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Showdown um Tradition und Zukunft
Reto SuterDie letztjährige Generalversammlung des Schweizer Reise-Verbands (SRV) fand im ehrwürdigen Teatro Regio di Parma statt, einem der renommiertesten Opernhäuser der Welt. Der diesjährige Veranstaltungsort mag weniger historische Strahlkraft besitzen, doch das Hotel Savoy Palace in Funchal, das erst vor fünf Jahren eröffnet wurde, vereint dennoch eine bemerkenswerte Geschichte. An derselben Stelle, wo 1912 das erste Savoy-Hotel erbaut wurde, verbindet das Haus heute den Charme der Belle Époque mit zeitgemässem Luxus – perfekt gelegen auf einer Anhöhe mit atemberaubendem Blick auf den Atlantik.
Die SRV-Mitglieder auf Madeira werden während des viertägigen Aufenthalts sicherlich Gelegenheit haben, diesen Panoramablick zu geniessen und das vielseitige Angebot des Hotels zu entdecken. Am Freitagmorgen ab 9 Uhr jedoch gilt die volle Aufmerksamkeit der Generalversammlung, die im eleganten Grand Ballroom des Hotels abgehalten wird. Die Branche blickt auf turbulente Monate zurück – mit einem wankenden und einem gefallenen Riesen. Im Februar wurde bekannt, dass die Migros die Hotelplan Group loswerden will – wenn möglich bis Ende Jahr und als ganze Einheit. Bisher ohne Ergebnis.
Anfang Juni, kurz vor der Sommer-Hochsaison, meldete die FTI Insolvenz an. Die Reisebranche hat diese Krise auf bemerkenswert professionelle und gemeinschaftliche Weise bewältigt. Dank der Absicherung von Kundengeldern blieben Reisende von finanziellen Verlusten verschont, was auch von der Öffentlichkeit positiv aufgenommen wurde.
Frischer Wind oder bewährte Strukturen?
Während die GV im vergangenen Jahr relativ glatt über die Bühne ging, dürfte die 97. Ordentliche Generalversammlung auf Madeira für mehr Gesprächsstoff sorgen. Denn zwei Anträge von Barbara Wohlfarth könnten den Verband ganz schön durcheinanderwirbeln (Travelnews berichtete).
Zum einen fordert Wohlfarth anonyme Abstimmungen bei finanziellen Fragen. Zum anderen verlangt sie die Einführung einer Amtszeitbeschränkung für Vorstandsmitglieder. Maximal drei Amtszeiten, dann soll zwingend Platz für frische Kräfte gemacht werden, so ihr Vorstoss. Dem Vernehmen nach sollen mehrere gewichtige Stimmen in der Reisebranche durchaus Sympathien hegen für die Anliegen von Barbara Wohlfarth.
Der Vorstand spricht sich gegen die beiden Anträge aus. Er hält anonyme Abstimmungen für unnötig, da die offene Kommunikationskultur bereits einen freien Austausch fördere und laut Statuten geheime Abstimmungen jederzeit verlangt werden könnten.
Die vorgeschlagene Amtszeitbeschränkung lehnt der Vorstand ab, da er die repräsentative Zusammensetzung des Gremiums – bestehend aus CEOs grosser Veranstalter, mittelgrossen Anbietern und Inhabern unabhängiger Reisebüros – für essenziell hält, um die Interessen der gesamten Branche effektiv zu vertreten.
Eine Amtszeitbeschränkung könnte in spezialisierten Ressorts wie der Politik aus Sicht des Vorstands wertvolle Erfahrung und langfristige Expertise beeinträchtigen. Zudem habe das Gremium in den letzten Jahren bereits deutliche Veränderungen erfahren, etwa durch einen höheren Frauenanteil und eine stärkere Vertretung der Romandie.
Als unbestritten gilt der dritte Antrag von Barbara Wohlfarth. wonach eine Erhöhung der Entschädigung für den Vorstand abgesegnet werden muss. Der SRV-Vorstand erachtet diese Anpassung als sinnvoll und empfiehlt sie aus Compliance-Gründen zur Annahme.
Reibungslos verlaufen dürften auch die Erneuerungswahlen: Sie stehen dieses Jahr – ohne Gegenkandidaten – für Präsident Martin Wittwer und die Revisionsstelle RVS von Daniel Rieser an.
Branchenprofis diskutieren Wege in die Zukunft
Im Anschluss an die Generalversammlung widmet sich die traditionelle Fachtagung einem der drängendsten Themen der Branche: dem steten Wandel der Reiselandschaft. Die Reisebranche sieht sich zunehmend mit Schliessungen und Übernahmen etablierter Unternehmen konfrontiert, die Anpassungsfähigkeit aller Marktteilnehmenden erfordert.
In einer Diskussionsrunde zum Thema «Reiselandschaft im Wandel» ergründen profilierte Expertinnen und Experten die Ursachen dieser Umbrüche und diskutieren mögliche Strategien für die zukünftigen Vertriebsstrukturen. Besonders im Fokus steht dabei der digitale Wandel und dessen Einfluss auf künftige Vertriebskanäle.
Mit der Rückkehr zu fast vollen Touristenzahlen nach der Pandemie steht auch die Herausforderung des Overtourism wieder im Raum. Die Welttourismusorganisation (UNWTO) verzeichnete 2023 weltweit 1,2 Milliarden Ankünfte, und vielerorts kommt es zu Spannungen zwischen Einheimischen und Gästen.
In einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde widmen sich etablierte Reiseprofis der Frage, wie sich das Problem des Overtourism durch Lenkungsinstrumente und kreative Ansätze eindämmen lässt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer erörtern, wie Tourismusanbieter mit dem steigenden Besucheraufkommen umgehen können und wo die Grenzen zwischen realistischen Massnahmen und hypothetischen Ideen liegen.
Moderator ist wie bereits im vergangenen Jahr Jean-Claude Raemy, Wirtschafts-Journalist bei Ringier und Tourismus-Insider.