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Der Mercat de Sant Josep liegt direkt an der La Rambla, der wohl bekanntesten Strasse Barcelonas, und geht bis ins 13. Jahrhundert zurück. Bild: Adobe Stock

Die acht schönsten Markthallen Europas

Christian Haas

Historische Kulisse, wuselige Atmosphäre und bergeweise Köstlichkeiten: In Europas prächtigsten Markthallen treffen Händler, Einheimische und Restaurantköche aufeinander. Diese acht Markthallen dürfen auf keiner Reise fehlen.

Kunstvoll geschichtetes Gemüse und Obst, elegant drapierte Fische auf Eis, lokale Weine und Liköre zum Degustieren und das alles in quirliger Verkaufsatmosphäre und ehrwürdigen Gebäuden: Manche Markthallen, vor allem wenn sie auf eine lange Tradition zurückblicken, sind optische, akustische und olfaktorische Erlebnisse der Extraklasse und gleichzeitig Tauchgründe in den Alltag einer fremden Stadt. Denn wo kommt man besser ins Gespräch mit Einheimischen als bei einem Kennenlernschluck oder kleinen Probier-Snacks? Kein Wunder also, dass immer mehr Städtereisende eher die grosse Kunst auslassen als den Bummel über den Markt zu versäumen. Einige stehen nämlich längst im Range einer Top-Sehenswürdigkeit, so wie diese acht Vertreter zwischen Barcelona und Budapest.

Barcelona: La Boquería

Der offizielle Name des an der berühmten Rambla mitten im Stadtzentrum gelegenen Marktes lautet Mercat de Sant Josep, doch alle Welt spricht nur von La Boquería. Er selbst vermarktet sich gar als «bester Markt der Welt», einer der ältesten und grössten ist der bis ins 13. Jahrhundert zurückreichende Handeslplatz auf jeden Fall! An rund 300 Ständen wird eine unglaubliche Vielfalt an Gemüse, Obst, Fisch, Fleisch, Kräutern, Pilzen, Schinken, Oliven und kandierten Früchten feilgeboten. Und das von acht Uhr morgens bis halb neun Uhr abends (bis auf Sonntag) und zu einer oft herausragenden Qualität. Kein Wunder, dass in der mehr als 2.500 Quadratmeter grossen Halle auch Barcelonas Starköche einkaufen, die Einheimischen sowieso.

Am besten macht man es auch so wie sie: die überteuerten Stände am Eingang meiden und sich an die Delikatessen bei den Händlern am Rand der Halle halten. Mal die marktfrischen Tapas bei «El Quim de la Boquería» schnabulieren, mal eine Paella verkosten und mal ein Glas vino tinto, roten Wein. Keinesfalls versäumen sollte man das üppig bestückte Fischrondell in der Mitte des Marktes. Aber nicht nur Waren und Händler sind ein Erlebnis, auch die Architektur des Marktes ist sehenswert. Neben der Arkadenkonstruktion verdient der mit bunten Fensterglaselementen geschmückte und von zwei mosaikverzierten Säulen gestützte Jugendstilbogen über dem Markteingang besondere Aufmerksamkeit. Dies und viel mehr erfahren Gäste auch im Rahmen von geführten Foodie-Touren. Mehr dazu.

Paris: Marché couvert des Enfants Rouges

Frankreichs Hauptstadt gilt nicht nur als (Haupt-)Stadt der Liebe, sondern auch als Stadt des kulinarischen Genusses, wobei das ja nicht so weit auseinander liegt. Allein das Sprichwort «Liebe geht durch den Magen» erinnert daran. Und wenn Liebende (und alle anderen) in Paris exquisite Lebensmittel einkaufen wollen, haben sie dazu reichlich Möglichkeiten. Eine der charmantesten liegt an der Rue de Bretagne, einer Seitenstrasse des Marais-Viertels. 1615 gegründet gilt der «Markt der roten Kinder», der seinen Namen den einst an ihrer roten Kleidung zu erkennenden Kindern des benachbarten Waisenhauses verdankt, als ältester überdachter Lebensmittelmarkt von Paris.

