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Schweizer Boom im Saint-Tropez des Nordens
Reto SuterAlle grossen Reiseveranstalter machen die selben Erfahrungen: Schweizerinnen und Schweizer zieht es vermehrt in den Norden – nicht zuletzt im Sommer, wenn am Mittelmeer die Strände voll und die Temperaturen hoch sind. Zu den grossen Profiteuren gehört etwa Norwegen, das ein markantes Gästeplus verzeichnet.
Bereits viel länger auf der Überholspur ist – fast schon klammheimlich – ein anderes Ferienziel in nördlichen Gefilden: die deutsche Nordseeinsel Sylt. Und das ganz besonders im Schweizer Markt. Die Entwicklung ist imponierend: Zwischen 2009 und 2022 (neuere Daten gibt es nicht) hat sich die Zahl der Übernachtungen von Schweizerinnen und Schweizern auf Sylt mehr als verdoppelt. Sogar noch etwas stärker gewachsen ist im gleichen Zeitraum die Gästezahl.
Zwar machen auf der Nordseeinsel nach wie vor die Deutschen den Löwenanteil der Besucherinnen und Besucher aus. Mit den aktuellen Zahlen ist die Schweiz allerdings der wichtigste Auslandmarkt für Sylt, deutlich vor Österreich und Dänemark.
Schweizer Markt wächst überproportional
«Sylt ist seit vielen Jahren ein Sehnsuchtsort für Besucherinnen und Besucher aus der ganzen Welt», sagt Stefan Mieczkowski, Leiter der Deutschen Zentrale für Tourismus (DZT) in der Schweiz, zu Travelnews. «Laut Sylt Marketing ist das Wachstum bei den Gästeankünften aus der Schweiz aber überproportional im Vergleich zum innerdeutschen Markt und anderen Auslandsmärkten.»
Da die Nordseeinsel – hin und wieder auch liebevoll Saint-Tropez des Nordens genannt – von Schweizer Gästen mehrheitlich direkt gebucht wird, bieten die Statistiken von Sylt Marketing das umfassendste und aussagekräftigste Bild. Trotzdem lohnt sich auch ein Blick auf die Buchungszahlen der Schweizer Reiseveranstalter. Und die stützen den Eindruck von Sylt als Boom-Region – auch für das laufende Jahr, zu dem Sylt Marketing noch keine Zahlen veröffentlicht hat.
Sonja Ptassek, Sprecherin von TUI Suisse, sagt auf Anfrage: «Seit 2019 sehen wir allgemein einen positiven Trend und Wachstumsraten bei Sylt.» 2024 liege der Buchungsstand auf Vorjahresniveau. «Besonders gefragt ist das TUI Blue Sylt.»
Mike Jakob, Verkaufschef von Bahnspezialist Railtour, gerät richtiggehend ins Schwärmen, wenn er auf Sylt zu sprechen kommt. «Wir verzeichnen dieses Jahr ein Buchungsplus im zweistelligen Prozentbereich», erklärt er. «Unsere Kundinnen und Kunden schätzen es, dass über uns die Bahnanreise und die Unterkunft im Paket buchbar sind.» Erfreulich sei auch, dass sich Sylt immer mehr zu einer Ganzjahresdestination entwickle, so Jakob. «Sylt ist nicht nur im Sommer als Reisedestination interessant, sondern auch in der ruhigen Nebensaison.»
Die Reise mit dem Zug dauert ab Zürich rund elf Stunden. Jakob empfiehlt, mit dem Nachtzug ab Zürich oder Basel nach Hamburg zu reisen und dann weiter mit dem Tageszug in drei Stunden bis Westerland. Die Strecke Zürich-Hamburg ist laut Stefan Mieczkowski von der DZT extrem beliebt und sollte langfristig gebucht werden. Im Vergleich mit anderen Nachtzugverbindungen verkehre sie laut SBB zuverlässig.
Bahnprofi Mike Jakob sagt: «Für mich persönlich ist das letzte Stück der Reise das Highlight, wenn man über den Hindenburg-Damm durch das Watt vom Festland auf die Insel fährt», sagt der Bahnprofi. Bei hohem Wasserstand fühle es sich an, wie wenn sich der Zug den Weg durch die Nordsee bahnen würde.
Trotz grosser Nachfrage: Es hat noch Platz
Stefan Mieczkowski von der DZT erklärt sich den Sylt-Boom unter anderem mit der Schweizer Sehnsucht nach maritimem Flair. Zudem punkte die Nordseeinsel mit den herausragenden Angeboten in Hotellerie und Gastronomie. «Natürlich ist auch die gute Erreichbarkeit mit dem Swiss-Direktflug und der Zugverbindung via Hamburg ein wichtiger Faktor», erklärt er.
TUI-Sprecherin Sonja Ptassek, selbst im Norden Deutschlands gross geworden, sieht die Abwechslung als grössten Trumpf von Sylt. «Neben traumhaften weissen Sandstränden bietet die Insel einmalige Naturerlebnisse am Wattenmeer und Aktivitäten jeglicher Art – von Wanderungen über Radtouren bis hin zu Golf- und Wassersport», sagt sie.
Auch Mike Jakob lobt die Vielfalt. «Internationale Sterneküche wechselt sich ab mit einfachen, gemütlichen Restaurants und den besten Fischbrötchen von Gosch», so der Verkaufschef von Railtour. Und dann gibt er gleich noch eine Liebeserklärung ab: «Wenn man in einem der unzähligen Strandkörbe der Westküste sitzt und die Aussicht auf die Nordsee geniesst, wird einem bewusst: Sylt ist ein Sehnsuchtsort, an den man immer wieder zurückkehrt.»
Reisende, die von all den Lobeshymnen angetan sind und Sylt auf eigene Faust erkunden wollen, können das tun. Mit ein bisschen Flexibilität auch kurz- und mittelfristig. Denn es hat noch Platz auf der Insel. In den kommenden Wochen bis in den Herbst hinein sei Sylt durchgängig gut gebucht, aber nicht ausgebucht, sagt Stefan Mieczkowski von der DZT. «Freie Unterkünfte gibt es noch in allen Segmenten, wenn auch nicht mehr in grosser Auswahl.»