Here & There
Mit dem E-Bike unterwegs auf Südafrikas Gardenroute
Norbert Eisele-HeinWie im Daumenkino wischen blühende Ginsterbüsche und zerzauste Kiefern an uns vorbei. Über Tausend weitere Arten des Fynbos, jenes üppig wuchernden Pflanzenteppichs und das Salzwasser, das mit monströsen Brechern an den zerklüfteten Küstensaum schlägt, sorgen für einen betörenden Duft. Eine Horde Paviane blickt uns erstaunt hinterher. Sie können natürlich nicht wissen, dass wir nur auf den Turboknopf drücken müssen, um mit unseren verstromten Boliden den schier immerwährenden Winden am Kap locker Paroli zu bieten.
«Cabo das Tormentas», Kap der Stürme, taufte der portugiesische Seefahrer Bartholomeu Diaz diese Landzunge, nachdem er dort im April 1488 in schwerer See beinahe Schiffbruch erlitten hatte. König Johann II. taufte es später auf Kap der Guten Hoffnung, weil er sich von der Entdeckung des neuen Seewegs nach Indien florierende Geschäfte erhoffte, referiert unser staatlich geprüfter Guide Thomas Mücke aus dem Nähkästchen. Der Deutsche lebt seit bald 25 Jahren in Kapstadt und verfügt über eine beachtliche Landeskenntnis.
Selfies und Picknick
Für uns ist das knapp 8000 Hektar grosse «Cape of Good Hope Nature Reserve» in erster Linie mal ein grossartiges Velorevier. Euphorisch tingeln wir die Bilderbuchstrände von Olifantsbos, McLear und Diaz ab. Natürlich machen wir auch unser «Wir-waren-hier-Bildchen» an der Südspitze, wo es zugeht wie am Jahrmarkt. Aber mit unseren Velos sind wir im Nu wieder für uns. Können fernab des Trubels ein opulentes Picknick am Strand geniessen. Sogar völlig ungestört im Gezeitenpool baden, während draussen Kiteboarder ihre waghalsigen Kunststücke darbieten.
Aber alles der Reihe nach. Die gesamte Strecke von Kapstadt über die komplette Gardenroute bis zum Addo Elephant National Park beträgt annähernd 1000 Kilometer. Zum Glück zielt der Reiseveranstalter Belvelo gar nicht erst auf so eine «Tortour» de France, mit brennenden Schenkeln und stetem Blick auf die Pulsuhr.
Nein, bei dieser Reise steht der pure Velogenuss im Vordergrund. Und das geht so: Auf den verkehrsreichen Hauptstrassen, die für Velofahrer ohnehin zu gefährlich wären, machen wir mit dem Begleitfahrzeug ordentlich Meile. So bleibt uns auf den handverlesenen, wunderbar verkehrsarmen Nebenstrecken reichlich Zeit für Land und Leute. Kurzum, wir picken uns nur die Rosinen zum Radeln raus.
Abstecher nach Kapstadt und weiter geht's
Darum treten wir nach einem langen Nachtflug auch nicht gleich wie wild in die Pedale. Kapstadt den Rücken kehren. Das wäre ein Frevel. Darum bummeln wir zur Akklimatisation erstmal durch das kunterbunte Bo-Kaap-Viertel. Schlendern die Waterfront entlang und haben freie Zeit für das Zeitz-Mocaa-Museum.
Abends vertiefen wir unsere Vorstellungsrunde im Bombay Bicycle Club, einem angesagten und kongenial zu unserem Vorhaben passenden Restaurant unterhalb des Kloof Necks, unweit von unserem gemütlichen Guesthouse Rosedene. Nach dem ersten Glas Rotwein wird es amtlich. Unsere illustren Gespräche drehen sich nicht um Höhenmeter und Stundenschnitte, sondern um Kultur, die bevorstehende Tour auf den Tafelberg und natürlich die Tierwelt, die uns entlang unserer Route erwartet.
Für die nächste Etappe chauffiert uns der Tourbus auf die andere Seite des Kaps, genauer gesagt nach Kleinmond im Süden der False Bay. Mit frisch befülltem Akku touren wir um das Kogelberg Biosphere Reservat. Der Blick in die immergrüne Berglandschaft erinnert uns an die schottischen Highlands. Doch weit gefehlt. Kaum 15 Kilometer weiter westlich tummelt sich bei Betty's Bay am Stony Point eine riesige Kolonie Brillenpinguine auf markanten Granitbrocken. «Viele der Frackträger befinden sich gerade in der Mauser», erklärt Thomas und zeigt uns etliche arg zerzauste Gesellen.