Mittlerweile hat er sich zum Treffpunkt der Bobos, der Pariser Bourgeois-Bohème, entwickelt. Kein Wunder, das Areal mit den rund 20 Läden verfügt über zeitlosen Charme. Von Obst und Gemüse, Garküchen und Imbissständen gesäumt, bildet der grosse Fisch- und Meeresfrüchtestand das Herz des Marktes. Man muss jedoch keine Küche haben, um das Angebot aus Regionalität und internationalen Spezialitäten zu geniessen. Die vielen Stehtische der italienischen, libanesischen, japanischen und natürlich französischen Restaurants laden zum Verweilen ein – was täglich (ausser montags) bis halb elf Uhr abends möglich ist. Mehr dazu.

Florenz: Mercato Centrale

Seit 150 Jahren lockt die mächtige, gusseiserne Konstruktion neben der Medici-Grabkirche San Lorenzo zum kulinarischen Ausflug. Wobei dieser nicht nur akustisch und olfaktorisch eine Offenbarung ist, sondern allein schon optisch. Erbaut vom Architekten der Mailänder Prunkgalerie Vittorio Emanuele II, beherbergt er unter seiner Kuppel aus Glas und Gusseisen zwei Etagen. Unten wird günstig eingekauft und oben – etwas teurer, dafür aber bis Mitternacht – geschmaust und genossen.

Was? Obst und Gemüse aus allen Ecken der Toskana, Fisch und Fleisch, kunstvoll aufeinander gestapelt mit handgeschriebenen Preistafeln, sowie Käse und natürlich frische Pasta. Der Titel «schönster Stand» gebührt dabei wohl dem Kuttelverkauf von Oreste Carocci, der seinen Laden wie einen Altar gestaltet. Als weitere Top-Adresse gilt der Traditionsmetzger Perrini, bei dem ganze Schinkenkeulen und die viel gerühmte Gänsesalami aus der Maremma über den Ladentisch gehen. Kult sind auch die Kuttelbrötchen beim Imbissstand «Da Nerbone». Wie in vielen Städten dient auch der Mercato San Lorenzo aka Centrale inzwischen als Kulisse für einen bewussteren Umgang mit Lebensmitteln und Handwerk. Daher finden neben Show-Cooking und Kochkursen regelmässig Kunstausstellungen und kulturelle Veranstaltungen statt. Mehr dazu.

Budapest: Grosse Markthalle

Ende des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil erbaut thront die zentrale Markthalle kirchenähnlich am Pester Ende der Freiheitsbrücke. Backsteinarchitektur, bunte Zsolnay-Kacheln und seitliche Türmchen tragen zu ihrem erhabenen Charme und bestimmt auch zur Auszeichnung als schönste Markthalle Europas bei. Ihre wahre Grösse offenbart sich jedoch im Inneren. Die filigrane Stahlkonstruktion lässt die XXL-Halle leicht und luftig wirken und sorgt für ein gleichmässiges beruhigendes Summen und Brummen der unterschiedlichen Marktgeräusche.

Im Erdgeschoss dominieren Obst, Gemüse und Paprika soweit das Auge reicht, wobei typische ungarische Spezialitäten wie Speck, Salami und Kolbász (Wurst) nicht fehlen, ebenso wenig die Erzeugnisse der ungarischen Wollschweine, der Mangalica. Auch vom Federvieh wird so ziemlich alles verkauft. So fehlen weder Gänsefüsse, Entenmägen oder die umstrittene Stopfleber im Angebot. Wer ein moralisch einwandfreies Souvenir sucht, ist mit Safranfäden oder Honig bestens beraten. Auf der Empore im Obergeschoss gibt es deftige ungarische Spezialitäten wie Kohlrouladen oder Gulaschsuppe. Mehr dazu.

Madeira: Mercado dos Lavradores

Madeira ist DIE Blumeninsel schlechthin. Naheliegend also, dass es dafür auch einen Markt gibt. Mehrere sogar, doch der schönste ist der Mercado dos Lavradores in der Altstadt Funchals. Wer die grosszügige Markthalle im Art-déco-Stil betritt, der landet mitten in einem farbenfrohen Paradies aus köstlichen Früchten und eben duftenden Blumen. Erst 1940 erbaut, ist die Halle im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn zwar noch recht jung, jedoch längst eine Institution im wirtschaftlichen und kulturellen Leben der Hauptstadt, für viele ist sie gar der schönste Platz auf der portugiesischen Insel.

