Here & There
So durchkreuzt der Nahost-Konflikt die Ferienpläne der Schweizer
Reto SuterAuf den Tag genau ein Jahr ist es her, seit der Terrorangriff der radikal-islamistischen Hamas gegen Israel Entsetzen ausgelöst hat. Seither ist die Region nicht mehr zur Ruhe gekommen. Vergangene Woche hat der Konflikt eine neue Eskalationsstufe erreicht – mit der israelischen Bodenoffensive im Libanon und dem iranischen Raketenangriff auf Israel.
Die dramatischen Entwicklungen erschüttern nicht nur die Region, sondern haben auch Auswirkungen auf die Ferienpläne der Schweizerinnen und Schweizer. Viele Leute werweissen, ob Ferien im arabischen Raum noch sicher sind – auch wenn viele beliebte Touristenorte weit vom Brandherd entfernt liegen und in keiner Weise vom Konflikt betroffen sind.
Travelnews hat bei Anbietern von Badeferien sowie Arabien-Spezialisten nachgefragt, wie sich die Ereignisse auf ihr Geschäft auswirken. Das Bild ist uneinheitlich und hängt stark davon ab, was die Reiseveranstalter anbieten und in welchen Region sie aktiv sind.
Badeferien in Ägypten sind hoch im Kurs
Das Geschäft mit Badeferien in Ägypten hat sich ein Jahr nach der Terror-Attacke praktisch vollständig erholt. Gleich nach dem Angriff im vergangenen Herbst habe es eine rückläufige Phase gegeben, sagt Karin Markwalder, General Manager von Kuoni & Helvetic Tours, auf Anfrage. «Jetzt haben die Umsätze nahezu wieder das frühere Niveau erreicht – insbesondere durch das starke Herbstgeschäft.»
Erfreulich läuft das Geschäft mit Badeferien in Ägypten auch bei TUI Suisse. «Mit Blick auf die letzten Wochen sehen wir eine sehr gute Nachfrage-Entwicklung. Die Buchungen in den vergangenen Wochen lagen über dem Vorjahresniveau – sowohl für kurzfristige Abreisen als auch für den Winter», erklärt Sprecherin Sonja Ptassek.
Die Erfahrungen von Kuoni, Helvetic Tours und TUI Suisse stützen die Aussagen, die Präsident Martin Wittwer bereits an der Jahresmedienkonferenz des Schweizer Reise-Verbands im September machte. «Die Flugdistanzen sind nicht besonders gross und die Preise attraktiv», so Wittwer. Deshalb gehöre Ägypten in diesem Herbst zu den absoluten Trenddestinationen.
Karin Markwalder von Kuoni und Helvetic Tours ergänzt: «Badeferiengäste buchen kurzfristiger, und das Geschäft erholt sich auch dank dem hervorragenden Preis-Leistungs-Verhältnis schneller.» Anders präsentiere sich die Situation bei Kulturreisenden. «Sie planen langfristiger und reagieren sensibler auf Ereignisse und politische Entwicklungen.»
In diesem Segment wirken sich die Unsicherheiten spürbar auf die Nachfrage aus. «Bei Kulturreisen nach Jordanien verzeichnen wir seit einem Jahr praktisch einen Nachfragestillstand», so Markwalder.
Das heisst: Auch Kuoni spürt die Auswirkungen, ist jedoch dank seiner vielfältigen Produktepalette gut aufgestellt, um Schwankungen bei einzelnen Destinationen auszugleichen. Dadurch kann der Reiseveranstalter flexibler auf Veränderungen reagieren als andere Anbieter, die möglicherweise weniger breit aufgestellt sind.
Tourismus in Jordanien leidet stark
Schwierig haben es Spezialisten, die Kultur- und Gruppenreisen rund um den Konfliktherd anbieten. «Die Nachfrage nach Jordanien ist seit dem Anschlag massiv zurückgegangen und hat sich bis heute nicht erholt», sagt Romy Obrist, Inhaberin von Bischofberger Reisen. «Offenbar haben zwischenzeitlich viele Hotels in Petra geschlossen da keine Nachfrage da ist.» Am Toten Meer und am Roten Meer sehe die Situation etwas besser aus, weil es dort auch Inland-Tourismus gebe.
«Auch Saudi-Arabien ist nach wie vor verhalten», so Obrist. Hier gebe es mehrere Gründe. «Unter anderem ist die Destination nach wie vor sehr teuer, auch im Vergleich mit anderen arabischen Ländern, erklärt die profilierte Arabien-Kennerin.
Einen deutlichen Rückgang des Interesses spürt auch Vögele Reisen. Marketing-Chefin Denise Millen sagt zu Travelnews: «Dieses Jahr hatten respektive haben wir vier Abreisen nach Jordanien – drei im Frühling und eine im Herbst, mit insgesamt 40 Teilnehmenden. Im Vergleich dazu hatten wir im Vorjahr elf Reisen mit insgesamt 152 Reisenden.» Für kommendes Jahr seien derzeit zwei Abreisetermine im Frühling buchbar.
Philippe Raselli, Managing Director von Holiday Maker Tours, gibt sich kämpferisch und fühlt sich durch seine Erfahrungen und die seiner Kundinnen und Kunden bestätigt. «Saudi-Arabien verzeichnet weiterhin eine erfreuliche Nachfrage – unterstützt durch stetige Werbemassnahmen des Landes», erklärt Raselli. Für Jordanien sei die Nachfrage moderater. «Dennoch haben wir eine konstante Anzahl an Abreisen, auch jetzt im Oktober.» Bislang seien keine Buchungen storniert worden.
Was ihn freut: «Die Reisenden, die gerade aus Jordanien zurückgekehrt sind, schwärmen von der entspannten Atmosphäre und der einzigartigen Gelegenheit, die Sehenswürdigkeiten in Ruhe zu geniessen, da derzeit weniger Touristinnen und Touristen unterwegs sind.»
Attraktive Alternativen im Angebot
Reisenden, die nach Alternativen im arabischen Raum suchen, rät Romy Obrist von Bischofberger Reisen zu Oman oder Marokko. Diese Länder seien insofern mit Jordanien vergleichbar, als dass es auch dort sehr interessante Rundreisen gebe. Gleichzeitig sagt sie unverhohlen: «Es ist aber schon so, dass sich viele Kundinnen und Kunden gar nicht melden, weil sie wissen, dass sie im Moment nicht nach Jordanien wollen.»
Auch für Philippe Raselli sind Oman und Marokko aktuell die besten Alternativen für Leute, die zwar nach Arabien, aber nicht nach Jordanien reisen wollen. Zudem hat Holiday Maker Tours sein Angebot erweitert. «Neu im Programm sind neben zusätzlichen Reisen in Saudi-Arabien, Oman, den Emiraten und Marokko auch ausgewählte Inseln in der Karibik», so Raselli. Die neuen Kataloge sollen in Kürze erscheinen.
Auch wenn die Nachfrage nach Jordanien und anderen Krisenregionen zurückgegangen ist, gibt es dennoch Lichtblicke in der Branche. Die Reiseveranstalter haben sich flexibel gezeigt, indem sie sich andernorts breiter aufgestellt haben. Und so zeigt die aktuelle geopolitische Lage einmal mehr: Wer anpassungsfähig bleibt, kann auch herausfordernde Zeiten erfolgreich überstehen.