Here & There
Strandwunder aus Menschenhand
Christian HaasLiegestühle, Bar, Volleyballnetze und vor allem jede Menge Sand unter den Füssen. Fertig ist das Urlaubssetting! Eines, das sich zunehmend auch in der Grossstadt erleben lässt. Nicht umsonst erfreuen sich Stadtstrände, durch das Bereitstellen weitläufiger Sandflächen ermöglicht, seit Jahren grosser Beliebtheit.
Das gilt indessen nicht nur für deutsche und Schweizer Grossstädte, sondern auch für die Metropolen Paris, London, New York und Mexiko Stadt. Dort sind künstlich aufgeschüttete Sandstrände längst zu regelrechten Kultorten avanciert. Alovera Beach hat da auch das Zeug dazu. Es liegt zwar nicht in der Innenstadt, aber auch nur wenige Kilometer von der spanischen Hauptstadt Madrid entfernt. Kurz: Strandfeeling, rund 350 Kilometer vom Meer entfernt.
Der Mensch hilft nach
Doch auch an den Gestaden der Meere finden sich immer öfter künstliche Strände – eben dort, wo Mutter Natur eher eine steinige, kiesige oder felsige Beschaffenheit vorgesehen hat, Touristiker aber einen idealen Freizeitstandort vorsehen. Und wer sagt, dass sich der Zugang zum Meer nicht verändern liesse?
In etlichen Ländern gehört es heute schon zur Normalität, neue Hotels und andere Bettenburgen nicht unbedingt in Küstenabschnitten mit perfekten Sandbedingungen zu bauen. Frei nach dem Motto: Wo die Natur es nicht so wohlwollend mit den Badefreuden gemeint hat, kann der Mensch ja ein wenig nachhelfen. Und tonnenweise Sand aufschütten, Wellenbrecher installieren, Einstiege ins Wasser erleichtern. Die Infrastruktur an Land – Duschen, Umkleidekabinen, flache Stellen für Liegestühle, Kioske, Bars – stellt da fast das geringste Problem dar.
Playa Flamingo in Lanzarote
Beispiele für gelungene Kunststrände bietet die Kanareninsel Lanzarote. Die in der Touristenhochburg Playa Blanca gelegene Playa Flamingo, ein feinsandiger Küstenabschnitt mitsamt dazugehöriger Bucht, ist vollständig von Menschenhand geschaffen und exklusiv mit bestem Sahara-Sand bestückt worden. Auf beiden Seiten der zugänglich gemachten Badebucht sperren zwei langgezogene Molen, von denen eine begehbar ist, das Becken vom Meer ab. Das hat den positiven Effekt, dass es an der Playa Flamingo praktisch keine Wellen gibt. Angenehm für alle, die ruhige Gewässer schätzen – Familien mit kleineren Kindern zum Beispiel.
Auch die Playa Dorada ist kein «Produkt» von Mutter Erde, sondern eines mit freundlicher Unterstützung der örtlichen Tourismusbranche. Und der Sahara. Denn der goldgelbe Sand, auf einer Länge von mehreren hundert Metern aufgeschüttet, wurde auch hier vom Festland herübergeschifft und grossflächig abgeladen.
Mit Erfolg: Viele bezeichnen die Playa Dorada gar als schönsten Strand der ganzen Insel, die ja durchaus auch etliche natürliche Strandschönheiten, sprich Küstenabschnitte, vorzuweisen hat. Im Übrigen fallen auch die beliebten Strände in Costa Teguise – Playa Bastián, Playa del Jablillo, Playa de las Cucharas, Playa de los Charcos – in die Kategorie Kunststrand. Die «fantastischen Vier» wurden in den 2010er Jahren für eine breite Öffentlichkeit zugänglich und attraktiv gemacht.
San Andrés auf Teneriffa
Auf den Nachbarinseln setzt man ebenfalls auf Sahara-Sand und künstliche Stranderlebnisse. Zum Beispiel auf Teneriffa. Vier Millionen Säcke Sand schüttete die Verwaltung des Fischerorts San Andrés vor rund 50 Jahren auf. Das Ergebnis kann sich noch heute sehen lassen und ist nicht, wie Skeptiker vielleicht vermuten könnten, vom Winde verweht worden.
Nein, der von Palmen gesäumte Bilderbuchstrand Las Teresitas erfreut sich nach wie vor grosser Beliebtheit. Das gilt auch für die Umgebung der Playa Amadores, ein weiteres Strand-Werk aus Menschenhand. Der Kunststrand besteht hier jedoch nicht aus Wüsten-, sondern aus feinem Korallensand, sodass das Wasser an dieser Stelle einen besonderen Türkisschimmer aufweist. Viele wähnen sich bei dieser Kombination gar in der Karibik.
