Here & There
Ischgl und Engadin hegen kühnen Plan
Dominik BuholzerThomas Köhle, neulich fand die E-Bike-Weltmeisterschaft bei Ihnen statt. Will Paznaun-Ischgl in diesem Bereich aktiver werden?
Thomas Köhle: Definitiv. Wir sind dabei, Konzepte zu prüfen. Klar ist für uns, dass wir Richtung breite Masse gehen. Wir stehen in Verbindung mit unseren Schweizer Kollegen von Samnaun und Scuol.
Jan Steiner: Das freut mich zu hören. Wenn ihr im Bereich Biken mehr macht, dann stärkt dies die ganze Region. Auch wir profitieren davon. Für den Gast ist es sekundär, ob er jetzt auf Engadiner Boden radelt oder im Paznaun. Er will einfach ein gutes Angebot.
Blicken wir kurz auf das Sommergeschäft zurück. Sowohl in Paznaun-Ischgl sowie Engadin/St. Moritz ist die Bilanz getrübt. Woran liegt das?
Köhle: Wir liegen, was die Zahlen anbelangt, einen guten Wintertag hinter Budget. Wir müssen deswegen nicht in Panik verfallen. Die Gründe? Es gibt viele. Nur ein Beispiel: Im Winter haben wir viele Schweizer Gäste, nicht so im Sommer. Wir sind also definitiv noch nicht dort, wo wir sein wollen.
Steiner: St. Moritz hat einen guten Sommer hinter sich und schliesst mit einem Plus bei den Übernachtungszahlen. Bei den anderen Gemeinden des Engadins verzeichnen wir per Ende Juli dagegen ein Minus. Unter dem Strich resultiert eine schwarze Null beziehungsweise ist immer noch positiver als 2019.
«Das Personal drängt auf Ganzjahresverträge.»
Thomas Köhle, Sie haben verkündet, Paznaun-Ischgl müsse zur Ganzjahresdestination werden. Jan Steiner, das Engadin will den Herbst stärker bewerben. Ist der Winter kein einträgliches Geschäft mehr?
Steiner: Doch, das Wintergeschäft läuft noch immer sehr gut. Aber es geht vor allem um die Betriebe: das Personal drängt auf Ganzjahresverträge.
Köhle: Das Zauberwort lautet in der Tat: Mitarbeitende. Von dort kommt vor allem Druck. Nur eine Wintersaison genügt nicht. Sie wollen mehr Sicherheit. Das kann ich verstehen.
Schön und gut. Doch die Mitarbeitenden können nicht der alleinige Grund sein.
Köhle: Dies nicht. Aber sie sind ein wesentlicher Faktor. Daneben gilt es, die Infrastruktur besser auszulasten.
Inwiefern?
Köhle: Die Infrastruktur kann nicht auf eine durchschnittliche Belegung ausgelegt werden, sondern auf die Spitzenzeit. Diese ist zwischen Weihnachten und Neujahr. Dann zählen wir in der Region Paznaun-Ischgl zehn Mal mehr Personen als sonst.
Steiner: Das ist bei uns im Engadin genau gleich: Auch bei uns ist die Spitze zwischen Weihnachten und Neujahr. Daneben dürfen wir auch stolz sein, dass wir auch im Sommer von Mitte Juli bis Ende August sehr gute und starke Auslastungen verzeichnen dürfen. Das Engadin ist eine Sommer- wie auch Winterdestination.
Köhle: Deshalb wollen wir unser Potenzial mehr ausschöpfen. Es geht darum, den Winter zu halten und den Sommer zu steigern. Entscheidend ist eine bessere Auslastung. Es stört mich, dass die Orte immer nur anhand der Übernachtungszahlen gemessen werden. Wir möchten künftig anders kommunizieren. Noch fehlt uns aber ein neues System.
Steiner: Ich bin ganz auf deiner Seite, Thomas. Lass uns zusammen dazu ein Projekt lancieren.
Köhle: Super, ich nehme gleich mit einem Professor vom Campus Landeck Kontakt auf.
«Wir brauchen eine Auslastungs- und nicht eine Nächtigungszahl.»
Halt, halt: Sie wollen ein neues Vergleichssystem für die Tourismusorte lancieren. Können Sie mir nochmals erklären, weshalb genau?
Köhle: Die Übernachtungszahlen sagen nur aus, wie viele Personen sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort befanden. Sie geben aber keinen Hinweis darauf, wie sehr Hotels, Bahnen und die restliche Infrastruktur benützt worden sind. Und genau hier wollen wir ansetzen. Eine solche Betrachtungsweise wäre viel nachhaltiger. Deshalb: Wir brauchen eine Auslastungs- und nicht eine Nächtigungszahl.
Steiner: Schlussendlich geht es darum mit der bestehenden Infrastruktur die Auslastung und die Wertschöpfung im Tal zu optimieren. Dies natürlich immer unter Berücksichtigung der drei Dimensionen der Nachhaltigkeit.
Potenzial für eine höhere Auslastung bietet vor allem der Sommer. Aber ist es nicht so: Im Winter gehen die Leute in die Berge und im Sommer an den Strand?
Steiner: Ich sehe im Sommer sehr wohl Potenzial. Wenn es mit dem Temperaturanstieg so weitergeht, spielt uns dies in die Karte, dann sehnen sich im Sommer noch mehr Leute nach den angenehmen Temperaturen bei uns in der Höhe. In den nächsten Jahren stehen grosse Investitionen in die Beherbergung an. Dies zeigt, dass man an unser Tal und den Tourismus im Engadin glaubt.
Köhle: Ich sehe dies genauso. Allerdings genügt es nicht, einfach auf die angenehmen Temperaturen und die schöne Landschaft zu verweisen. Es braucht mehr. Aus diesem Grund haben wir für 75 Millionen Euro die Silvretta Therme gebaut. Dies ist eine super Ergänzung. Und um diese noch besser vermarkten zu können, haben wir ein eigenes Reisebüro gegründet, das Packages anbietet.
Zum Schluss noch ein Ausblick auf die Wintersaison: Droht die anhaltende Inflation einen Strich durchs Geschäft zu machen?
Steiner: Bis jetzt zum Glück nicht. Der Buchungsstand ist gut. Ich bin sehr zuversichtlich. Zuerst freuen wir uns jedoch noch auf den Indian Summer im Engadin mit den goldenen Lärchen.
Köhle: Die steigenden Preise könnten einem tatsächlich Bauchweh bereiten. Aber die Vorzeichen für den Winter sind erstaunlich gut. Ich bin sehr zuversichtlich.