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Die Benotung der vier Schweiz-Tourismus-Videos mit Roger Federer
Andreas GüntertTouristische Werbung ist oft langweilig, voller Klischees und damit austauschbar. Aber es geht auch anders. Schweiz Tourismus verfolgt seit 2021 mit prominent besetzten Videoclips einen eigenen Weg. In einer speziellen Kampagne tritt die Schweizer Tennislegende Roger Federer in Videos mit weltberühmten Hollywoodstars wie Robert De Niro oder Anne Hathaway auf.
Die Werbespots wollen mehr sein als eine platte Abfilmung von Postkarten-Sujets. Der Anspruch der Kampagne, die aus aufwendig produzierten Kurzfilmen besteht: Roger national plus Hollywood-Weltstar in eine knackige Story gepackt, die nicht nur Spass machen soll. Sondern auch Lust auf die Schweiz.
Bisher hat das recht gut geklappt Die Werbespots aus der Küche der Schweizer Werbeagentur Wirz gingen viral und erhielten in sozialen wie auch klassischen Medien viel Aufmerksamkeit und kamen so auf hohe Reichweiten.
Sind alle diese Werbespots gleich gut? Natürlich nicht. Welcher Spot mit Roger Federer performt wie stark? Das schauen wir uns hier an. Als Bewerterin der bisher vier Beiträge aus dieser Filmreihe konnte der Internaut die Schweizer Video-Filmerin und Touristik-Kennerin Katharina Deuber gewinnen.
Katharina hat die ganze Kampagne mit den bisher vier Werbe-Videoclips mit ex-Tennis-Champion Roger Federer im Auftrag für Schweiz Tourismus alle hintereinander angeschaut und danach jede einzelne Episode unter diesen vier Gesichtspunkten beurteilt:
- Storytelling
- Auftritt Federer
- Tastemaker-Effekt
- Klischee-Kiste
«No drama» mit Robert De Niro, 2021
Die Story in zwei Sätzen: Roger Federer versucht, seinen Freund Robert De Niro in die Schweiz zu locken Der Filmstar findet das Land aber (zu) langweilig – und hat stattdessen einen Vorschlag.
Storytelling: Grantelnder Bob vs. enthusiastischer Sportler Rodsch. Funktioniert gut, die Sympathien sind klar beim «bettelnden» Federer. De Niro kommt etwas arrogant rüber, soll er auch, will er auch. Ob alle den Schluss-Gag mit (Tom) Hanks verstehen? Ich auf jeden Fall nur so halb…
Auftritt Federer: Dass Federer auch schauspielern kann, erstaunt eigentlich ja nicht. Das Mulitalent schlägt sich bestens. Sprachgewandt, sympathisch, keine Spur von Schweizer Dorftheater. Weltklasse auch hier. Vielleicht müsste der ehemalige Tennisstar eine weitere Karriere ins Auge fassen?
Tastemaker-Effekt: Klassische Video-Postkarten-Bilder. Sie wirken zum Teil etwas altbacken und angestaubt mit wenig Aufreger-Potential. Will ich da wirklich hin? Das ist wohl das wahre Drama des Spots.
Klischee-Kiste: Siehe oben. Die Aufnahmen scheinen aus einem quietschenden Postkarten-Ständer am Kiosk beim Bahnhof Bünzen von anno Tubak zu stammen. Für mich nicht ganz zeitgemäss aber in der Kürze des Spots absolut verträglich.
Der erste Beitrag der bisher vierteiligen Film Reihe der Roger Federer Videos war 2021 eine veritable Überraschung. Der Videoclip mit De Niro und Federer sorgte für weltweites Aufsehen und galt zur damaligen Zeit (Covid!) als mit Abstand erfolgreichste globale Medienaktivität, die Schweiz Tourismus jemals lanciert hatte. Youtube-Performance dieser neuen Form der touristischen Werbung: 53 Millionen Aufrufe.
Im gutschweizerischen Notensystem, das von 6 (absolute Sonderleistung) bis 1 (kompletter Ausfall) reicht, erreicht dieser Beitrag in der Internaut-Bewertung Note 5.
«No on upstages the Grand Tour of Switzerland» mit Anne Hathaway, 2022
Die Story in zwei Sätzen: Anne Hathaway und Roger National turnen hingebungsvoll durch die Schweizer Szenerie. Aber sie werden von der landschaftlichen Film-Schönheit in den Schatten gestellt.
Teil 2 der Video-Reihe wurde zum Klick-Triumph. Alleine auf Youtube erreichte der Streifen 104 Millionen Aufrufe – fast doppelt so viele wie der Film mit De Niro. Eine eidg. dipl. Klickgranate, ein kleines Weltwunder des Online Marketing.