Die Atmosphäre in der Halle ist aufgrund der Düfte und Geräusche lebhaft und zugleich heimelig. Was auch daran liegt, dass einige Händler die typische madeirische, rot-bunte Tracht tragen und lautstark über die zwei Etagen der Halle hinweg ihre Waren anpreisen. Exotisch präsentiert sich auch der Fischmarkt in der Halle nebenan: Mächtige Thunfische liegen auf den Verkaufstischen und, natürlich, auch die Spezialität der portugiesischen Insel, die schwarzen Degenfische, die an viel zu gross geratene Aale erinnern. Mehr dazu.

Lissabon: Mercado da Ribeira

Vor mehr als 130 Jahren eröffnete im heute angesagten Hafenviertel Cais do Sodre Lissabons Hauptmarkt Mercado da Ribeira. Dort geht es unter der riesigen orientalischen Kuppel zweigeteilt zu. Die eine Hälfte wird noch immer von traditionellen Marktständen belegt, an denen frische Produkte wie Fisch, Obst und Gemüse verkauft werden. Die andere der beiden luftigen Glas- und Eisenkonstruktionen wurde dagegen vor zehn Jahren in ein gigantisches Schlemmerparadies verwandelt. Das Konzept: Man holt sich etwas an den knapp 50 Essständen ringsum und setzt sich damit an die langen Holztische in der Hallenmitte. Zur Wahl stehen feinste Kleinigkeiten wie in Olivenöl eingelegte Sardinen, Schokolade von Arcadia aus Porto, Schinken aus dem Alentejo und frischer Vinho Verde von den besten Weingütern des Landes. Dass hier jeden Tag bis Mitternacht etwas los ist, liegt nicht zuletzt an gelegentlichen Konzerten und anderen Veranstaltungen. Gut zu wissen: Einige der Stände werden von bekannten einheimischen Küchenchefs wie Alexandre da Silva, Miguel Castro e Silva oder Henrique Sá Pessoa betrieben. Mehr dazu.

Berlin, Markthalle Neun

Die mitten im zentral gelegenen Multikultiviertel Kreuzberg befindliche Markthalle galt lange als prächtigste der einst 14 durchnummerierten Berliner Markthallen. Dann versetzten Stillstand und Verfall das 120 Jahre alte Gründerzeitkleinod in einen Dornröschenschlaf. Diesen beendete 2011 eine Anwohnerinitiative. Seitdem herrscht wieder reges Treiben unter den gusseisernen Säulen, mit Schwerpunkt auf regionalen und nachhaltigen Landwirtschaftserzeugnissen. Stark: Von anfangs zwei konnte man mittlerweile auf fünf Markttage erhöhen, was nicht nur die rund 40 Händler der diversen Hofläden und Biobetriebe freut, sondern auch die Besucher. Was ebenfalls gut ankommt ist das Angebot von Ausstellungen und Kultur. Mehr dazu.

Rotterdam: Markthal

Müssen Markthallen alt und ehrwürdig sein? Von wegen, es geht auch futuristisch. Die bogenförmige Markthal in Rotterdam beweist es. 2014 eröffnete am Blaak-Platz, wo es schon immer einen Wochenmarkt gab, dieser erste komplett überdachte Lebensmittelmarkt der Niederlande. Und längst ist er aus der Stadt nicht mehr wegzudenken.

An rund 100 Marktständen und in 15 Delikatessenläden können Besucher geschützt vor Wind und Wetter ihre Einkäufe erledigen, dazu gibt es mehrere Restaurants und sogar ein Kochstudio. Das alles findet unter einer überwältigenden Kulisse statt: Über den gewaltigen Deckenbogen der Halle zieht sich ein einziges grosses Gemälde mit überdimensionalen Früchten und Gemüse in knallbunten Farben – das grösste Kunstwerk der Niederlande. Ständige Führungen durch die neue Halle bietet die «Markthal Experience», zu der man sich am Infopunkt im Gebäude anmelden kann. Mehr dazu.