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Die Felskunstgalerie der Ureinwohner von Cape York
Urs Wälterlin, Port DouglasSafarihemd, Jeans und ein grosser, weisser Hut auf dem Kopf: Johnny Murison sieht eher untypisch aus für einen Führer einer der wichtigsten und spektakulärsten Kunstgalerien der Welt. Doch seine Galerie ist auch nicht typisch. Hier gibt es keine Klimaanlage, keine Feuchtigkeitskontrolle, keine Sitzbänke mit Plüschbezug und keine goldenen Bilderrahmen. Murison führt ein halbes Dutzend Touristen und Touristinnen über ein felsiges Plateau und schliesslich einen steinigen Pfad hinunter zur Galerie. Es ist heiss, es weht kaum Wind durch die Blätter der dürren Eukalyptusbäume. «Trinken sie Wasser, viel Wasser», mahnt er die Besucher. «Man trocknet hier schnell aus».
Der Hüter der Malereien
Johnny Murison gehört die vielleicht spektakulärste Felskunstgalerie im Süden der australischen Halbinsel Cape York. Falsch: die Ureinwohner Australiens kennen traditionell keinen persönlichen Besitz. So sieht sich Murison auch nur als Hüter und Beschützer, als jüngsten Vertreter von Generationen von indigenen Menschen, die sich um die Malereien gekümmert hatten, über zehntausende von Jahren. Johnny ist sich der Bedeutung und Verantwortung seiner Aufgabe bewusst. Er erzählt, dass einige seiner Vorfahren nicht die Gelegenheit hatten, diese traditionelle Pflicht zu erfüllen. In den Jahrzehnten nach der Invasion des Kontinents Australien 1788 wurden sie von Siedlern ihrem Land vertrieben, ihre Kinder von der Regierung gestohlen, einige wurden ermordet.

Doch diese traurige Geschichte scheint den Aboriginal-Mann umso mehr zu motivieren, das richtige zu tun. Die Weitergabe von Wissen, das Verstehen der indigenen Kultur zu fördern, das ist seine Mission. Aboriginal und Bewohner der Torres Meeresstrasse leben seit mindestens 60'000 Jahren auf dem roten Kontinent und den angrenzenden Inseln. Ihre Kulturen gelten als die ältesten, die bis heute überlebt haben.
Murison kennt die Bedeutung jeder einzelnen Figur. Er erklärt jedes Detail der in rot-brauner und gelber Ockerfarbe gemalten Bilder an der etwa 30 Meter langen und bis zu 10 Meter hohen Felswand. 450 Bilder von Schildkröten, Kängurus, Menschen, Geister. Gemalt von Generationen seiner Vorfahren, die unter diesem Felsvorsprung Schutz gesucht hatten vor der Sonne, vor tropischen Regenfällen. «Dieser hier ist bis zu 20'000 Jahre alt, sagen die Forscher», sagt Johnny und zeigt auf eine weisse mystische Gestalt, mit klaren Linien gemalt auf den Milliarden Jahre alten Felsen.

Felszeichnungen wie diese gelten laut Experten als einige der anthropologisch wichtigsten der Welt. Die Halbinsel Cape York im Norden des Bundesstaates Queensland ist auch Heimat von mehr als 300 bedrohten Tierarten, darunter dem Grünen Sägefisch, dem Cape-York-Felsenwallaby und dem Südlichen Kasuar. Auf Cape York, die sich über eine Fläche von etwa 220'000 Quadratkilometer erstreckt, leben 18,5 Prozent der australischen Pflanzenarten.
Nominierung zum Welterbe
So muss nicht erstaunen, dass die australische Umweltministerin Tanya Plibersek und der Premier von Queensland, Steven Miles, soeben bekannt gegeben haben, sie hätten Teile von Cape York auf die vorläufige Welterbe-Liste gesetzt. Es handle sich um Stätten, die nach Ansicht der australischen Regierung «kulturelles und/oder natürliches Erbe von außergewöhnlichem universellem Wert und daher für die Eintragung in die Welterbeliste geeignet» seien.
Australien hat derzeit 20 Welterbestätten, darunter fünf in Queensland. Solche Gebiete müssen ein Jahr lang auf der vorläufigen Liste stehen, bevor sie für die vollständige Aufnahme vorgeschlagen werden können. Der gesamte Prozess kann bis zu fünf Jahre dauern. Zu den bereits auf der Welterbeliste stehenden Stätten in Queensland gehören das Great Barrier Reef, K'gari (früher Fraser Island) und die Feuchttropen im Nordosten des Staates.

Allan Creek, ein führendes Mitglied der südlichen Kaantju-Aboriginal, meinte gegenüber den Medien, die Nominierung als Welterbe würde den Urbesitzern mehr Möglichkeiten geben, ihr traditionelles Land für immer zu schützen. Der Kampf um den traditionellen Lebensraum vor der Nutzung durch Bergbau, Über-Tourismus oder andere Industrien geht auch für Johnny Murison weiter. Er wacht über ein Erbe von monumentaler Bedeutung. In den letzten Jahren hat er bei Wanderungen Dutzende von weiteren Felsmalerei-Galerien entdeckt. «Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs», erklärt er den Besuchern. Es sei seine Aufgabe, diese Schätze der Menschheitsgeschichte für künftige Generationen zu bewahren.
Touristiker fordern bessere Infrastruktur
Die Nominierung von grossen Teilen der australischen Cape York-Halbinsel als Welterbe dürfte dem lokalen Tourismus einen Schub geben, meinte die australische Umweltministerin Tanya Plibersek während der Vorstellung der Pläne. Der Geschäftsführer von Tourism Tropical North Queensland, Mark Olsen, zeigte sich jedoch skeptisch, ob die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes langfristige Auswirkungen auf das Reiseinteresse haben wird. «Die Aufnahme in die Liste des Weltkulturerbes wird das Interesse der Besucher weltweit wecken, aber die Umwandlung dieses Interesses in Besucherzahlen wird von der Qualität des Besuchererlebnisses abhängen, und das ist es, was uns in die Zukunft führt», sagte er laut der Nachrichtenagentur AAP.
Die Tourismusbehörde fordert zusätzliche Investitionen in die Infrastruktur wie Toiletten und Programme für Ranger. Ausserdem müsse die Tourismussaison verlängert werden, um überfüllte Besucherspitzen zu vermeiden. Gegenwärtig zählt das Gebiet 150'000 Besucher pro Jahr.