Wild windet sich die kaum befahrene R 44 an der Steilküste entlang. Die rauschende Abfahrt nach Blousteen eröffnet uns grandiose Tiefblicke auf zauberhafte Strände mit gewaltig Einblick in die maritime Fülle Südafrikas. Robben jagen zwischen armdickem Kelb nach Fischen. Bottlenose-Delfine surfen ausgelassen in der Brandung. Unten angekommen scannt ein «Shark-Spotter» mit einem riesigen Fernglas die Küste ab.
Auf nach Stellenbosch
Keine zwei Kurven weiter überrascht uns Eben wieder mit einem leckeren Picknick direkt am Strand. Gepfiffen auf den Weissen Hai - natürlich hüpfen wir auch mal in die Fluten, bleiben aber hübsch am Rand. Die elf Teilnehmer von der Waterkant, Berlin, München bis in den äussersten Südwesten bei Freiburg sind sich einig: Auch diese 50 Kilometer und 600 Höhenmeter verdienen die Bestnote.
Das Wechselspiel aus Velofahren und Transfers beschert uns einen wesentlich tieferen, sinnlicheren Erlebnishorizont. Mit den leistungsstarken E-Bikes muss sich keiner verausgaben und dank Thomas, Eben und seinem Tourbus haben wir trotzdem einen enormen Aktionsradius. Wird der Akku schwach, fährt einer mal einen Platten. Thomas und Eben sind sofort mit Ersatzakku oder Rad zur Stelle. Zur Krönung dieser Etappe kurbelt uns Eben im direkten Anschluss nach Stellenbosch zur Weinprobe.
Nach der inneren Anwendung am Vorabend folgt eine hügelige Schleife durch das Weinland. Auf ausgeklügelten Winzerpfaden, die wir allein niemals finden würden, pedalen wir knappe 30 Kilometer durch die feinsten Anbaulagen Südafrikas. Zirkeln vom Weingut L'Avenir zwischen Merlot und Cabernet Sauvignon über eine schier endlos mit Weinstöcken veredelte Kulturlandschaft.
Die abschliessende City-Bike-Runde durch die Universitätsstadt Stellenbosch ist ein architektonischer Leckerbissen. Chice Cafés, teure Boutiquen und vor allem die weiss-getünchten Prachtbauten im kapholländischen und viktorianischen Stil zeugen von Generationen übergreifender wirtschaftlicher Prosperität.
Über die Passstrassen von Thomas Bain
Ein gewaltiger Satz mit unserem Tourbus bringt uns auf der stark befahrenen N 2 nach Swellendam. «Thomas Bain, das südafrikanische Genie des Strassenbaus, realisierte zeitlebens sage und schreibe 24 Passstrassen im südlichen Afrika. Er zeichnet auch für den vor uns liegenden Tradouws Pass über die Langeberg Mountains verantwortlich.
Die Panoramaschleifen sind zwar gemach angelegt, aber bis hinauf nach Barrydale sind es doch 35 Kilometer und 550 Höhenmeter», erklärt Thomas Mücke die nächste Etappe. Mit jeder Haarnadelkurve schrauben wir uns erneut in einen völlig neuen, von tiefen Schluchten durchfurchten Landschaftstyp. In Barrydale, einem illustren Örtchen mit einer enormen Vielfalt an schrägen Kneipen legen wir erstmal die Beine hoch und singen ein Loblied auf die starken Akkus, die uns auf dieser kapitalen Rampe unterstützt haben.
Fortan fräst sich die Hauptstrasse schnurstracks durch die Kleine Karoo, eine von Gebirgen flankierte Halbwüste. Nach Bergwertung und üppiger Mahlzeit helfen auch die launigen Kommentare von Thomas nicht mehr. Bis nach Oudtshoorn legen die meisten Teilnehmer ein ausgiebiges Nickerchen ein.
Die folgende Etappe am nächsten Morgen entschärfen wir von vornherein. Eben bringt uns mit dem Bus hinauf zur riesigen Kango-Tropfsteinhöhle und somit bleibt uns nach der Besichtigung noch ausreichend Zeit für den Besuch einer Straussenfarm.