Storytelling: Die Geschichte wird fortgesetzt, mit neuer, jetzt weiblicher Hauptrolle. Irgendwie springt der emotionale Funke nicht richtig über. Trotzdem funktioniert die Geschichte. Der inszenierte Blick hinter die Klischee-Kulisse der exaltierten Filmwelt ist mit wenig Aufwand perfekt umgesetzt.
Auftritt Federer: Der gute Rotschi tut mir fast etwas leid, wie Anne Hathaway neben ihm langsam die Krise kriegt und eine Pause braucht. Seine kleine Rache mit Meryl am Schluss gibt der ganzen Geschichte einen unerwarteten Twist.
Tastemaker-Effekt: Die imposanten Aufnahmen der Schweiz sind so geschickt in die Geschichte verwoben, dass sie nur noch eine Nebenrolle spielen – diese aber mit Bravour.
Klischee-Kiste: Schweizer Highlights aus überraschenden Perspektiven. Durch das Panorama-Format werden die Bilder noch imposanter als sie sonst schon sind. So sauber aufgeräumt und menschen(blut-)leer zeigen wir unser Land gerne. «Add a little drama, please!» bin ich versucht zu sagen.
Der zweite Videoclip übertrumpfte den ersten Beitrag bei weitem und ist der bisher erfolgreichste der ganzen Reihe. Was wohl auch damit zu tun hat, dass Anne Hathaway (oder ihr Team) auf Social Media sehr aktiv ist und den Beitrag emsig teilte. Der Beitrag mit Anne Hathaway erhält die Note 5-6.
«Grand Train Tour of Switzerland: the ride of a lifetime», mit Trevor Noah, 2023
Die Story in zwei Sätzen: Der südafrikanische Kabarettist und Moderator Trevor Noah sitzt ohne Billett im falschen Schweizer Zug. Der dann aber doch noch der goldrichtige ist.
Storytelling: Ein weiteres typisches Schweizer Klischees gekonnt auf die Schippe genommen. Für mich der emotionalste der vier Filme.
Auftritt Federer: Der Ex-Tennisspieler wirkt hier noch überzeugender als in den anderen Clips. Wie ein geduldiger Vater, der seinen trötzelnden Sohn liebevoll an der Hand nimmt. Diese Rolle ist sein Alltag, das merkt man.
Tastemaker-Effekt: Wunderschöne Aufnahmen aus dem Golden Pass. Ob die wirklich alle zwischen Luzern und Interlaken entstanden sind? Für Bahn-Fans aber auf jeden Fall ein Muss – ob mit oder ohne berühmte Mitreisende.
Klischee-Kiste: Das Pünktlichkeits-Klischee zieht sich durch den ganzen Film und schlägt sich zum Schluss selbst ein Schnippchen – gekonnt!
Die kleine Geschichte in der Geschichte mit den gemeinsamen Wurzeln von Trevor Noah und Roger Federer in Südafrika und der Schweiz überrascht und berührt. Die Spannung hält beim mit Abstand längsten Film, der 3.46 Minuten dauert, bis zum Schluss. 83 Millionen Aufrufe. Note: 6.
«Falling for Autumn» mit Mads Mikkelsen, 2024
Die Story in zwei Sätzen: Alle Profis und alle Stars scheinen parat für den Filmdreh. Doch dann entwickelt der Schweizer Herbst als Hauptdarsteller einen ungeahnten Sog.
Storytelling: Mads Mikkelsen, der dänische Bond-Bösewicht («Casino Royale»), entdeckt im goldenen Schweizer Herbst seine sinnlichen Seiten. Die Filmbranche bekommt einmal mehr einen Tritt verpasst. Zu Recht? Für mich die schwächste der bisher vier Geschichten.
Auftritt Federer: Hier scheint der Ex-Sportstar in der Nebenrolle gelandet zu sein. Der Film handelt von Mads und seinem Gefühl für den Herbst, oder genauer: Vom bewusstseinserweiternden Indian Summer in der Schweiz.
Tastemaker-Effekt: Die Schweiz im Herbst. Als Marketing-Massnahme gegen den drohenden Overtourism im Hochsommer ein lobenswerter Ansatz. Die Aufnahmen der Natur sind atemberaubend, aber austauschbar. Der Indian Summer in Kanada sieht ähnlich aus.
Klischee-Kiste: Die Schweiz kann Herbst, das ist neu. Der Klischee-Alarm bleibt stumm. Laut Medienmitteilung richte sich der Spot präzise an Touristen aus Europa. In diesem Sinne: Der Indian Summer liegt quasi vor der Haustür.
Mit dem dänischen Schauspieler Mikkelsen ist erstmals ein europäischer Showstar an Federers Seite. Gut gemeint und gut gemacht – aber keine Top-Top-Episode. Die «Falling for Autumn» erhält die Note 5.