Calheta und Machico auf Madeira
Rund 500 Kilometer nördlich der Kanaren wartet auch die portugiesische Insel Madeira mit künstlichen Stränden auf. In Calheta und Machico sorgt heller Sand aus Marokko für angenehme Gefühle unter den Füssen. Mit diesem afrikanischen Import will man einen natürlichen Mangel an Stränden ausgleichen, da die Insel nur mit sehr wenigen Badezugängen gesegnet und daher eher als Wander-, Blumen- und Rentnerinsel bekannt ist. Mit den beiden Stränden lassen sich auch verstärkt Strandliebhaber und Familien begeistern.
Die weltgrösste Sandversetzungsregion
Die vermutlich weltgrösste Sandversetzungsregion dürfte jedoch Dubai sein. Denn mit ein paar Stränden ist es bei den ambitionierten Landgewinnungsprojekten nicht getan. Die Palmeninsel «The Palm, Jumeirah» ist dabei das am weitesten vorangeschrittene, nämlich bebaute und befahrbare, Projekt von insgesamt drei XXL-Palmen («The World» und «Palm Jebel Ali» scheinen noch vorangetrieben zu werden, «Palm Deira» hingegen ist mittlerweile eingestellt), die vor der Küste in einem riesigen Umfang aufgeschüttet wurden. Für diese Inseln verwendete man mehr als 100 Millionen Kubikmeter Sand und Gestein – nicht zuletzt um hübsche Sandstrände vor den hier befindlichen Hotels und Appartements der Oberklasse zu ermöglichen.
Dubaj in Polen
Von Dubai am Persischen Golf nach Dubaj an der polnischen Ostseeküste, das ziemlich genau zwischen Stettin und Danzig liegt. Mit viel Sand vom Meeresgrund wurde vor sechs Jahren ein Fünf-Hektar-Beach monatelang zum grössten Kunstmeeresstrand in Europa aufgeschüttet. Ferner legten die Strand-Designer fünf riesige Steinarme aus Granit an, die ins Wasser ragen und die Küste schützen sollen. Inzwischen gehört dieser Küstenabschnitt zu den saubersten Badegebieten in Polen.
Zeytouna Beach in Ägypten
Im ägyptischen Retortenort El Gouna prägt schon seit Längerem eine weite Bucht, deren Küstensaum mit türkisfarbenen Lagunen durchzogen ist, die Landschaft. Und der Hausstrand Zeytuna Beach lässt selbst verwöhnte Globetrotter schwärmen. Doch nichts ist hier natürlich. Der Zeytuna-Strand wurde 1996 aufgeschüttet und die Lagunen wurden grösstenteils von Menschenhand erschaffen. Das betrifft freilich auch den vierhundert Meter langen Steg ins Meer, der Zugang zu tieferem Wasser und zu den Korallenriffen ermöglicht.
Boathaven Beach in Australien
Korallenriffe, davon gibt es am australischen Great Barrier Riff trotz teils fortgeschrittener Bleiche noch mehr als genug. Auf einer Länge von rund 2000 Kilometern erstreckt sich das grösste Riff der Welt. Und eines der grössten Sehnsuchtsziele von Fernreisenden. Die freuen sich auch über einen vergleichsweise neuen Sandstrand inmitten des Paradieses. Dieser befindet sich in Airlie Beach, dem Tor zu den attraktiven Whitsunday Islands. Für den sogenannten Boathaven Beach schütteten die Strandmacher 60'000 Kubikmeter Sand auf, etwa 4000 Lkw-Ladungen. Urlaubsträume lassen sich also offenbar tatsächlich mit Sand erbauen.
Doogah in Irland
Ja, und dann will noch die Geschichte von Doogah erzählt werden. Die irische Ortschaft auf der vorgelagerten Achill Island hatte zuletzt im Jahr 1984 einen Sandstrand und war damals ein beliebter Ferienort mit mehreren Hotels. Doch bei mehreren Stürmen wurde der Sand innerhalb weniger Tage regelrecht weggewaschen, zurück blieben nur Felsen. Das Schicksal des Strandes (und damit des Fremdenverkehrs vor Ort) schien besiegelt.
Bis 2017 der Sand völlig überraschend – und diesmal ohne menschliches Zutun – wieder kam. Über Ostern spülten heftige Winde hunderttausende Tonnen Sand an der Küste an. Seither hat Doogah (wieder) einen Sandstrand. Die Medien feierten das Comeback als kleines Naturwunder. Eines, das die unverfrorenen Iren, denen selbst kühle Wassertemperaturen nichts anzuhaben scheinen, zu schätzen wissen. Der Strand ist beliebter denn je.