Am nächsten Tag chauffiert uns Eben über Knysna auf der Gardenroute nach Plettenberg. Dort gönnen wir den E-Bikes eine Pause. Starten ohne Akku zu einer höchst lohnenden Wanderung auf der Robberg-Halbinsel. Der Trail führt über Sand und Felsen rings um einen paradiesisch-schönen Inselappendix. Kapohrenrobben und Delfine spielen in der Brandung. Quietschbunte Agamen - etwas größere Eidechsen - sonnen sich auf den exponierten Felsen. Möwen brüten direkt an den Holzbohlen-Passagen.
Austernfischer mit knallroten Schnäbeln begutachten uns argwöhnisch. Die 2,5 Stundenrunde tangiert auch geradezu abenteuerliche Badestrände. Aber hier warnen Schilder eindrücklich: «Freak Waves» und «Rip Curls» können selbst gute Schwimmer blitzschnell in tödliche Gefahr bringen. «Wer weiter rausschwimmt, riskiert im Nu sein Leben», bestätigt auch Thomas.
Auch die letzten 300 Kilometer: atemberaubend
Von «Plett» ist es nur noch ein Katzensprung mit unserem Tourmobil zum nahen Tsitsikamma National Park. Der wurde bereits 1964 als erster Meeres-Naturschutzpark Südafrikas gegründet und reicht mittlerweile auch tief in den afromontanen Küstenwald. Die alte Passstrasse R102, natürlich von Thomas Bain erbaut, führt uns alternativ zum höchst frequentierten Highway N 2 durch das Tal von Bloukrans. Die Strasse ist mittlerweile für Autos gesperrt, weil der dichte Urwald, den wir bei der Photosynthese beinahe schmatzen hören, allmählich das Asphaltband zurückerobert.
Die 52 Kilometer lange, fast schon aberwitzig geschlängelte Dschungelschleife bis zum Storms River Mouth Restcamp ist ein Leckerbissen für Velofahrer. Dort schlagen die Wellen derart wuchtig an die Felsküste, dass sich in der bestimmt 15 Meter hohen Gischt zauberhafte Regenbögen formieren. Ein gewaltiges Schauspiel, das uns darüber hinwegtröstet, dass Eben nach knapp 300 Kilometern im Sattel, unsere Stromräder ein letztes Mal auf dem Hänger verstaut.
Doch kein Grund zum Katzenjammer. Die letzte Etappe führt uns vorbei an Port Elizabeth zur Dungbeetle-Lodge ausserhalb des Addo Elephant National Park. Vom Haussteg bringt uns ein Boot auf dem Sundays-River zum Alexandria Dune Field. Abermals wechselt die Landschaft abrupt. Über die ausgedehnten saharaähnlichen Sanddünen reicht der Blick zum saphirblau funkelnden Indischen Ozean.
Zum Finale tuckern wir mit einem Safari-Jeep durch den Addo Elephant Nationalpark. Bestaunen Hunderte Elefanten und sogar Elefantenbabies beim Plantschen im Schlamm. Entdecken Nashörner, Büffel und sogar Löwen - nur der Leopard fehlt uns am Ende zu den Big Five... ein guter Grund wiederzukehren. Und gerne wieder mit dem E-Bike.
Tourbeschreibung und weitere Informationen:
Von Kapstadt über einige der wohl schönsten Panoramastrecken der Welt zum Kap der guten Hoffnung, zu historischen Weingütern bei Stellenbosch, durch die wüstenhafte Kleine Karoo und entlang der Garden Route zu den Wildparks am Eastern Cape. Jede Menge tierische Begegnungen mit Pinguinen, Elefanten und Co. inklusive handverlesene Veloetappen auf sehr guten Strassenverhältnissen machen die Tour komplett familientauglich. Erstklassige Lodges und gehobene Kulinarik - eine Traumroute für Geniesser.
An- und Abreise: Am besten nonstop, beispielsweise mit Swiss oder Edelweiss ab Zürich nach Kapstadt. Zeitverschiebung gibt es praktisch keine, also auch kein Jetlag. Nur zu unserer Winterzeit gehen die Uhren in Südafrika eine Stunde vor.
Einreise: Keine Visapflicht für Deutsche, Österreicher und Schweizer, die nicht länger als 90 Tage im Land bleiben.
Übernachten: Wer auf eigene Faust loszieht, der kann auf eine wunderbare Auswahl von Hotels, Lodges, Guesthouses, B&B's, Lodges und auch grandiose Campingplätze bauen. Weitere Infos.
Veloverleih: In allen grösseren Städten gibt es ein gutes Angebot an konventionellen Mietvelos, zum Teil auch schon E-Bikes.