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Die Ura e Mesit, die Brücke von Mes, ist eine ottomanische Bogenbrücke in Nordalbanien, rund acht Kilometer östlich von Shkodra. Bild: Adobe Stock

Albanien vom Geheimtipp zum Massenziel

Gregor Waser

Das schöne Reiseland Albanien erlebt eine enorme Nachfrage – was einige Tücken mit sich bringt, wie Albanien-Spezialisten einräumen.

Albanien war lange ein weisser Fleck auf der touristischen Landkarte Europas, abgeschottet in Selbstisolation, kaum zugänglich. Das änderte sich in den Nuller-Jahren allmählich, erste Reisende entdeckten die Faszination des Landes. Ab 2010 tauchte Albanien immer öfter auf den Geheimtipp-Listen von Lonely Planet & Co. auf.

In den Jahren 2014 und 2015 bereisten bereits rund drei Millionen Touristen das südosteuropäische Land, angrenzend an Montenegro, Kosovo, Nordmazedonien und Griechenland, unweit von Apulien und Korfu gelegen. Diese Zahl stieg weiter rapide an. Im Jahr 2023 besuchten bereits zehn Millionen Touristen Albanien – und der Run geht weiter.

Berge, Kultur und Strände

Der Schweiz-Albaner Saimir Shala ist hierzulande wohl einer der besten Kenner des Reielandes Albanien. Er gründete 2017 das Unternehmen Albanien Reisen. «Die Nachfrage im letzten Jahr war sehr gross», sagt Saimir Shala auf Anfrage von Travelnews, «und das geht in diesem Jahr weiter».

Was denn für eine Reise nach Albanien spreche, fragen wir ihn und hören fasziniert einer fünfminütigen Schilderung Shalas zu, die grosse Reiselust aufkommen lässt: «Albanien ist ein bisschen kleiner als die Schweiz, konzentriert auf dieser Fläche hat man alles: im Norden Berge bis 2700 Höhenmeter, sehr gut zum Wandern und um die Landschaft zu geniessen. Dann 400 Kilometer Küste, teils Sand-, teils Kieselstrände, hervorragend zum Baden. Auch Wanderungen entlang der Küste sind gut möglich. Dann bietetet Albanien eine reichhaltige Kultur, etwa mit den Unesco-Welterbestätten Berat und Gjirokastra – dazu sehr freundliche Leute und gutes Essen. Und bisher war Albanien auch ein sehr preiswertes Land».

Mittlerweile bietet Swiss vier Direktflüge pro Woche von Zürich nach Tirana an, Wizz Air bedient Basel-Tirana. Ab Tirana empfiehlt Saimir Shala zunächst eine Mietwagen-Rundreise in den Norden und ins Landesinnere und zum Schluss ans Meer, um die Reise Revue passieren zu lassen. Diese Kombination sei am meisten gefragt und komme bei Schweizerinnen und Schweizern sehr gut an.

Gjirokastra, im Süden Albaniens, zählt seit 2005 zum UNESCO-Welterbe. Bild: Adobe Stock

Auch der Anruf beim nächsten Spezialisten, Meersicht Travel & Lifestyle, animiert zu einer Albanien-Buchung. Geschäftsführer Marco Wipfli sagt: «Nach 100 bereisten Ländern muss ich sagen: Albanien ist eines der spannendsten Reiseziele – Kultur, Leute und Natur faszinieren mich. Hier ist ein Fluss noch ein Fluss, unbegradigt wie vor 1000 Jahren.»

Martin Fehrlin, Geschäftsführer des Wanderspezialisten Imbach Reisen erachtet Albanien ebenfalls als Destination mit viel Potenzial: «Albanien kämpft noch mit gewissen Vorurteilen und ist als Reiseziel erst bei wenigen Kunden auf dem Radar, aber jene, die dort waren, kehrten begeistert zurück. Besonders geschätzt wird die vielfältige Landschaft, die Gastfreundschaft und die authentischen Erlebnisse abseits von Touristenmassen.»

