian Summer noch nicht genug bekommen konnte, besucht die Halifax Public Gardens. Die viktorianischen Gärten bieten auf knapp sieben Hektar rund 140 verschiedene Baumarten, die im Indian Summer in Rot- und Goldtönen explodieren. Ein perfekter letzter Stopp im leuchtenden Farbenrausch auf unserer Reise durch Nova Scotia.

In Halifax gibt's Grossstadtcharme und Hafenromantik.

(CSC)