Here & There

Friedlicher, ruhiger Karibiktag an der Manzanillo Beach. Alle Bilder: P. Huber / A. Gubser

Providencia – jederzeit wieder!

Patrick Huber

Bloss 17 Quadratkilometer gross, weit draussen im Meer, ohne Remmidemmi: die kolumbianische Insel Providencia ist eine überaus reizvolle Karibikperle. Tauchen gehört hier zu den Highlights.

Es gibt sie noch die kleinen Oasen. Geheimnisumwitterte Orte, kaum bevölkert und die viel Platz für romantische Träumereien lassen. Eine davon ist Providencia im karibischen Meer, eine Insel, die offiziell zu Kolumbien gehört, wo sich die vor allem aus Nachkommen ehemaliger Sklaven – Raizals – bestehende Bevölkerung eher zur Karibik zugehörig fühlt. Wir haben sechs Nächte dort verbracht und würden jederzeit wieder dorthin zurückkehren.

Mitten im karibischen Meer, näher zu Nicaragua als zu Kolumbien, liegt die 6000 – oder sind es doch nur 5000? – Bewohner zählende Insel Providencia. 20 Flugminuten von der grossen touristischen kolumbianischen Schwester San Andrés entfernt. Ein Bijou, das jederzeit den Hintergrund bilden könnte für Stevenson’s Roman «Die Schatzinsel». Die Inselbewohner sprechen neben ihrem Creole, Spanisch, aber auch Englisch.

Wer dem Rummel nach fünf Tagen Touristenghetto San Andrés entflieht und auf dem 17 Quadratkilometer grossen Eiland landet, erlebt zuerst einen kleinen Schock: Kein Remmidemmi, nur Ruhe pur. Das bedeutet kein Fernsehen, aber auch kein Internet, was wohl jedem Touristen den Schweiss auf der Stirne treibt. Besonders Journalisten… (wer diesem forcierten «digital detox» entgehen will, kauft auf dem Festland für 50 Franken eine kolumbianische SIM-Card).
Man ist aber auch so informationsmässig vom Rest der Welt abgekoppelt. Was die Inselbewohner kaum stört, wie uns Zadatt versichert, der an der Ostküste einen gutlaufenden Tauchshop betreibt und sein Geld vor allem mit kolumbianischen und europäischen Tauchgästen verdient.

Tauchen mit Haien

Tauchen ist auf dem Inselparadies ohnehin das Highlight. Auf jedem Tauchgang sind die heimischen Riffhaie gerngesehene Zaungäste. Sie sind völlig harmlos, sofern man die Richtlinien der Tauchguides befolgt. Dazu gehört, sie nicht am Schwanz zu ziehen oder wild herumzufuchteln. «Never look like a fish», nie wie ein verletzter Fisch und damit wie Beute auszusehen, nie war der augenzwinkernde Rat meines australischen Divemasters Ian Hamon vor 20 Jahren aktueller …

Vieles auf Providencia liegt allerdings noch in Trümmern. Vor drei Jahren zerstörte Hurrikan Iota 98 Prozent der Häuser. Das Auge des Kategorie-5-Wirbelsturms zog 18 Kilometer nördlich der Insel vorbei – San Andrés, 90 Kilometer südlich gelegen, blieb weitestgehend verschont. Drei Menschenleben waren zu beklagen.

Der Hurrikan ist auch schuld daran, dass es mit Southwest Beach und Manzanillo nur noch zwei Strände gibt, der Sand an der Freshwater Beach wurde vom Meer abgetragen. Die beiden Strände sind dafür mehrere Besuche wert. Würde aus den einfach eingerichteten Restaurants und Bars nicht Reggae-Musik dröhnen, wäre es fast paradiesisch ruhig und man könnte den Wellen lauschen. In den Strandrestaurants werden einfache Gerichte – vor allem Fisch und Meeresfrüchte zubereitet: Langostas, Camarones, Cangrejos, Mejillones, alles fangfrisch und sehr lecker. Veganer haben dagegen einen schweren Stand, Gemüse und Salate sucht man auf den Speisekarten meistens vergebens.

Da es im Gegensatz zu San Andrés auf Providencia keinen Bus gibt, muss man einen Scooter (20 Franken im Tag) mieten oder einen Golfcart-ähnlichen Buggy. Verfahren kann man sich nicht, denn es gibt nur eine einzige Ringstrasse, die um die Insel herumführt und mittlerweile wieder im guten Zustand ist. Das mit dem Bus stimmt so allerdings nicht ganz: am Sonntag sammelt ein Kirchenbus alle Gläubigen ein. Auf Providencia gibt es tatsächlich 17 (!) Kirchen.

Einfache Posadas

Luxusherbergen findet man auf Providencia keine. Die Touristen müssen sich mit einfachen Behausungen, sogenannten Posadas bescheiden. Wobei die Zimmer mit Kühlschrank und Klimaanlage durchaus akzeptabel eingerichtet sind. So wie die Crab Cay Boutique Lodge, eine 3-Zimmer-Posada, geführt von Jennett, die neben Spanisch auch hervorragend Englisch spricht. Heisswasser zum Duschen gibt’s nicht. Das macht nichts, denn die Lodge ist hoch oben über dem Meer, mit einer atemberaubenden Sicht übers Meer. Die muss erkämpft werden. 100 Stufen führen zur Behausung – und das bei 30 Grad. Die Nächte dagegen sind, weil immer eine Brise weht, angenehm. Wenn da die Moskitos nicht wären …

Posada-Besitzerin Jennett ist auf der Insel geboren, wie ihr heute siebenjähriger Sohn auch. Sein Geburtstagswunsch war nicht einfach zu erfüllen: den neuen «Avatar»-Film im Kino zu sehen. Denn seit dem Hurrikan ging das Eiland auch des einzigen kleinen Kinos verlustig. So ging Jennett halt nach San Andrés ins Kino – mit dem Flugzeug. Die Fluggesellschaft Satena fliegt viermal täglich von San Andrés mit einer 50-plätzigen ATR-42 nach Providencia und zurück. Kostenpunkt je nach Saison um die 160 Franken (Hin- und Rückflug).

Die Fährverbindung mit einem 60-plätzigen Katamaran wurde eingestellt. Zu kostspielig. Zudem wurde es den Passagieren während der gut vierstündigen Überfahrt wegen des hohen Wellengangs oft übel. So müssen alle Insulaner und wichtigen Güter mit dem Flugzeug transportiert werden. Das Flughafengebäude befindet sich immer noch im Wiederaufbau, nachdem der Terminal vom Hurrikan zerstört wurde. So müssen die Passagiere in einem Provisorium ausharren. Da die Flüge oft verspätet sind, ist Geduld gefragt. Wobei: man ist ja im Paradies, da fällt selbst Warten unter einem notdürftigen Verschlag leicht.