Und Esther Portmann, Stv. Geschäftsleiterin von Imbach Reisen beschreibt in einem Artikel des Wandermagazins Schweiz ihre Faszination für Albanien so: «Nie hätte ich eine so abwechslungsreiche Landschaft erwartet: Hohe Berge, wunderschöne Strände mit türkisblauem Wasser entlang der Adria, dazwischen malerische Flusstäler und Seen.» Ebenso begeistert ist sie von der Haupstadt Tirana: «Unglaublich, wie viel wir in kurzer Zeit zu sehen bekommen. Das Stadtbild ist geprägt von einer Mischung aus kommunistischer Architektur, modernen Gebäuden und farbenfrohen Fassaden. Es gibt viele Galerien, Museen und lebhafte Stadtviertel mit Bars und Restaurants, dazwischen immer wieder Erholung bietende Grünflächen.»

In diesem Jahr erhöht nun Imbach Reisen die Anzahl Abreisen von zwei auf drei, die erste Reise im Mai sei schon fast ausgebucht. Auch bei der Schwesterfirma Vögele Reisen ist eine Albanien-Rundreise dieses Jahr neu ins Angebot gekommen.

Die Herausforderungen sind gross

Die Schönheit Albaniens und der steile Anstieg der Besucherzahlen stellen für das Reiseland aber auch eine grosse Herausforderung dar. Marco Wipfli sagt: «Wir sind mit unseren Kunden offen und ehrlich, es ist nicht ganz einfach mit Albanien. Die Hardware ist top, die Anzahl Hotels wächst und die Infrastruktur ist gut.» Doch bei der Software sei das Gegenteil der Fall, beim Service hapere es. Albanien habe ein grosses Problem mit Arbeitskräften, viele guten Leute seien ausgewandert.

«Albanien hat keine Hotel- und Tourismusfachschulen, die Leute sind auch wenig gereist und wissen nicht so genau, was Touristen wünschen.» Gleichzeitig gehen die Preise hoch. Wipfli wir nun Ende März mit seinem Meersicht-Team drei Tage lang die Küsten und die Hotels nochmals inspizieren, um im Verkauf der Badeferienhotels auf dem neusten Stand zu sein. Bei den familiengeführten Boutiquehotels im Landesinnern sei die Servicequalität meist gut.

Der Gjipe Beach liegt zwischen den Städten Himara und Dhermi an der albanischen Riviera. Bild: Adobe Stock

Auch Saimir Shala spricht die Schattenseiten direkt an: «Das rasante, fast ungesunde Wachstum bringt gerade in der Nebensaison viel Baulärm mit sich, es werden Hotels, neue Strassen, Tunnels gebaut, ganze Dörfer erneuert. Zudem sind in der Hochsaison einige Strände wegen dem Instagram-Effekt überfüllt.» Im Süden Albaniens könne es wegen Staus vorkommen, dass man  für die letzten fünf Kilometer bis zum Strand zwei Stunden benötige.

Seit der Tourismus ein Viertel der Landeseinkünfte ausmacht, setze die Regierung verstärkt auf das Pferd Tourismus, verlange nun konsequent Übernachtungstaxen und die Preise seien jüngst deutlich angestiegen, teilweise auf ein Niveau, wie man es in Kroatien kenne, «doch der Service ist noch nicht dort, wo er sein sollte».

Neuer Flughafen Vlora und ITB-Gastland 2025

Eine Verdreifachung der Besucherzahlen in zehn Jahren, wie es Albanien erlebt hat, ist enorm. Die Konsolidierung, gerade auch was die Behebung des Fachkräftemangels betrifft, dürfte noch einige Jahre andauern. Nur: bei zehn Millionen Touristen dürfte es in den nächsten Jahren nicht bleiben.

Denn in einem Jahr, im März 2025, soll der neue Flughafen Vlora im Süden des Landes eröffnet werden, 30 Fahrminuten von den top Stränden entfernt – trotz Protesten aus Naturschutzkreisen, weil ein Vogelbrutgebiet in Gefahr ist. Mit dem neuen Flughafen Vlora werden die Besucherzahlen nochmals weiter ansteigen.

Zudem will Albanien im März 2025 an der weltgrössten Tourismusmesse als ITB-Gastland für Furore und weitere touristische Werbung sorgen und sich dem Publikum der ITB Berlin auf vielfältige Weise vorstellen. So schön das Land ist, es stehen einige Herausforderungen an.